Second Horizon. E.F. v. Hainwald

Second Horizon - E.F. v. Hainwald


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sich an ihre erste Begegnung, bei der sie den Süßigkeiten-Automaten manipuliert hatte. Sie konnte gut mit biomagischen Komponenten umgehen. Sobald ein Gerät biologische Teile hatte – was eigentlich immer der Fall war, weil diese die Bindeglieder zwischen kalter Technik und magischen Energien waren – konnte sie daran herumpfuschen.

      Wolf wusste nicht was Babe da genau tat, aber was auch immer es war, es funktionierte.

      Die Muskeln der Leichen entspannten sich, richteten sich auf und die Gliedmaßen lockerten sich. Einige Tote verbogen knirschend ihre Gelenke in unmöglichen Winkeln und wandten sich Babe zu. Leere Höhlen in kahlen Schädeln schienen den Eindringling zu mustern.

      Plötzlich drehten sie sich zur Seite, drückten ihre Nachbarn nach hinten und es öffnete sich ein schmaler Spalt. Babe zog ihre Hände zurück, formte sie zu einer Schale und hielt sie vor ihre Nase.

      »Stinkt ein bisschen«, urteilte sie trocken, zuckte mit den Schultern und stemmte die Hände in die Hüften. »Na dann mal los, wer weiß, wie lange die Onkelchen uns reinlassen. Du zuerst, ich halte den Spalt offen, falls sie es sich anders überlegen.«

      Wolf musterte skeptisch die schmale Öffnung. Seine Augenbrauen zuckten missmutig.

      »Das ist echt … eng«, gab er zu bedenken und rieb sich unwohl mit einer Pranke den Oberarm.

      »Erst wirfst du mir Wahnsinn vor und wenn ich die Situation rette, meckerst du auch noch, dass du zu fett bist«, seufzte Babe und warf die Hände in die Luft.

      Wolf legte resigniert stöhnend den Kopf in den Nacken. Er trat zu dem Portal, warf ihr nochmals einen genervten Blick zu und presste seine Schulter in den Durchgang. Er schob sich vorwärts und die Geruchsmischung aus Erde, Metall und der seltsam süßlichen Flüssigkeiten trieb ihm die Tränen in die Augen. Schnell schlug er mit der Hand gegen seine empfindliche Nase. Der Ring darin drückte schmerzhaft gegen seine Nerven und hielt den Gestank erträglich.

      Es war eng. Wolf war komplett von den stinkenden Leibern umgeben. Herausstehende Knochen schabten über sein Fell und die Morbidität der Situation ließ sein Herz rasen.

      Glücklicherweise hielt der schmale Gang stand. Als seine Pranke endlich die Kante des Ausgangs zu packen bekam, atmete er hörbar auf. Kräftig zog er sich hinaus und stolperte schließlich in einen breiten Gang.

      »Bin drin!«, brüllte Wolf und schüttelte den Kopf, um den Geruch irgendwie aus seiner Nase zu bekommen.

      Während sich Babe ebenfalls durch den Spalt quetschte, schaute er sich um.

      Der Gang war nicht übermäßig breit und mit Kenaz-Lichtern beleuchtet. Im Gegensatz zu den fliegenden Fleischkugeln, waren hier die Runen in keramikgefasstes Kristallglas eingebettet. Die schlichten Wände waren glatt poliert. Der Boden bestand ebenfalls aus Stein und Wolf grübelte einen Moment darüber nach, warum dieser Ort komplett aus dem Naturmaterial gebaut war, und nicht aus modernen Komponenten.

      »Hoffe, der Gestank geht wieder raus«, hörte er Babe hinter sich schnaufen, als diese ebenfalls den Gang erreichte. »Ist meine Lieblingshose.«

      »Die ist beinahe angewachsen«, entgegnete Wolf grinsend.

      »Quatsch, die anderen zieh ich nur selten an. Daheim, beim Rumliegen und so«, erwiderte sie und schob sich ihr Haar aus dem Gesicht. »Kann ja nicht jeder so ein Modejunkie sein wie du.«

      »Der Kram geht halt so schnell kaputt«, rechtfertigte er sich, an seinem Achselshirt zupfend. »Brauch ständig Ersatz.«

      »Deine Nähkünste sind halt nicht die einer begabten Großmama«, meinte Babe, trat zu ihm und zog einen losen Faden aus dem ausgefransten Armloch.

      »Ist eben billiger. Finger weg, du ribbelst es auf!«, murrte Wolf und schlug ihre Hand beiseite.

      Das sinnleere Gespräch plätscherte weiter vor sich hin, als die beiden ins Innere der Pyramide vordrangen. Die Gänge machten mehrfach, ohne erkennbaren Grund, einen scharfen Knick. Kreuzungen gab es kaum, sodass sich Wolf den Weg gut einprägen konnte. Babe verneinte seine Frage danach, ob sie den Weg kannte – sie versuchte schlicht mit Orientierungssinn die Mitte des Gebäudes zu erreichen.

