GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

GUARDIANS - Das Vermächtnis - Caledonia Fan


Скачать книгу
blauen Augen unter den dunklen buschigen Brauen schossen förmlich Blitze.

      Tariq hob hilflos die Hände. Er wusste, dass sein Freund zu recht aufgebracht war.

      "Sonst sind Verletzungen doch kein Problem für ihn", verteidigte er sich und sein Handeln, doch man konnte hören, dass seine Worte nicht mal für ihn selbst als Entschul­digung reichten. "Niemand konnte ahnen, dass ausgerechnet heute irgendetwas anders ist."

      Er setzte sich auf den anderen Hocker und betrachtete seine Hände. Trotzdem er sie vorhin gewaschen hatte, konnte er noch immer Blut daran entdecken.

      "Du weißt, dass wir Yonas aus dem Schloss zurückholen wollten", begann er und verschränkte die Finger ineinander. "Und vorhin, während du Shujaa und Koll verarztet hast, habe ich dir erzählt, dass wir dort auf Mato Rayan trafen."

      Unsicher sah er zu Issam, als müsse er sich vergewissern, dass sein Freund ihm folgen konnte, dann sprach er weiter.

      Er war nur zehn Minuten nach den Guardians aufgebrochen und hatte das Gaspedal bis zum Bodenblech durchgetreten. Während der Fahrt rasten seine Gedanken genauso wie der Wagen. Drei Teams hatte er Ahmad schicken können. Das gelbe war mit seinem Observierer und Ausbilder Sadik in der Stadt unterwegs. Sieben Guardians, um den Jungen zurückzuholen.

      Fast den gesamten Wald musste er in einem weiten Bogen umfahren. Die Straße war eine Katastrophe und zähneknirschend drosselte er das Tempo ein wenig, obwohl es ihm so schon viel zu langsam ging. Nach zehn Minuten mit diesem waghalsigen Fahrstil tauchte der Umriss des alten Schlosses zwischen den Bäumen auf. Das ungute Gefühl in der Magengrube hatte sich inzwischen noch verstärkt.

      Während er ausstieg und die Autotür zuknallte, rief er der am Klein­bus wartenden Imara zu, dass er mit reingehen würde. Die Reaktion der verdatterten Fahrerin wartete er nicht ab und rannte los. Was würde er vorfinden?

      Als Erstes erreichte das trockene Knallen von Schüssen sein Ohr. Besorgt erhöhte er sein Tempo noch, hastete die zugewachsene Auffahrt hinauf, stolperte über Brombeerranken und hörte weitere Schüsse.

      An der breiten Freitreppe vor dem Portal traf er auf das rote Team, das sich hinter der niedrigen Brüstung duckte. Hennak schoss auf zwei Gestalten, die am oberen Ende der Stufen Deckung gesucht hatten und das Feuer erwiderten. Das trockene Bellen seiner Pistole wechselte sich ab mit dem kaum hörbaren Geräusch, mit dem Shujaas kleine Pfeile blitzschnell von der Sehne seines Klappbogens zischten.

      Tariq war gezwungen einen Bogen laufen, um unbemerkt von den Gegnern der beiden das Eingangsportal erreichen und ins Innere des Gebäudes verschwinden zu können.

      Als er drin war, mussten sich seine Augen erst an das dämmerige Licht gewöhnen. Doch ein knallrotes, knisterndes Energiegeschoss, das quer durch den großen Raum raste, beleuchtete die Szenerie für einen Augenblick, so dass er sich besser orientieren konnte.

      Er erkannte das blaue Team, das hinter großen Gesteinsbrocken in Deckung gegangen war. Trajans schwere Waffe hatte einen anderen Klang als die Glocks der restlichen Guardians. Der dumpfe Knall seiner Schüsse wechselte mit dem helleren von Tianas Pistole.

      Ihr Gegner war eine Frau, die sich geschickt hinter einer dicken Säule verbarg. Eher noch ein Mädchen. Nicht älter als die Geschwister selbst. Und eine Energienutzerin, wie er verblüfft feststellte. Gerade flog wieder ein rotes Energiegeschoss auf Tiana zu und verfehlte sie knapp, weil sie rechtzeitig hinter einer Säule abtauchte.

      Ahmad und das grüne Team konnte er nirgends entdecken. Doch in dem Moment rauschte ein grünes Licht vom oberen Ende einer geschwungenen Treppe herunter. Tariqs Kopf fuhr herum, weil er aus dem Augenwinkel eine Bewegung neben sich wahrgenommen hatte. Und da entdeckte er Senad und auf der anderen Seite den etwas kleineren Koll, die sich am Fuß der Treppe ebenfalls hinter Säulen verborgen hielten.

