WIE SCHATTEN ÜBER TOTEM LAND. S. Craig Zahler

WIE SCHATTEN ÜBER TOTEM LAND - S. Craig Zahler


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zwei weiße Hemden, Manschettenknöpfe, italienische Schuhe, Schuhcreme, zwei Fliegen – königsblau und schwarz –, eine rote Krawatte, eine königsblaue Melone, einen schwarzen Zylinder und einen Roman mit dem Titel La Playa de Sangre, anhand dessen er seine Spanischkenntnisse verdeutlichen konnte.

      Anschließend stieg er vom Dachboden herab und schritt durch den Flur im Obergeschoss. Als der Gentleman ein klagendes Geräusch von jenseits der geschlossenen Tür des Babyzimmers vernahm, blieb er stehen.

      Das Paar hatte sich am Abend zuvor verabschiedet und Kathleen hatte Nathaniel ausdrücklich darum gebeten, am Morgen abzureisen, ohne sie zu wecken, sodass sie ein banges Lebewohl vermeiden konnten.

      Mit seinem schweren Mantelsack in der linken Hand im Flur stehend lauschte der große, blonde Gentleman aus Michigan dem leisen Schluchzen seiner Verlobten. Das Geräusch zog ihm die Eingeweide zusammen und ließ sein Sichtfeld verschwimmen.

      Und dann ging er.

      Kapitel 3

       Die Plugfords

      Brent Plugford atmete tief ein, und mit der für die Jahreszeit unangemessen kühlen Morgenluft kamen die Gerüche, die die Hotelwohnung erfüllten: feuchte Unterkleidung, Seife, schimmelndes Holz, geöltes Leder, Eisen, kalter Zigarettenrauch und billiger Bourbon. Der neunundzwanzigjährige Cowboy öffnete die Augen und sah Long Clay, dessen hochgewachsener, schlanker Körper mit einem schwarzen Hemd und passenden Hosen bekleidet war, am Fuß seines Bettes stehen wie den Spätnachmittagsschatten einer Vogelscheuche.

      Der silberhaarige Mann zeigte auf die Person, die neben Brent schlief. »Weck ihn auf.«

      »Okay.«

      Long Clay ging zum Fenster.

      Brent setzte sich auf, streckte seine steifen Muskeln, fuhr sich mit einer Hand durch sein lockiges, braunes Haar und blickte nach links. Auf dem Bett ausgestreckt lag sein jüngerer Bruder, Stevie Plugford, im Tiefschlaf – und im Longjohn von letzter Woche. »Stevie, du musst aufsteh'n. Wir zieh'n los.«

      Der Einundzwanzigjährige grunzte.

      »Aufwachen«, befahl Brent. »Jetzt.« Der Cowboy schüttelte seinen Bruder an der linken Schulter.

      Stevie schlug die Hand seines Bruders weg und zog sich eine Decke über den Kopf.

      »Du hättest nicht so viel Bourbon trinken sollen«, schimpfte Brent. »Ich hab dir gesagt, das sollst du nicht.«

      »Schmor in der Hölle.«

      Long Clay zog eine schwarze Pistole, packte sie beim Lauf und ging aufs Bett zu.

      Zu dem hochgewachsenen, schlanken Mann sagte Brent: »Ich krieg ihn schon …«

      Der Griff der Waffe traf auf den Klumpen, der Stevies Kopf war.

      Der junge Mann schrie auf, zog die Decke nach unten und rieb sich sein tomatenfarbenes Ohr. »Gottverdammt, das hat wehgetan.« Stevie sah zu Long Clays dreieckigem Gesicht hinauf, in dem kalte, blaue Augen saßen, ein dünner, grauer Schnurrbart und ein lippenloser Mund, und entschied sich dagegen, direkte Kritik zu äußern.

      Der Revolverheld wandte sich von dem jungen Mann ab, steckte seine schwarze, sechsschüssige Pistole, die eine von zweien an seiner Hüfte war, ins Holster und durchquerte das Zimmer.

      Auf der Fensterbank und vom trostlosen, grauen Himmel umrissen, saß John Lawrence Plugford, ein riesiger Mann von sechsundfünfzig Jahren mit einem wilden Bart und einer abgetragenen, grauen Latzhose. »Du trinkst nichts mehr, bis wir daheim sind.« Es klang, als ob die Kehle des Mannes voller trockenem Herbstlaub wäre.

