Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

Sitten, Strolche & Strategen - J. J. Juhnke


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waren die Matrosen fast ständig auf See. So wurden die kurzen Landgänge zum Ventil mit Alkohol und Sex. Auf Landgang, in Reichweite einer der vielen Rotlichtbars, mit Alkohol und Freudenmädchen, endete ihre Durststrecke und begann ein bezahlbares Abenteuer - bis auf weiteres.

      Weil dann Hure, Kondition und Geldbeutel die Regie übernahmen. In der Seefahrt hat man gut verdient und der Dollar war ihre grüne Munition mit der sie vom Bord kamen. Damals trug die bar ausgezahlte Heuer der Seefahrt, im Umfeld der Häfen, zu Rekordumsätzen bei.

      Der Glanz des Geldes

       For now romance has gone

      time races on

       but I still remember

       the town, the girls, the bar full of sailors

       and the old nickelodeon sound

      -Georg Kajanus-

      Amüsierviertel haben ihre eigene Ästhetik, mit dem Glitzerschein der Leuchtreklamen, den Bars und magischen Schattendasein von Sex und Halbwelt. Eine Mischung aus Disneyland und Fegefeuer. Das gab es alles in der Stadt am Meer, dem Tor zur Welt. Für den moralisch gefestigten Bürger der Stadt besaß die sündige Welt spätestens zum Einbruch der Dunkelheit eine unsichtbare Grenze. Wer was auf sich hielt, ließ sich dort nicht blicken, oder umgekehrt. Das Bargeld brandete mit starkem Wellengang in die Bars, Alkohol und Mädchen flossen mit. Dann zeigt der Glanz des Geldes seine ganze Macht über die Menschen.

      Meine ersten Kontakte zur tingel tangel Welt waren mit den Augen. Meine Erinnerung setzt im Alter von ungefähr 10 Jahren ein. Ich begleitete Vater öfter in den Hafen um etwas "zu besorgen". Das tat er ungern in Uniform, obwohl er in Zivil trotzdem bekannt war wie ein bunter Hund. Offiziell befuhr er mit mir das Hafengebiet um mir etwas besonders zu zeigen. Wir erkundeten einen großen Dampfer, oder gingen unter einen Ozeanriesen ins Trockendock. Jedenfalls war der Kofferraum immer prall gefüllt mit Fracht, die es zu bergen galt. Mitte der 60ziger Jahre liefen 1000 Schiffe monatlich die bremischen Häfen an. Mit einer Besatzungsstärke von 40 bis 50 Mann kamen um die 50.000 Seeleute an Land. 50 fremde Staaten fuhren mit ihren Schiffen regelmäßig in die Häfen. Diese großartige Erscheinung eines Giganten der Seefahrt konnte Sehnsüchte von Tagträumern bedienen. Bei den Passagierschiffen ist es vor allem Amerika, als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Am Güter- oder Bananenhafenpier klingt die Ferne noch exotischer mit Sumatra, Sansibar oder Venezuela. Mit den Wellen kommen die Schiffe und die Fremden an ihr Ziel.

      Die Hafenstadt wird zur reizvollen Bühne menschlicher Komödien. Heimat ferne Seeleute und leichte Mädchen feierten an den Abgründen der Wirtschaftswunderjahre, frei von Sperrstunden. Der Rotlichtbereich, mit seinen verführbaren Mädchen in verqualmten Kneipen, klebte dicht am großen Hafen.

      Die Schiffe liegen 2 bis 5 Tage am Kai und das Laster hat Landgang. Ob weißer, schwarzer oder gelber Hautfarbe: alle brachte das Meer und trägt sie wieder fort. Es brannte vor Sex und es roch nach Geld. Die Läden waren gefüllt mit Kerlen hinter denen echte Entbehrungen lagen und wieder liegen würden. Sie kommen ihre Geilheit abzustoßen, sie kommen um zu trinken, sie kommen um zu reden und mancher kommt für die größte aller Illusionen, wegen der Liebe! Tag und Nacht sangen die Sirenen der ein- und auslaufenden Schiffe. Wenn zusätzlich die amerikanischen Truppentransporter den Hafen erreichten, brannte die Luft in der Stadt. Dann loderte das Laster im 3 Schichten Betrieb. Das hemmungslose feiern musste mit dem Eintritt in die "Bums-Lokale" (so Vater) gewährleistet sein. Es war wie eine Droge, die man suchte und fand. Ein Zirkus in dem gesoffen, getanzt, gehurt und gelitten wurde. Diese begehrten Höhlen boten allerlei "tingel tangel" den Gästen aus fernen Ländern. Es gab wilde Musikkapellen, Tanzgruppen mit viel Flitter, Striptease Tänzerinnen mit Extras, sowie Cabaret mit Haut und Charme. Oft kam es in den Bars zu massiven sexuellen Handlungen. Dann trieb man es direkt vor den Augen der anderen Zecher, auf einem Barhocker, Tisch oder in einer Ecke. Das gehörte zu der großen Party und es war ständig große Party. In der Hauptsache lebten Kandidaten im Dunstkreis der Sünde, die aus ihrer sortierten und geplanten Welt herausgefallen waren, fallen wollten oder niemals eine bürgerliche Existenz besaßen. In Einzelfällen gab es Exzentriker die eine Zeit hier eintauchen wollten. Es kamen harte Kerle, unglücklich Verliebte, Zocker, Vagabunden, Tänzer, Musiker, Spieler, Söldner und solche die es werden wollten. Betrüger, Ausgewiesene und Verstoßene, Glückssucher, Verbrecher, Engel und Teufel, Käufer und Verkäufer, schlaue und dumme Köpfe, Väter und Mütter, Jäger und Gejagte. Männer, die Frauen liebten und deswegen hier ankamen, Kinder, Mädchen und Frauen die geliebt werden wollten, Licht- und Nachtgestalten, Unternehmerische Charaktere die von einem eigenen Bordell träumten, Menschen die einen Pass besaßen, oder mal einen besaßen, nie einen hatten und haben werden. Naive Dinger liefen Ganoven hinterher, wenn sie der Überzeugung waren, er vermochte ihnen ein Stück in die weite Welt verhelfen. Sie konnten zuhören und waren schnell und tief zu beeindrucken. Einem Schwamm gleich, wenn er mit Wasser in Berührung kam.

