GUARDIANS - Das Vermächtnis. Caledonia Fan

GUARDIANS - Das Vermächtnis - Caledonia Fan


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war, zu sprechen.

      "Ich weiß nicht viel über ihn", seufzte Yonas nun, ganz so, als hätte er Ahmads telepathische Bemerkung von vorhin verstanden. "Er war eher ein Sonderling. Das, was man einen verschrobenen Wissenschaftler meint."

      "Ich kann dir ... von ihm erzählen." Noch immer wandte Ahmad den Blick nicht von Yonas.

      Jetzt krauste Trajan besorgt die Stirn. "Ahmad ...", begann er zögerlich, "also ich weiß nicht, ehrlich ... Und du", er boxte Yonas leicht an die Schulter, "ermuntere ihn nicht noch. Das könnt ihr ein andermal machen. Wenn Ahmad sich anstrengt, wird uns das Teil dort", er deutete mit dem Kinn zum Monitor hinüber, "sofort den Doc auf den Hals hetzen."

      Der Jüngere nickte. "Und wenn der mich hier erwischt, bin ich geliefert. Gibt mindestens vier Wochen Küchendienst." Er blickte so kläglich drein, als wäre der Hammer nach diesem Urteilsspruch über ihn schon gefallen.

      Trajan verzog belustigt die Mundwinkel. Doch mit der Vermutung konnte Yonas recht haben. Issam würde keine Gnade kennen, wenn er ihn hier vorfand.

      "Ich zeige es ihm." Selbst in Gedanken zu sprechen schien Ahmad anzustrengen, seine Stimme klang matt, kaum hörbar in Trajans Kopf.

      Doch der verstand den Sinn der Worte sofort. Stumm deutete er auf Yonas' Hand und dann auf Ahmads Schulter.

      Verblüfft sah der Junge ihn an. Ich soll Ahmad berühren, schienen seine Augen zu fragen, nachdem dieser das immer vermieden hatte?

      Zögernd folgte er der stummen Aufforderung und beugte sich ein wenig vor, während er die Augen schloss. Das half ihm immer, in Erinnerungen einzutauchen, auch in seine eigenen. Dann wartete er auf das, das Ahmad ihm zeigen wollte. Eine Weile herrschte Stille. Nur das Summen des Monitors und das leise Zischen vom Sauerstoff konnte man hören.

      Yonas Miene war hochkonzentriert. Er schien intensiv in Ahmads Erinnerungen eingetaucht zu sein. Ein paar Minuten vergingen, ohne dass sich einer von ihnen rührte. Dann riss er plötzlich mit einem erschrockenen Laut seine Hand zurück und sprang auf. Der Stuhl kippte um, als er nun beinahe taumelnd einen Schritt zurückwich.

      Trajan war erschrocken zusammengefahren und starrte ihn an.

      Aber Yonas sagte nichts, sondern drehte sich um und verließ das Zimmer fast fluchtartig.

      Der blaue Guardian sah ihm verdutzt nach und hörte gleich darauf die Tür der Klinik ins Schloss fallen. "Was ist denn in den gefahren?", murmelte er.

      "Geh ihm nach!", flüsterte Ahmad drängend. "Er darf sich nicht aufregen!"

      Gehorsam sprang Trajan auf, rannte durch den Behand­lungsraum und riss die Tür zum kleinen Foyer auf. Gerade noch sah er, wie links von ihm die Gartentür ins Schloss fiel. Als er durch das Fenster daneben spähte, konnte er erleich­tert feststellen, dass Yonas sich eben auf die Steinbank neben der niedrigen Gartenmauer plumpsen ließ.

      Ein, zwei Minuten wartete er noch, doch als er sah, dass der Jüngere ruhig dort sitzenblieb, kehrte er zurück ins Kranken­zimmer.

      Ahmad wartete schon ungeduldig. "Was macht er? Wo ist er hin?", fragte er besorgt.

      "Alles gut." Trajan winkte beruhigend ab. "Er sitzt ganz still draußen auf der Bank. Mann …", flüsterte er, nachdem er sich wieder ans Bett gesetzt hatte, "was hast du ihm bloß gezeigt?"

      Wirklich beruhigt schien Ahmad nicht zu sein. Doch jetzt richtete sich sein Blick wieder auf den blauen Guardian. Seine Linke griff nach der Sauerstoffmaske und zog sie herunter übers Kinn. "Ein paar Dinge aus seiner Kindheit, an die er sich selbst nicht mehr erinnern kann, weil er zu klein war." Für ein paar Sekunden schwieg er. "Und wie ich damals seinem Vater zum ersten Mal begegnet bin und der mich als Bodyguard eingestellt hat ... für seinen damals neun Monate alten Sohn."

      Trajan riss verdutzt die Augen auf. Das hatte er nicht erwartet. Und Yonas hatte also nichts davon gewusst.

