GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

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und mitfühlend.

      Unter dem Kissen drang ein unwilliger Seufzer hervor, dann wurde es weggeschoben und Tiana setzte sich auf.

      "Ich weiß, es ist albern. Man muss sich um ihn nicht sorgen. Sicher ist alles in Ordnung und ich mache mich hier verrückt."

      Rhea streifte die Schuhe ab, zog die Beine hoch und setzte sich im Schneidersitz aufs Bett. Das Lächeln, das diese Worte hervorriefen, machte ihr hübsches Gesicht noch weicher, als es so schon wirkte.

      "Das sagst du jedes Mal, wenn er zu einem Einsatz unterwegs ist."

      "Ja, hast recht. Wie eine Glucke." Tianas grüne Augen trafen sich mit den fast schwarzen ihrer Freundin und dann prusteten die beiden los. Doch sie wurden schnell wieder ernst. Eine Weile schwiegen sie und hingen ihren Gedanken nach.

      "Wann willst du es Ahmad endlich sagen?", wollte Rhea jetzt wissen und sah ihre Freundin gespannt an.

      Tiana senkte den Kopf und lachte kurz. Es klang bitter.

      "Wahrscheinlich wenn ich eine alte Frau bin. Oder nie. Ja, ich denke, ich werde wohl eher nie den Mut dazu finden."

      Ihre Freundin presste mitfühlend die Lippen zusammen. "Und von seiner Seite ist gar nichts zu merken?"

      Der Blick, den ihr Tiana jetzt zuwarf, zeigte nichts als Resignation. "Eher friert die Sahara zu. Ich weiß nicht mal, ob er sowas wie Liebe überhaupt kennt. Wahrscheinlich hat er da, wo andere ein Herz haben, nur einen Stein in der Brust. Er sieht mich gar nicht." Die Achtzehnjährige seufzte und ihre Lippen zuckten verräterisch. "Aber das ist mir egal", fügte sie flüsternd hinzu. Sie griff nach einem der Kissen, schlang die Arme darum und presste es an die Brust, um ihr Gesicht darin zu vergraben.

      Rhea war so klug nichts darauf zu sagen. Sie hatten das Thema schon oft genug gehabt. Tiana kam keinen Schritt weiter bei Ahmad. Und sie hatte recht: er war blind für das, was sie so bewegte. Es schien hoffnungslos zu sein für ihre Freundin.

      Was diese allerdings nicht wusste - sie selbst verbarg auch etwas, sorgfältig und tief in sich drin. Noch hatte sie nicht den Mut gefunden, mit Tiana darüber zu sprechen. Doch sie konnte die Freundin so gut verstehen, viel besser als diese ahnte ...

      "Wir könnten zusammen mal zu den Garagen gehen und schauen, ob sein Auto da ist", meinte sie hastig, weil sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten. "Aber selbst wenn nicht, muss das nichts heißen. Es steht ja nicht jede Nacht in der Garage. Wenn keiner Zeit hat, ihn einzuparken, oder Ahmad mitten in der Nacht eintrudelt, dann bleibt er draußen vor dem Nordtor stehen."

      Tiana nickte erst und schüttelte dann missbilligend den Kopf.

      "Ich wünschte, diese blöde und umständliche Sache mit der Barriere ließe sich irgendwie ändern. Jedes Mal braucht er einen, der sein Auto reinbringt. Am Tor ist Schluss für ihn. Und keiner hat bislang rausbekommen, wo er wohnt. Nicht mal Shujaa, weil er ihn nicht aufspüren kann. Ich vermute ja, dass er ein Zimmer hat in einem der Häuser in der neuen Siedlung vorn am Waldrand. Das wäre zu Fuß problemlos zu schaffen."

      "Jetzt fang du nicht auch noch an. Es reicht schon, dass die Jungs fast vor Neugier vergehen. Außer Senad. Und der weigert sich hartnäckig, sein Handy zu orten. Weißt du eigentlich, dass Hennak Ahmad einmal verfolgt hat, um rauszubekommen, wo er lebt?"

      "Nein", entfuhr es Tiana verblüfft. "Echt? Das hat mir niemand erzählt. Und hat er es rausbekommen?"

      Rhea verdrehte die Augen und lachte.

      "Die Antwort kannst du dir selbst geben. Versuche mal Ahmad unbemerkt zu folgen." Sie wurde wieder ernst. "Er hat schon irgendwas, dieser dunkle Krieger. Riesengeheimnis um seine Herkunft, seine Familie, sein ganzes Vorleben."

      Tiana zuckte die Schultern. "Wenn er meint, dass wir etwas darüber wissen sollen, wird er es uns schon sagen." Sie schob die Beine vom Bett und angelte nach ihren Schuhen, während sie halbherzig versuchte ihre zerzausten Haare zu richten. "Na los, gehen wir noch ein Stück. Mal schauen, ob sein Auto da ist."