      »Ich habe den Kerl vor Jahren über einen Info-Hack mit den Eremiten gefunden. Also, wir haben ein paar ziemlich würzige Informationen über einen der Kombinatsvorstände hervorgezaubert und eine der Akten führte uns zu ihm«, erklärte Babe nebenher und wirkte nun ganz bei der Sache.

      Sie lief mit scharfem Schritt voran, ihre Uzi hatte sie griffbereit im Gürtel zurechtgerückt und ihr Gesicht zeigte professionelle Ausdruckslosigkeit.

      »Was hat er für den Vorstand gemacht? Muss ja einen ziemlich hohen Rang haben, wenn er von denen angeheuert wird«, erkundigte sich Wolf genauer.

      »Er hat keinen wirklichen Rang«, antwortete Babe und stieß lautstark die Luft aus. »Er ist relativ einzigartig und kann Situationen auf eine recht unkonventionelle Weise lösen. Das Praktische daran ist vor allem die fehlende Nachweisbarkeit seines Handelns.«

      »Klingt, als wäre er genau der Richtige für unser Unternehmen«, grinste Wolf und schlug Babe anerkennend auf den Rücken.

      »Ich habe ihn nur kurz gesehen, als Wania ihm noch ein paar Informationen abknöpfen wollte. Bin mir aber ziemlich sicher, dass du ihn nicht leiden können wirst«, erwiderte sie und stieß ihm freundschaftlich den Ellbogen zwischen die Rippen.

      »Muss ihn ja nicht gleich heiraten«, meinte Wolf und zuckte mit den Schultern. »Tonie ist auch 'n Kotzbrocken, aber wird seinen Job vermutlich gut machen. Auch, wenn ich keine Ahnung habe, wie mich jemand vor den sensiblen Überprüfungsmechanismen des Schwarms verstecken soll.«

      Er hat ebenfalls schnell erkannt, dass eine magische Projektion aus dem Schwarm nicht ohne Weiteres möglich ist, stellte Babe in Gedanken fest. Trotzdem ...

      »Reiß dich einfach zusammen, okay?« Sie kratzte sich unsicher den Hinterkopf.

      Wolf stutzte, nickte dann jedoch. Schließlich wollte er nun ebenfalls den Job erfolgreich hinter sich bringen – für eine Menge Creds und brauchbare Informationen über seinen Zustand.

      Schließlich erreichten die beiden eine große Halle. Breite Säulen trugen ein anmutig geschwungenes Gewölbe und die schrägen Wände waren derart mit Runen übersät, dass es so wirkte, dass sie mit einer besonders kitschigen Tapete zugekleistert wirkten. An den Seiten befanden sich wuchtige Steinkästen mit abgerundeten Kanten. Sie waren offenbar massiv und die Deckel mussten Tonnen wiegen.

      Als Wolf hinter Babe den Raum betrat, war es, als würde er gegen eine Wand laufen. Die Magie an diesem Ort rammte mit Wucht gegen seine Sinne. Der Stein unter seinen Füßen pulsierte regelrecht, die Wände schienen zu atmen und die Säulen stetig emporzuwachsen, obwohl sie starr auf der Stelle standen. Die Luft knisterte zwischen seinen Zähnen und vor seinen Augen flirrte alles ein wenig, als läge ein Störrauschen auf der Realität.

      »Bei den verdammten Engeln«, keuchte Wolf und beugte unwillkürlich seinen Rücken, als würde ein Gewicht auf seinen Schultern lasten. »Dieser Ort ist durchzogen von Magie – ich bin mir nicht mal sicher, ob er nicht schlicht aus reiner Magie besteht!«

      »Ziemlich krasser Scheiß, oder?«, meinte Babe, legte eine Hand auf ihre Schulter und ließ ihr Genick knacken. »Hab nicht erwartet, dass es so derb ist. Aber keine Sorge, das liegt an dem, was man hier tut. Es ist nicht gefährlich.«

      »Okay, jetzt reichts. Entweder, du sagst es mir jetzt endlich oder …«, begann Wolf, zornig knurrend.

      »Heyyyyy!«, rief Babe mit der Hand an ihrem Mund. »Komm schon raus, ich weiß, dass du heute Dienst hast!«

      Wolf zuckte zusammen und seine Ohren legte sich an. Die Worte hallten nicht nur an den Wänden wider, sondern schienen sich durch die Raumakustik noch zu verstärken.

      »Eigentlich hat er jeden Tag Dienst – zumindest laut den Akten«, raunte Babe und zwinkerte Wolf verschwörerisch zu.

      Der öffnete bereits sein Maul, um sein völliges Desinteresse an dem Schichtplan eines schrulligen


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