Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke
Karten spielen. >Dachte ich mir gleich<, wusste der Kater. Wer so seinen Hund behandelt, hat auch keine "Lebensberechtigungskarte". Selbst wer sich nur in dieser Form an einem Tier verging, wurde vom Kater bereits auf eine Stufe mit spanischen Toreros gestellt. Er hielt diese Kerle für hochgradig feige und von kranker Moral zerfressen, um so was überhaupt tun zu können. Sich dafür feiern zu lassen eine, letztendlich chancenlose, Kreatur, in einem abscheulichen Publikumsspektakel, langsam zu Tode zu foltern. Was dabei für Mut und Ruhm gehalten wird, sei nichts weiteres, als ein tödliches Lebenszeichen grausamer, dummer, menschlicher Entgleisung. Ja, er träumte laut davon, mit den "verehrten" Matadoren, in einem Rollenspiel, die Rollen zu vertauschen. Zur Abwechselung spielt ein anderer den Teufel und stößt mal ihnen das Tor in die Hölle auf. Die mutigen, edlen Herren, anstelle der Stiere, im Sand der Kampfstätte auf Überlebensfähigkeit zu prüfen, mit vorbestimmtem Ergebnis. Danach wären die zahlenden Zuschauer dran. Einer nach dem anderen, dürfte sein Blut dem ausgetrockneten Boden anvertrauen. Sozusagen, um im Staub der Arena, ins Gras zu beißen. Carlo glaubte zu wissen, dass das beim Meister, im Jenseits, ein Wohlgefallen auslösen würde. Denn dieses Pack sei einfach zu degeneriert, um noch im Besitz einer göttlichen Lebensberechtigungskarte zu sein. Immer wenn er erfuhr, dass es einen Torero, im unfairen Kampf, trotzdem erwischt hatte, rief er laut: "hossa, hossa, hossa" aus und spendierte eine Lokalrunde. Das passiere leider viel zu selten, meinte Carlo jedes Mal. Der Kater war schon deshalb, an genau diesem Tage, nicht gut auf Bokassa zu sprechen, weil man ihm zutrug, dass dieser herumerzählte, er trage einen Schnurrbart aus Lackleder. Für Bokassa mag es ein Spaß gewesen sein, für andere kam es einer Majestätsbeleidigung gleich. >Hast du dich für einen echten Freund, das ist nämlich ein Hund, entschieden, hast du Verantwortung. Er ist dir, von unserem größten Chef, schutzbefohlen anvertraut. Weil ich möchte, dass es dem Hund und dir gut geht, überlässt du mir das Tier. Soll ich das für dich tun? fragte Kater Carlo um eine Antwort zu bekommen. Bokassa war klar, hätte er, wie eigentlich sonst immer, mit großer Fresse geantwortet: >Was regst du dich so auf, ist doch nur ein Hund<, wäre es eine 50 zu 50 Wette geworden, ob er betoniert bei den Fischen im Hafen landen würde. So sauer, wie ihm der Kater vorkam. Das war die Sache nicht wert. Soll er doch die Töle behalten, wenn ihm so viel daran liegt. Carlo lief immer noch das Gerücht hinterher, er habe sein Handwerk, als junger Mann, bei den ungarischen Pfeilkreuzlern gelernt. Auch am Donau Ufer. Diese Reputation wog schwer. Viel schwerer, als die Schandtaten von Bokassa in den französischen Kolonien, je gewesen sein konnten. Zusätzlich war der Kater ein zwei Zentner Klotz, dem diese schmächtige, menschliche Enttäuschung (so Alfredo) wenig entgegensetzen konnte. Siggi behauptete auch: Stellst du Bokassa auf den Kopf, fallen mindestens fünf Spielkarten aus ihm heraus. Wenn der Kater sich in seinem Seeräuber Gesicht an die Narbe fasste, wussten Kenner der Situation das