Second Horizon. E.F. v. Hainwald

Second Horizon - E.F. v. Hainwald


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riss die Augen auf, drehte sich hastig weg und presste frustriert die Faust gegen seine Stirn. Sein Schweif war vor Schreck aufgebauscht wie ein Staubwedel.

      »Engelspisse!«, stieß er ungehalten aus. »Kann man denn hier nicht einmal eine Minute in Ruhe duschen?«

      Ein Arm ragte plötzlich aus seinem Bauch. Ein Körper folgte. Der Besucher trat geradewegs durch Wolf hindurch, drehte sich um und zog die linke Augenbraue nach oben.

      Wolf glotzte wie ein Schaf.

      Der Blick seines Gegenübers ruckte kurz nach unten, die Mundwinkel zuckten ein wenig. Wolf schob seine Hände vor seinen Schritt und fletschte die Zähne.

      »Ein einfaches Nein, hätte auch als Antwort gereicht«, blaffte er wütend. »Wer bist du? Und was, bei den bleichen Engelsärschen, willst du?«

      »Ich werde Tonie genannt. Babe schickt mich«, bekam er als Antwort.

      »Und für was? Um mir zwischen die Beine zu glotzen?«, zischte er und verengte die Augen zu Schlitzen.

      »Bei den Engeln, Männer werden sich nie evolutionär weiterentwickeln!«, antwortete Tonie und hielt kopfschüttelnd Zeigefinger und Daumen in einem schmalen Abstand zueinander nach oben – einem sehr schmalen Abstand.

      Wolf starrte den Besucher einfach nur an und überlegte, wie er der Situation entkommen konnte. Tonie war eine Projektion, so viel war klar. Da es hier kein technisches Gerät gab, musste es eine magische Illusion sein. Weglaufen machte also wenig Sinn. Da kein Abbild so richtig selbstständig handeln konnte, musste sie geschickt worden sein – von Babe jedoch sicher nicht.

      »Komm, du kannst nicht so dumm sein«, seufzte sie ergeben. »Ich helfe euch bei der Informationsbeschaffung für Wania.«

      Misstrauisch beäugte Wolf Tonies Abbild. Ihr Kleidungsstil passte perfekt in die aktuelle Mode der Innenstadt. Auf der Handinnenseite entdeckte er einen Strichcode. Das ließ jemanden vom Schwarm vermuten.

      »Wieso sollte uns ein Schwärmer helfen?«, fragte Wolf ohne Umschweife.

      »Gut. Ich mag Direktheit«, erwiderte die Illusion und ein dünnes Lächeln umspielte ihre Lippen.

      »Ist dir langweilig? So wie diesen Schlächtern in der Arena?«, schnappte Wolf und nickte in Richtung Tür.

      »Unsinn. Ich habe genug Ablenkung«, antwortete Tonie und wedelte lässig mit der Hand. »Ich ziehe es nur vor, die Vorzüge des Schwarms zu nutzen und ab und an mal unter dem Radar zu fliegen, statt mir wie die Indies eine bunt funkelnde Zielscheibe auf das Gesicht zu malen.«

      Jemand aus dem Schwarm hilft uns? Wie hat Babe denn das hingebogen, fragte sich Wolf und kam nicht umhin, sie dafür innerlich zu loben.

      »Genug der Nichtigkeiten. Los, zeig mir deine menschliche Gestalt«, forderte Tonie ihn auf.

      Wolf hielt den Atem an und wagte es nicht auch nur einen Muskel zu rühren.

      »Kannst du noch etwas anderes, als ständig wie ein Idiot auszusehen? Nun mach schon, ich kann diese Projektion nicht ewig an den Sicherheitsvorkehrungen vorbei schleusen.«

      »... nicht«, wisperte Wolf kaum hörbar.

      »Was hast du gesagt?«, hakte Tonie nach.

      »Ich … kann keine … menschliche Form annehmen«, gab Wolf kleinlaut nuschelnd zu und ließ die Ohren hängen.

      Jetzt war es an Tonie ihn anzustarren. Die Illusion blinzelte nicht einmal. Schließlich öffnete sie langsam ihren Mund.

      »Unbrauchbar«, urteilte sie knapp.

      »Hä?!«, fuhr Wolf auf.

      »Hast du nur ein Kleinhirn?«, spottete sie und rollte mit den Augen. »Du bist viel zu auffällig.«

      »Auffällig? Wir sollen doch nur ein paar Informationen klauen. Heimlich rein, Daten schnappen, wieder raus. Eventuell paar Sachen zertrümmern und Zähne ausschlagen«, entgegnete er mürrisch.