      »Ich hatte gar nicht so viel«, verteidigte sich Stevie. »Nur …«

      »Zwing Pa nicht, sich zu wiederholen«, sagte Brent. »Wir sind hier nicht auf Vergnügungsfahrt.«

      »Weiß ich.«

      Brent verspürte einen schrecklichen Schmerz in seiner Brust, als er über den Grund ihrer Reise nachdachte.

      Eine Faust klopfte dreimal an die Tür. Zwei Feuersterne, die gezogene Pistolen waren, beschrieben einen Bogen vor Long Clays schwarzem Hemd.

      Ein Schlüssel kitzelte klagende Schließzylinder und die Tür öffnete sich. Im Flur, mit zwei Lammkoteletts in der linken Hand, stand Patch-Up, ein kleiner und rundlicher, grauhaariger Neger in einem kastanienbraunen Anzug, der viel feiner war als sämtliche Kleidungsstücke der weißen Männer. Er beäugte die Mündungen von Long Clays Revolvern – eine war auf sein Gesicht gerichtet, die andere zeigte auf sein Herz – und kaute furchtlos. Mit dem Mund voller Essen sagte der Neger: »Wenn es um die Lammkoteletts geht, dann bin ich gewillt, einen Handel einzugehen.«

      Der hochgewachsene, schlanke Revolverheld steckte seine Waffen in die Holster und wandte sich ab.

      Patch-Up schluckte, betrat das Zimmer und schloss die Tür. »Guten Morgen, Leute.«

      »Morgen«, antwortete Brent.

      »Morgen«, krächzte Stevie.

      Der Neger ging zum Fenster und streckte dem riesigen Patriarchen das zweite Lammkotelett entgegen. »Deine Leibspeise.«

      John Lawrence Plugford schüttelte den Kopf und richtete seinen Blick wieder auf den grauen Sonnenaufgang vor dem Fenster. Der wilde Bart, der in seinem Gesicht und auf seinem Hals wuchs, wirkte wie eine Explosion der Entrüstung.

      »Es ist gut durch«, fügte der Neger hinzu.

      Der riesige Mann blieb desinteressiert.

      »Pa«, sagte Brent, »du musst was essen. Wir haben heute einen langen Ritt vor uns.«

      John Lawrence Plugford nahm das angebotene Fleisch, flüsterte: »Danke«, und drehte sich wieder zum grauen Fenster um. Das Lammkotelett lag in seinen starken Händen wie ein Musikinstrument, das er nicht zu spielen wusste.

      Brent streckte sich, setzte seine Fußsohlen auf dem ausgetretenen Teppich auf und ging zu der gelben Kommode, auf der gewaschene Unterkleider ausgestreckt dalagen wie flache, graue Männer.

      »Wo steckt dieser Indianer?«, fragte Stevie.

      »Hast du seinen Namen vergessen?«

      »Nein.«

      »Es gibt einen Grund, warum Menschen Namen haben. Sogar Nigger und Indianer.«

      »Wo steckt Deep Lake?«, fragte Stevie.

      »Er heißt Deep Lakes«, erklärte Patch-Up. »Da ist ein ›s‹ am Ende.«

      »Aber es gibt nur einen von seiner Sorte.«

      »Er heißt eben so.«

      Stevie stand vom Bett auf und streckte sich. »Willst du mich reizen?«

      »Du solltest respektieren, wie die Menschen genannt werden wollen. Willst du etwa, dass ich dich Stovie nenne?«

      »Will ich nicht. Wo ist Deep Lakes?«

      »Weiß nicht.«

      Brent sah von seinen feuchten langen Unterhosen auf und fragte: »Hat er nicht mit dir im Gesindehaus übernachtet?«

      »Die Köche haben sich geweigert, mit einem Indianer im selben Zimmer schlafen«, sagte Patch-Up. »Ich hab ihnen gesagt, dass er zivilisiert ist, aber das sind argwöhnische Neger. Deep Lakes meinte, er würde irgendwo ein Lager aufschlagen und die Stadt zeitgleich mit uns verlassen.«

      Unglücklich darüber, dass der Ureinwohner ausgegrenzt worden war, sagte Brent: »Er hätte mit diesem Problem zu mir kommen sollen.«

      »Er will seine Gesellschaft nicht aufzwingen, wenn er unerwünscht ist.«

      »Okay.«

      Brent legte feuchte Socken, die noch immer nach Seife rochen, in seinen Koffer. Neben ihm begann Stevie, seine Habseligkeiten zusammenzusuchen.

      Aus dem Wandschrank


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