      Rhea erhob sich ebenfalls und warf einen Blick in den Wandspiegel mit dem kitschig verschnörkelten Rahmen neben der Tür. Das ebenmäßige Gesicht mit dem goldfarbenen Teint, den weichen Lippen und den großen schwarzen Augen verriet ihre Herkunft aus südlicheren Gefilden.

      "Und selbst wenn nicht", gab sie zurück und machte Tiana Platz, die sie beiseiteschob, um sich kämmen zu können. "Dann waren wir wenigstens nochmal an der frischen Luft. Nach dem guten Essen brauche ich sowieso noch dringend einen kleinen Verdauungsspaziergang, bevor ich zu Bett gehe." Lächelnd klopfte sie auf ihren makellos flachen Bauch und legte den Kopf schief.

      "Ja, ja, ich weiß. Gleich sagst du wieder, du wirst fett." Tiana winkte ab. "Ich hole meine Jacke, Moment."

      Sie wussten, dass Tanyel, der Steward, bereits zu Bett gegangen war. Deshalb hatten sie keine andere Möglichkeit, nach draußen zu kommen, als durch eines der großen und fast bodentiefen Fenster im Besprechungsraum zu steigen. Um zweiundzwanzig Uhr wurde das schwere, eichene Portal am Haupteingang von Darach Manor immer verschlossen, ebenso wie der Gartenausgang hinten. Wer dann noch rauswollte, musste sich bei Tanyel einen Hausschlüssel holen - oder eben durchs Fenster klettern.

      Nebeneinander gingen sie an der Südseite des Hauses entlang in Richtung des Wirtschaftstraktes. Hinter dem gepflegten Rasen zu ihrer Rechten ragte der zum Grundstück gehörende Wald wie eine schwarze drohende Mauer auf.

      Die Fenster von Bibliothek und Speisezimmer im Erdgeschoss waren dunkel und auch die in den beiden Stockwerken darüber. Aber als sie um die Ecke des Hauptgebäudes kamen, stoppten sie kurz. In der Wohnung von Issam, der im Anbau des verwinkelten Gebäudes wohnte, brannte Licht. Der Arzt war also noch wach.

      Geduckt huschten die Mädchen unter den Fenstern vorbei, ließen die Mauer von dem kleinen Hof mit dem Gartenausgang hinter sich und verschwanden unter den hohen Eschen, die zwischen dem Landsitz und den Wirtschaftsgebäuden im Osten des Grundstücks standen.

      Hier hielten sich die Schüler des Internats so gut wie nie auf. Den ehemaligen Wirtschaftstrakt bildete ein Karree aus vier Gebäuden, die einen kleinen Hof umgaben. Direkt vor ihnen lag der L-förmige Klotz des leerstehenden, langsam verfal­lenden Gesindehauses. Neben diesem und den Garagen gab es noch das ehemalige Kutscherhaus, in dem ihre beiden Ausbilder wohnten, und ein altes Taubenhaus, das heute ein Geräteschuppen war.

      Die Mädchen liefen an der Rückseite des Gesindehauses ent­lang, an die sich die umgebauten früheren Ställe anschlossen. In ihnen waren heute die fünf Autos untergebracht, die zum Landsitz gehörten.

      Zwei Minuten später spähte Tiana auf Zehenspitzen stehend mit vorgehaltenen Händen durch das Fenster der Garage, in der sonst Ahmads schwarzes Auto neben dem SUV ihres Ausbilders parkte. Doch es war nicht da.

      Schulterzuckend drehte sie sich zu Rhea um. "Lass uns wieder reingehen", meinte sie und es klang ein bisschen verzagt. "Vielleicht hat er ihn ja wieder vorn am Nordtor stehengelassen und ist längst im Bett." Fröstelnd rieb sie ihre Oberarme, hakte sich dann bei der Freundin ein und schmiegte sich an sie. Mit raschen Schritten gingen sie unter den Bäumen hindurch und dann quer über die Wiese zurück zum Haus. Gleich darauf waren sie wieder an dem Fenster angekommen, durch das sie herausgeklettert waren.

      Tiana spähte um die Hausecke. "In Tariqs Arbeitszimmer brennt Licht. Wahrscheinlich wartet er immer noch auf Ahmads Anruf", vermutete sie.

      Rhea nickte. "Los, rein mit dir", meinte sie energisch und hauchte in ihre klammen Hände. "Mir ist kalt." Sie öffnete den vorhin nur angelehnten Fensterflügel weit und bildete eine Räuberleiter, damit die kleinere Tiana zuerst hineinstei­gen konnte. Dann kletterte sie selbst hinterher und schloss das Fenster sorgfältig.

      Dienstag, 22:50 Uhr

      Tariq war sicher, dass er die Grundstücksgrenze noch nicht überquert hatte, denn bisher war nichts zu spüren gewesen von der kaum wahrnehmbaren elektrisierenden Spannung in der Luft. Und genau die hätte er beim Passieren von Ahmads unsichtbarer Schutz-Barriere sofort registrieren müssen. Sie konnte aber nicht mehr weit entfernt sein, weil dort vorn schon die Hütte


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