      »Lustige Idee. Heimlich in den überwachten Schwarmstock einschleichen. Unmöglich.« Tonies Worte klangen endgültig. »Wir müssen offen hineingehen, uns in das System einwählen und innerhalb der Zugriffszeiten die Daten herunterladen, damit…«

      »Du bist völlig irre!«, fiel Wolf ihr ins Wort und lachte hart auf. »Gehirnamputiert. Vollkommen übergeschnappt wäre wohl die gängige Bezeichnung. Alle, die in das Zentrum gehen, werden digital gescannt und gelistet. Wir könnten dann auch gleich die Ordnungshüter auf ein Schnäpschen zu uns einladen und die Hosen runterziehen.«

      »Das … lass meine Sorge sein.« Tonie hob selbstsicher ihr Kinn. »Du bist allerdings absolut unbrauchbar. Optisch und vom Intellekt her sowieso.«

      Mit einem Mal war die Projektion einfach verschwunden. Ganz ohne magischen Effekt oder theatralischer Fanfare.

      Wolf trat einen Schritt nach vorne, griff in die Luft und wedelte mit dem Arm herum – dort, wo sie eben noch gestanden hatte.

      Nichts. Tonie war nicht mehr hier.

      Stattdessen piepste es in seinem Spind. Der Runen-Kommunikator.

      Wolf stampfte, noch immer wütend, zu dem Schrank und holte das Gerät heraus: eine simple Raidho-Rune, eingelassen in Kristallglas. Es gab kein Abbild des Anrufers, also war der Anruf verschlüsselt.

      »Viel schlimmer kann der Tag ja kaum werden«, murmelte Wolf und wischte ohne weiter nachzudenken mit dem Daumen über die Rune.

      »Hey, hey, mein Wölfchen!«, säuselte Babes Stimme direkt in seinem Kopf.

      »Hast du mir diese Tonie auf den Hals gehetzt?«, grollte Wolf statt einer Begrüßung.

      »So liebreizend wie ein Nagel im Arsch, oder?« Sie lachte kurz auf. »Dafür ist sie eine begnadete Hackerin … oder ein Hacker, je nach Tagesform. Sie sitzt direkt im Schwarmstock und wird uns da sicher rein- und wieder rauslotsen.«

      »Dich wird sie lotsen. Ich bin unbrauchbar. Das Urteil wurde gefällt«, meckerte Wolf hingebungsvoll weiter.

      »Welcher Engel hat dir denn den Magen ausgewrungen? Du bist ja echt mies drauf. Entspann dich mal. Du bist auf jeden Fall bei der Sache dabei«, versuchte sie ihn zu beschwichtigen.

      »Bei den Engeln, ich bin kein Mensch!«, brüllte er den Kristall an. »Ich falle da auf wie ein dreckiges Schwein im Uhrenladen!«

      »Da bin ich anderer Meinung – bei beiden Punkten. Und ich dachte immer, du auch … zumindest bei Ersterem«, erwiderte sie plötzlich sehr ernst.

      »Ich …« Wolf stockte.

      Er hatte gerade über sich selbst gesagt, er sei kein Mensch. Aufgeregt atmend blickte er auf die glühende Rune in seiner Handfläche. Seine Finger schlossen sich fest um das magische Objekt.

      »Die Lösung ist total simpel: ein bisschen Magie«, fuhr Babe fort. »Okay, gut, ein bisschen viel Magie mit ordentlich Wumms.«

      »Als ob sich die Sicherheitssysteme von einer Illusion verarschen lassen würden«, hielt Wolf dagegen.

      »Tun sie auch nicht«, erwiderte sie trocken.

      »Ich versteh kein Wort«, murrte er.

      »Ich werd‘s dir vor Ort erklären. Aber jetzt zieh dir erst mal was an, Mister Kalenderblatt. Warum sieht dein Fell eigentlich aus, als wärst du in eine Zitronenpresse geraten? Total verfilzt und zerzaust«, stellte Babe fest.

      Wolf hatte natürlich vergessen seine eigene Übertragung zu verschlüsseln. Dadurch konnte sie ihn sehen, als ersetzte die Rune ihre eigenen Augen. Er war inzwischen luftgetrocknet und sah vermutlich aus wie ein verwahrloster Straßenköter. Wenigstens hielt er das Ding oberhalb seines Bauchnabels.

      Ohne zu antworten, schleuderte Wolf das Gerät in den Spind.

      »Wird er kommen?«,


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