      Fremde Menschen, ein bisschen weite Welt von den Schiffen und die verruchte Atmosphäre der Bars übte, besonders bei behüteten Bürgerkindern eine spezielle Anziehungskraft aus. Sonst ließen sich manche Vorkommnisse und Begebenheiten, die ich selbst erlebt habe, nicht erklären. Wenn wir die Zollkontrolle in Höhe des Hauptzollamtes passierten, dass geschah in Form von gegenseitigem begrüßen der Kollegen, berührte unser Auto bereits das beginnende Pflaster der Sünde, das wir dann komplett durchfuhren.

      Ich glaube, die letzte Bar, nur 100 Meter vom Hafeneingang entfernt, hieß American Bar, mit dem Zusatz "the last Resort". Sehr richtig, danach kam für Seemann und Soldat wieder das triste Leben mit Wasser unterm Kiel. Es folgten klingende Namen wie: Bongo Bar, Paradiso, Klabautermann, Kit Cat Club, Angel Station, Sailor´s Dream, Haifischbar, Rio Rita, Roxy, und, und, und ..… Oft boten sich beim Durchfahren der Straße ähnliche Bilder. Kleine und große Gruppen in weißen und blauen Uniformen, oder ähnlichen Kostümen, zogen drängend, geordnet oder wankend durch die Lasterhöhlen - Allee, welche bestimmt war von Leuchtreklamen, verwehten Klängen aus Musikboxen, sowie bunter Mädchen mit signalisierendem Verhalten. Das alles hat meinen Vater wenig tangiert, aber die vielen, schon zu dieser Uhrzeit, am Bordstein geparkten Luxuskarossen, beflügelten rechnerisch seine Phantasie. Mancher "Schlachtschiff Straßenkreuzer" hatte den Wert eines Einfamilienhauses. Mögen die Nebengeschäfte meines Vaters einige große Scheine abwerfen - das Geld der Bordelle klimperte in einer anderen Liga. Ich erinnere mich noch an einen Moment vor einer roten Ampel, mitten im Amüsierviertel. Im schönsten Sonnenlicht liefen zwei sommerlich knapp bekleidete junge Mädchen über den Zebrastreifen. Mit pendelnden Zigaretten zwischen Mund und Fingern. Ebenso pendelnd zeichneten sich deutlich Ihre Körperkurven ab. Das erregte Vater spontan zu einer Feststellung die er laut formulierte: >Sieht dir diese Lolitas an, Junge. Da weiß man nicht mehr, gehen die noch zur Schule, kommen die aus einem Bordell, oder beides. In diesen Babylonischen Zeiten! < Ich dachte mir nur, da wäre ich jetzt aber gerne in Babylon. Als es dann weiter ging und Vater mal nicht wie gewohnt den Spruch brachte: > wenn das der Führer wüsste<, las ich zufällig das Wort "unwissend" an einer Hauswand. Ich fand das passend. Denn diese Mädchen konnten nicht wissen welche Signale sie senden, welche Reize sie ausstrahlen und was sie dafür bekommen werden. Oder, doch?

      Aber dann folgte noch ein Spruch an einer Hauswand: "Keine Macht für Niemand", war diese Losung. Das machte mich nachdenklich. Wie das wohl aussehen würde? Am anderen Ende der Stadt lag der Fischereihafen. Die Welt der Fischdampfer Rabauken. Nur wirklich herbe Kerle schaukelten an Bord dieser Pötte durch die Nordmeere. Ein nasskalter Job: Fische fangen und an Bord hieven. Tag und Nacht mit Wellengang, Stürme, Eis und Schnee. Oft waren es verrufene Seebären, die laut und gewalttätig in die Hafenkaschemmen einfielen. Auf diesen Seelenkäufer Dampfern und in den Spelunken konnte man auf Gestalten treffen die woanders im Ketten gelegt wurden. Hier gab es die finstersten Bars und Bordelle, die mit verlockenden Namen und Angeboten, auf Neonlicht, warben. Ständig bedroht das Inventar zerlegt zu bekommen, was auch mit guter Regelmäßigkeit geschah. Es kam vor das für Seebären, mit bewegter Vergangenheit, die Fischdampfer zur neuen Heimat wurden. Zu offensichtlich war die persönliche Übereinstimmung mit Steckbrief und Haftbefehl. Auch wenn ich äußerlich zu dieser Zeit noch ein Junkerschulen Kandidat gewesen bin, hat mich das zügellose "remmy demmy" dieser Welt elektrisiert.

      Damals


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