      "Und das, was Yonas gestern Abend - also dieses … von was er überwältigt wurde, war also eine Energieart, die dessen Vater entwickelt hat?"

      "Ja."

      "Und du kennst sie?"

      "Ja."

      "Also weißt du, was sie anrichten kann?"

      "Ja."

      "Denkst du deshalb, Yonas sei gefährlich?"

      "Ja."

      Trajan lehnte sich zurück auf dem Stuhl und versuchte die vielen Informationen zu sortieren und zu verarbeiten.

      Was für ein heilloses Chaos. Er hatte jetzt noch mehr Fragen und wusste nicht, wer sie ihm beantworten sollte. Nur Ahmad kam in Frage. Doch der brauchte Ruhe und keine aufregenden Diskussionen.

      Unschlüssig sah er auf seine Uhr. Yonas kam nicht zurück. Ahmads Erinnerung war wohl ein Schock für ihn gewesen. Er hatte eben erkennen müssen, dass seit fast sechzehn Jahren auf Geheiß seines Vaters ständig jemand an seiner Seite gewesen war, um ihn zu beschützen.

      Aber an der ganzen Geschichte stimmte etwas nicht. Ja, Ahmads wahres Alter kannte keiner von ihnen, aber er war mit Sicherheit nicht älter als fünfundzwanzig. Wie konnte er seit so langer Zeit bei Yonas sein? Damals war er ja selbst noch ein Kind!

      Trajan beschloss, ihn bei nächster Gelegenheit zu fragen und seufzte. Ahmad hatte die Augen wieder geschlossen. Außer seinen flachen Atemzügen war nur das leise Zischen der Sauerstoffversorgung zu hören. Der Monitor summte ganz dezent und eine der Zahlen blinkte rot.

      Leise stand Trajan auf, beugte sich vor und zog die Maske vorsichtig wieder über Ahmads Gesicht. Seine Gedanken kreisten um das, was er eben erfahren hatte.

      Rayan schien auf jeden Fall etwas über diese seltsame Energie, die in Yonas schlummerte, zu wissen. Er hatte die Flucht ergriffen, als dieser sie - ja, was eigentlich? Aktivierte?

      Ein neuer Gedanke tauchte auf und Trajan setzte sich vor Schreck kerzengerade hin. Hatte Rayan Yonas vielleicht nur deswegen entführt und die Vermutung, dass er Ahmad damit ködern wollte, war völlig verkehrt?

      Wer um alles in der Welt konnte diesen Knoten entwirren?

      Mittwoch, 17:00 Uhr

      Yonas hatte sich auf die Bank neben der Gartenmauer fallen lassen. Fröstelnd zog er die Schultern hoch. Es war nicht wirklich kalt, aber man merkte doch, dass es erst Frühling war. Hier schien die Sonne nur von morgens bis mittags, dann verschwand sie hinter dem wuchtigen Bau des Haupt­hauses und überließ die Wiese dessen schnell wachsendem Schatten.

      Fassungslos grübelte er noch immer, wie es sein konnte, dass ihm all die Jahre entgangen war, warum Ahmad wirklich bei ihnen gewohnt hatte.

      Als er ein Kind war, hatte er es als selbstverständlich hinge­nommen. Ahmad war ein Familienmitglied für ihn gewesen, etwa so wie ein großer Bruder. 'Er ist mein Assistent, mein Mitarbeiter', hatte sein Vater ihm geantwortet, als er später einmal fragte, ob Ahmad sein Onkel sei. Und mit der Antwort hatte er sich zufriedengegeben.

      Jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass dieser Mitarbeiter eigentlich immer nur bei ihm anstatt bei seinem Vater gewesen war. Ungewöhnlich für einen Assistenten. Aber er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht.

      Umso unvorbereiteter traf es ihn jetzt, dass sein Vater Ahmad extra für ihn als Bodyguard angestellt hatte. Wie oft war er wohl in seiner Nähe gewesen, ohne dass er ihn bemerkt hatte …

      An das Haus, das er in dessen Erinnerung gesehen hatte, konnte er sich nicht erinnern. In den sechzehn Jahren seines Lebens waren sie dreimal umgezogen und zweimal hatte er die Schule wechseln müssen. Da gab es nicht viele Gelegen­heiten, Freunde zu finden und die wenigen kostbaren Freundschaften zu erhalten. So war er meist für sich geblie­ben. Ahmad hatte ihm Geschwister und Freunde ersetzt. Sein Vater war ein verschlossener Mensch gewesen, seine Mutter tot und andere Familienmitglieder gab es nicht.

      Seine Mutter ...

      Er war neun gewesen, als sie starb. Ein kleiner Junge, dessen Welt plötzlich aus den Fugen geriet.


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