Second Horizon. E.F. v. Hainwald
Angesprochene zuckte zusammen, verschränkte die Arme vor der Brust und brummte missmutig.
»Jetzt mach bitte nicht so ein Gesicht«, bat sie ihn und ging langsam auf ihn zu. »Du bist doch ein ziemlich gefährlicher Kerl. Schnell, wendig und verdammt tödlich mit dem Krummschwert.«
Wolf schüttelte vehement seinen Kopf. Statt einer Antwort zog er nur die Lefzen hoch und zeigte seine Zähne.
»Hey, Wolf. Jetzt denk doch mal nach. Nichts ändert sich an unserem Plan – eher im Gegenteil: Du bekommst einen Bonus! Neben den Creds und den Informationen der Wandler wirst du als Mensch herumlaufen können. Du kannst diesen Zustand wieder fühlen. Vielleicht kannst du dich dadurch später selbst verwandeln – die Bestie im Zaum halten. Wäre das nicht scheiße geil?«, argumentierte Babe und blickte ihn ernst an.
Natürlich hatte sie recht. Doch Wolfs Inneres war hin und her gerissen. Während seinem Verstand absolut klar war, dass die Bestie zu vertreiben und das Menschsein erneut zu erfahren – wenn auch nur temporär – ein großartiges Geschenk war, stemmte sich sein Bauchgefühl vehement dagegen. Das war Unsinn, aber wann waren Emotionen schon einmal logisch?
Es wäre schön, sich wieder wie ein ganzer Mensch zu fühlen, dachte er wehmütig. Mich wieder wie ich selbst zu fühlen … nicht mehr ein einsames Monstrum zu sein.
Plötzlich stieg Traurigkeit in ihm auf. Sie war so massiv, dass er ein Schluchzen unterdrücken musste. Er schluckte schwer. Mit einem Mal zog sich die Bestie in ihm zurück und überließ dem Menschen das Feld. Wolf atmete tief durch. Es war eine Gelegenheit, die es zu packen galt.
»Nichts an diesem Ort und an diesem Kerl scheint mir richtig zu sein – aber vermutlich bin ich selbst nicht richtig.« Seine Stimme klang kratzig.
Er wandte sich dem Exorzisten zu, trat entschlossen vor ihn und blickte ihm fest in die Augen, als er seinen Entschluss fasste:
»Mach mich wieder zu einem Menschen.«
Die Amulette flimmerten im schwachen Kerzenschein. Das flackernde Licht schien sie zum Glühen zu bringen und jede noch so filigrane Verzierung war zu erkennen. Der Blick konnte kaum auf einem der Symbole verweilen, denn jedes wirkte auf seine Art exotisch und bedeutungsvoll.
Eines bestand aus zwei simplen Balken. Der Kürzere war quer an dem Längeren angebracht, ein wenig über der Mitte. Das Nächste sah ähnlich aus, war jedoch gedreht und die Balken zueinander symmetrisch. An den Enden waren Haken angebracht, sodass es wie eine Art Windrad aussah. Neben solch einfachen Formen gab es auch kunstvoll verwobene Zeichen. Da war ein Ring, in dem ein fünfeckiger, auf der Spitze stehender, Stern eingearbeitet war. Andere wiederum zeigten ganz klar Gegenstände, deren Kombinationen teilweise eigentümlich waren. Beispielsweise eine zarte Sichel mit einem klobigen Hammer oder ein Stab, um den sich zwei Schlangen wanden.
Klimpernd und überraschend warm strichen sie über Wolfs Schulter, als Elian mit Kreide verschiedene Runenketten neben seinen Kopf zeichnete. Der Exorzist war hoch konzentriert, sprach kein Wort und widmete sich ganz dieser Aufgabe. Wolf gab sich Mühe still zu liegen, doch sein hin und her peitschender Schweif konnte seine Aufregung nicht verbergen. Der unbequeme, kalte Steinklotz, auf dem er lag, machte das nicht unbedingt einfacher.
In diesem Raum gab es nichts, was seine Aufmerksamkeit ablenken konnte, denn sämtliche magische Apparaturen waren daraus verbannt worden. Nicht einmal Lampen existierten, sondern nur ein paar archaische Kerzen. Das unstete Licht ließ Schatten über Elians Gesicht huschen und Lichter über seine Amulette tanzen, daher erwischte sich Wolf immer wieder dabei, wie er ihn musterte. Erneut zwang er sich, die Decke anzustarren und seinen rasenden Puls zu beruhigen – vergeblich.
»Ich verstehe deinen Unmut«, murmelte der Exorzist, während er sorgfältig einen weiteren Strich zog. »Wenn du wirklich kein schlichter Wandler bist, muss ich Vorkehrungen treffen. Das braucht Zeit.«
»Vorkehrungen? Wogegen?«, erwiderte Wolf alarmiert.
»Nicht gegen – dafür«, antwortete Elian, hob sein Kinn und beschaute mit halb offenen Lidern sein Werk. »Für dein Überleben.«
Wolf ballte seine Hände zu Fäusten und mahlte mit den Zähnen. Beruhigend war das nicht besonders, auch wenn Babe ihm versichert hatte, dass dieser Exorzist zu den Fähigsten seiner Zunft gehörte und sicher alles glattgehen würde. Er wusste selbst nicht so richtig, warum er zugestimmt hatte. War es wirklich nur der Wunsch, eine menschliche Gestalt zu haben? Den Auftrag zu erledigen? Viele Creds auf einen Hieb zu schnappen? Oder vielleicht der Nervenkitzel?
Elian richtete sich auf, tippte sich mit einem von Kreide weißen Finger gegen das Kinn und hinterließ auf seinem dunklen Bart einen staubigen Fleck. Seine Augen huschten nochmals über die magischen Zeichen. Zufrieden nickend wandte er sich ab, kramte in einer Kiste herum und trat mit einer Multifunktionszange zu Wolf.
»Was soll das werden?«, murrte Wolf und zappelte mit seinen Beinen.
»Ich zieh dir deine Zähne«, antwortete Elian schulterzuckend. »Du sollst schließlich wie ein Mensch aussehen.«
»Was?!«, rief Wolf, richtete ruckartig seinen Oberkörper auf und schlug sich aus Reflex mit einer Pranke vor sein Maul.
»Das war ein Scherz«, gab der Exorzist zu und lächelte schelmisch. »Zieh dein Oberteil aus und leg dich wieder hin. Ich muss den cybermagischen Kreis schließen.«
»Ich seh' hier nichts Magisches«, entgegnete Wolf und schaute sich erneut um.
»Unter dir«, erklärte Elian und trat mit einem Stiefel beherzt gegen den Stein. »Das ist ein Altar. Darin sind auch ein paar Gerätschaften untergebracht, die mich bei dieser Prozedur unterstützen werden. Wie gesagt: Du sollst das unbeschadet überstehen – normalerweise würde ich ja Bagatellschäden in Kauf nehmen, aber es ist wohl notwendig, dass deine Erinnerungen unversehrt bleiben und du deinen Charakter behältst.«
»Wie zuvorkommend«, brummelte Wolf und zog sich das Shirt über den Kopf.
Achtlos warf er es in die Ecke und als Elian noch auf den Kristall um seinen Hals deutete, zögerte er zunächst, nahm diesen aber ebenfalls ab und rollte ihn zwischen seinen Fingern herum. Plötzlich fühlte er sich nackt. Dieser Anhänger begleitete ihn schon lange und half ihm, gegen die Bestie in sich anzukämpfen.
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