      Jetzt stürmte ein Mann die Stufen herab, der es in Größe und Statur durchaus mit Tanyel aufnehmen konnte. Die massige Gestalt des Riesen bewegte sich verblüffend schnell. Senad und Koll mussten sich zurückziehen. Tariq konnte zwar das Zischen von Kolls tödlichen Wurfmessern hören, doch nicht einen einzigen Schmerzenslaut des Gegners.

      Als dieser im Foyer angekommen war und sich ein paar Schritte vom Fuß der Treppe entfernte, sah Tariq seine Chance, unbemerkt nach oben zu gelangen. Er hatte keine Zweifel, dass die Teams zurechtkom­men würden. Ahmad und Yonas jedoch waren immer noch nirgends zu sehen und der Riese war von dort gekommen.

      Er huschte die Stufen hinauf in der Hoffnung, dass weder das fremde Mädchen noch der Hüne ihn bemerkten. Oben angekommen trat er in einen dunklen Korridor, an dessen Ende er Licht sah. Vorsichtig pirschte er sich näher heran, bis er eine offene Doppeltür erreichte. Helles Tageslicht flutete durch die hohen Fenster in einen großen Saal, der sich vor ihm auftat. Die Galerie, die - ähnlich der unten im Foyer - in Form eines großen U die Wände des Saales umlief, war auf der rechten Seite eingestürzt. Der einzige Gegenstand in dem riesigen Raum war ein großer, mit Spinnweben behangener Messingkronleuchter, der an einer Kette von der hohen Decke herabhing.

      Ihm gegenüber, am anderen Ende des Saales, erhob sich eine breite Treppe mit steinernem Geländer, die sich nach oben verjüngte und zu der Galerie hinaufführte. Gemusterte Bodenfliesen, verschnörkelte Brüstungen und Stuck an der Decke und den Säulen, die die Galerie trugen, zeugten von einstiger Pracht. Offensichtlich war das in früheren, glanzvollen Zeiten der Festsaal des Schlosses gewesen.

      Das Sonnenlicht fiel auf einen Mann, der mit verschränkten Armen am oberen Ende der Treppe stand.

      Tariq, der noch immer in der offenen Tür stand, blinzelte angestrengt. War es Ahmad? Doch bevor er es erkennen konnte, ließ ihn eine Bewegung direkt links von ihm herumfahren.

      Da stand Ahmad. Er hatte seinen beeindruckenden Dolch gezogen und hielt ihn auf jemanden gerichtet, der vor ihm mit dem Rücken an der Wand lehnte und sich offensichtlich nur mühsam auf den Beinen hielt. Der schwarze Guardian beherrschte die Situation, das zeigte die kalte Ruhe, die er ausstrahlte.

      Jetzt entdeckte Tariq auch Yonas. Der Junge stand - offensichtlich unversehrt - an der linken Wand des Saales. Aber gerade als er zu ihm hingehen wollte, erkannte er entsetzt seinen Irrtum. Der Mann mit dem Dolch war nicht Ahmad. Ahmad war der, der schwer atmend an der Wand lehnte. Und doch sah einer aus wie der andere. So verblüffend ähnlich ...

      "Tariq!", erklang es in dem Moment von der Galerie herab. "Welch schöne Überraschung, dass du auch gekommen bist."

      Die Stimme ließ ihn einmal tief durchatmen. Er kannte sie. Und er hatte damit gerechnet, ihren Besitzer heute hier zu treffen.

      "Und das war Rayan?"

      Issams Stimme holte Tariq zurück in die Wirklichkeit der kleinen Klinik. Der Doc war fertig mit der zweiten Naht und kam zu ihm an den Schreibtisch herüber. Er zog die Hand­schuhe aus, angelte mit dem Fuß seinen kleinen Rollhocker heran und setzte sich neben seinen Freund.

      Tariq nickte langsam.

      "Hat er sich nicht gewundert, was du dort zu suchen hast?"

      "Nein." Der Chef der Guardians knetete unschlüssig seine schlanken Finger. "Er verhielt sich eher, als ob er … irgend­wie damit gerechnet hätte."

      Issam kniff besorgt die Augen zusammen. Er verstand, was sein Freund meinte. "Was passierte dann?", fragte er, während er sich mit beiden Händen durch das an den Schläfen bereits ergrauende Haar fuhr und danach erneut die Röntgenaufnahme betrachtete.

      Tariq runzelte einen Augenblick konzentriert die Stirn, dann setzte er seinen Bericht fort.

      Mato Rayan ...

      Ihm blieb keine Zeit, sich von der Überraschung zu erholen. In der Handfläche des Mannes auf der Galerie erschien ein knisterndes, schwarz schillerndes Licht. Wenn er sich bis dahin nicht sicher gewesen war - jetzt musste er es sein. Die Farbe von Rayans Energie war schwarz, so düster wie das Wesen ihres Wandlers.

      Gleich würde das Geschoss auf ihn zu rasen. Blitzschnell erschuf er einen großen, silbern schimmernden Energieschild an seinem linken Arm. Ein eigenes Energiegeschoss


Скачать книгу