eine Entscheidung Anstand und die Beweisaufnahme als abgeschlossen galt. Grabesruhe kehrte ein, man hörte den Straßenverkehr und je nach Tageszeit das erwartungsvolle Geprahle vorbeiziehender Schiffsbesatzungen auf Landgang. Er bekam eine Geldstrafe, an den Tierschutzverein zu zahlen, und wurde auf Bewährung auf freien Fuß gesetzt. Mit außergewöhnlich viel Gefühl in der Stimme garnierte der Pfeil Kreutzer das Ende der Verhandlung mit den Worten: > Hilf uns, dich zu mögen, mein lieber Bokassa. < Kater Carlo war wirklich die uneingeschränkte Nummer zwei im Rotlicht Distrikt. Bokassa fiel nicht alleine in den Norden ein, sondern brauchte den braunen Zumba mit, als seine "rechte Hand". Er lief ihm im tiefsten Afrika, auf einem Marktplatz, über den Weg, kaufte ihn für kleines Geld und hatte sich somit einen zweiten Schatten angeschafft. Allerdings lebte sich Zumba, der Probleme mit gängigen Sprachen hatte und nur schlecht französisch sprach, nie wirklich im Norden ein. Zu kalt und zu geschäftig kam ihm die neue Welt vor.
Auch ärgerte er Anlieger im Viertel, weil er nicht ganz von seinen afrikanischen Bräuchen und Ritualen ablassen konnte. Einmal hatte er die Reifen vom Leichenwagen des Salonlöwen platt gelegt, weil sich in den Reifen die Geister vieler transportierter Toter befanden, die sich nicht selbst befreien konnten. Schade, dass er dazu ein Messer benutzte und es nicht mit öffnen der Ventile bewenden ließ. Eine Attraktion war ein besonders ausgeprägtes Körperteil an Zumba. Es soll sich um den größten Schwengel gehandelt haben den Siggi je gesehen hat. Pechschwarz soll er gewesen sein. Vielleicht war das auch Bokassas Motiv gewesen den Afrikaner zum Zwecke einer besonderen Vermarktung mit nach Europa zu nehmen. Vielleicht an ein Varieté, oder Cabaret, die einem exklusiven Publikum gerne solche darboten. Im Rotlicht war leider mit dem schwarzen Riesen nicht viel zu bewegen. Viele Mädchen hatten Angst und lehnten jede Zusammenarbeit mit dem "Monster", wie sie seinen langen Knüppel nannten, ab. Und Alfredo wäre eine Showeinlage mit dem schwarzen Monster, in der Drachenburg, zu vulgär gewesen. Auch galt es nicht Minderwertigkeits-komplexe beim zahlenden Publikum zu fördern. Für Gento, mit seiner Filmkunstfirma, wäre Zumbas Kolben interessant gewesen, aber das lag noch in ferner Zukunft und der schwarze Riese blieb nicht lang genug in der Stadt. Insider behaupteten Bokassa musste Zumba aufgeben, weil der sich nicht disziplinieren konnte und immer wieder, mit seinem Waffenschein pflichtigen Gestänge, auf die gesunden Hühner im Stall losging, sie regelrecht krank vögelte. Das war sehr, sehr geschäftsschädigend. Als sich keine befriedigende Einigung zwischen Besitzer und Besitz abzeichnete und Zumba drohte einen eigenen Stall aufzumachen, war die rote Linie überschritten. Auch hinsichtlich der Geduld der Innung. Es heißt, Bokassa hätte ihn an einen Kapitän weiter vermittelt der die Ostindien Route befuhr, wo es deutlich wärmer sei. Andeutungen, wonach man den schwarzen Riementräger eher bei den Fischen finden könnte, als in anderen Kontinenten, ließen sich nicht beweisen. Für Bokassa konnte sich der Kater noch vor dem Weltenlenker schämen, aber selbst das gelang ihm nicht bei den hirnlosen Clowns, aus dem Land der stolzen Dummköpfe. Nur weil man zur Gattung Mensch gehöre sei man nicht automatisch ein vernunftbegabtes Wesen. Bokassa und die mutigen Feiglinge aus Spanien, zeigten klar die Grenzen auf. >Hätten die Tiere eine Religion, dann wäre der Mensch der Teufel<, so der Kater. Der Kater sei ein ganz sensibler Hund, verriet mir Siggi Salonlöwe. Als vor kurzem sein Lieblingskater krank wurde konnte der Chef mit keinem seiner Mädels etwas Triebhaftes anfangen. Und als im letzten Jahr sein Dienstältester Kater, der Jopi, im stolzen Alter von 19 Jahren friedlich in Carlos Armen entschlief, ja da trug der knallharte Rotlichtboss einen Monat lang die Trauerbinde und niemand durfte seine trübe Laune stören. Die Beerdigung in seinem Garten wurde eine Großveranstaltung und wer den Kater schätzte der kam, erwies Respekt und Anteilnahme am Grab vom Jopi. Ein zusätzlicher "Gedenkstein" zierte nun seinen Garten. >Sollen sich doch die Kirchenfürsten darüber aufregen, oder im Grab umdrehen, dass bestimmt viel pompöser ausfällt wie mein einfacher Gedenkstein<, meinte der Kater am Rande der Feier. Dann setzte er noch hinzu: >So geistig bin ich auch noch, dass ich aus Erfahrungen sagen kann: Tiere sind nun mal die besseren Menschen und wer das nicht einsieht hat ein Brett vom Kopf, wo immer das auch herkommt! < Der Kater pflegte für sich das Image: Mild in der Art, stark in der Tat. Auch glaubte er ein Herz aus Gold zu besitzen und manches Mädchen hielt es zumindest für Blattgold. Sex als lukrative Geschäftsidee, mit überlegenem Material den heimischen Ehefrauen gegenüber, weil reizvoll fremd und meistens weniger prüde. Der Kater meinte mit wertvollen Kunstwerken menschlicher Ästhetik zu handeln, welche zwar unverkäuflich, aber für schöne Stunden, auf Mietbasis, erhältlich und das sei durchaus die bessere Lösung, als jahrelang mitanzusehen wie sich ein an den Fluss der Zeit gebundenes Kunstwerk unschön verformt. Ein chromblitzendes Symbol für sichtbaren Erfolg, dass er als "Unternehmer" auf die richtigen Pferdchen" setzte, war zweifelsohne sein Cadillac, Coupe de Ville, 1959er, oder 1960er, das kann ich nicht mehr genau sagen. Aber wieder zurück zur Silvesternacht 1967: Man sah Trauben von Dollar starken, erlebnishungrigen Happy ending Suchern vor überfüllten Läden. Auf Einlass hoffend. Etwas entfernt standen zwei MP- Fahrzeuge der Amerikaner und beobachteten die Szene. Zwei Wagen bedeutete mindestens acht durchtrainierte MP mit Peacemaker Knüppeln in Bereitschaft. Schon sichtbare Präsenz schaffte Ruhe und Ordnung unter den Wartenden. Zumindest unter den Amerikanern, denn andere Nationen kannten die Qualität dieser mobilen Truppe weniger. Zumindest, sagte Vater einmal anerkennend zu Captain Walker: >sehr nahe am ehemaligen deutschen Eliteeinheiten Standard<. Dann saßen sie trinkend, wie so oft nach einem guten Geschäft in der Jagdhütte und erzählten sich tiefe Wahrheiten. Später mehr davon. Allerdings gab es auch zuständige Ordnungshüter, direkt von der Innung gestellt. Zwei Originale die im Rotlicht lebten und ständig ihre Runde machten. Das waren "Turbine" und der "Major". Beide legten keinen Wert auf die Bekanntheit ihrer wirklichen Namen und der Kater