Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

Sitten, Strolche & Strategen - J. J. Juhnke


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Fracht meistens in eine Garage von Alfredo, zu der Vater einen Schlüssel besaß. Seltener brachten wir es zu einem Seiteneingang der Drachenburg, zu Gestapo Kuddel, oder es ging auf die Domäne. Als der Siegeszug des Containers und der bargeldlose Zahlungsverkehr die Bars und Betten leerten, waren die rauschhaften Jahre vorbei. Der nächste Keulenhieb, für die Stadt am Meer, war das sterben der Werften und die Schließung der amerikanischen Militärbasis. Fährt man heute durch den Hafen und die alten "remmy demmy" Straßen, fällt es schwer, diesen "Tingel Tangel" lebendig werden zu lassen. Gar zu glauben das es das alles gegeben hat und die Tage der "Taschen voller Dollars" existiert haben. Augenzeugen, von beiden Seiten der Tresen, wird es hier und da noch geben. Aber schon lange sind die Türen der goldenen Zeiten verschlossen und mit ihnen alle Lichter erloschen. Solche Amüsierviertel wird es noch geben, irgendwo auf der großen, weiten Welt zwischen Bali, Sansibar und Jamaika. Aber jetzt gehen wir zurück in die Zeit als Musikboxen, Zigarettenautomaten, Flipperautomaten und Menschen an den Bartresen in diesen „Bums Lokalen“ lebendig waren.

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      Die Innung

      Die Innung war ein loser Interessenverband ohne Registereintragung, aber mit klaren Regeln an die sich jedes Mitglied hielt, wollten seine Geschäfte erfolgreich verlaufen. Eine unauffällig Beutegemeinschaft der Bar- und Bordellbetreiber in Stärke einer Fußballmannschaft, die sich zu wirtschaftlicher Blüte entwickelte.

      Freunde, im klassischen Sinne, konnten sie kaum werden, aber Komplizen und Ehrenmänner, das schon.

      Alfredo und Carlo galten, bei der Polizei, als unangefochtene Köpfe dieser Vergnügungsviertel Vereinigung selbstständiger Schausteller, ohne dass es beweisbar wurde. Es gab noch einige mehr, wie den schönen Danilo, Kongo Kalle oder Planken Flint, zeitweilig auch einen gewissen Bokassa. Sie alle hatten eine zweite "rechte Hand" in ihrem Umfeld, die da hießen Salonlöwe, Bootsmann, oder Zumba. Zur Durchsetzung der elementarsten Ziele ging es darum Ruhe, Sicherheit, Ordnung und Kontrolle über das Amüsierviertel zu behalten. Nur so war es möglich maximale Gewinne zu realisieren. Dafür musste das System gleichzeitig offen und geschlossen funktionieren. Ein Mädchen sollte ihren Verehrer durch das Viertel begleiten können, egal wem der Laden in dem gezecht wurde, letztendlich gehörte. Eine Bar sollte nicht unkontrolliert vom Verehrer verlassen werden. Der kostbare Seemann konnte sich an der frischen Luft dazu entschließen zum Schiff zurück zu kehren, obwohl sich noch Geld in seinen Taschen befand. Auch galt es Massenschlägereien von und mit Schiffsbesatzungen zu vermeiden. Schnell war ein Lokal in Schutt und Asche gelegt, wenn Seeleute, Soldaten, amerikanische Militärpolizei, deutsche Polizei und Barpersonal zu toben begannen.

      Darum war es wichtig eine kompetente Eingreiftruppe im Hintergrund zu wissen. Das waren die Drachenburger Lotsen. Motorradfahrer mit privilegiertem Stammsitz im Erdgeschoss der Drachenburg.

      Ihr Anführer hatte die Fähigkeit bei kurzfristigem Bedarf, aus einer Gruppe von 20 Ledermännern, innerhalb von 30 Minuten, 200 Kopien zu aktivieren. Alle Jahre wieder versuchen mutige Luden, im Gefolge frischer Mädchen, im Rotlicht zu landen und den Verwaltungsriegel der Innung zu knacken. Zum Beispiel erzählte mir Siggi Salonlöwe von dem Österreicher mit der großen "Goschen"! Er ließ sich auf eine Poker Nacht mit Kater Carlo ein. Für ihn wohl eine Nummer zu groß. Erst nahm der Kater ihm die Mädchen ab und zuletzt wanderten die Schlüssel seines V- 8 Boliden in andere Taschen. Dann fuhr man den sturzbetrunkenen Österreicher in den Überseehafen, verfrachtete ihn auf das nächste Schiff das gerade auslief und er ist bisher nicht zurückgekommen. Natürlich gab es grundsätzliche Konflikte mit der Polizei und deren Vorstellung von gültiger Gesetzeslage. Probleme mit den Papieren, minderjährige Barbesucherinnen, Kontrolle der Warenbücher, Besucher bei eindeutigen Handlungen gesichtet, und so weiter. Darum waren unangemeldete Razzien, mit ihren Konsequenzen, grundsätzlich etwas was es zu vermeiden galt. Ein gemeinsamer Fond sollte das schlimmste verhindern. Die Amerikanische Militärpolizei war die konsequenteste aller Eingreiftruppen jener Zeit. Die M P kümmerten sich um ihre durchgeknallten Soldaten gleich vor Ort, ohne Zeit mit Diskussionen zu verschwenden. US- Boys, die von Kriegsschauplätzen kamen oder in Kriegsschauplätze verbracht werden sollten, trugen nämlich leider etwas von Endzeitstimmung in sich.

      Landgang der Wölfe

      Ich habe in meinem Leben eine Menge Geld

      für teure Autos, Alkohol und Frauen ausgegeben

      und den Rest habe ich sinnlos verprasst.

      - Georg Best, nordirischer Fußball Nationalspieler-

      Manche Leser werden das Unglaubwürdige solcher Vorfälle kritisieren, aber soll ich lügen, oder die Wahrheit verschweigen? Nur weil unzählige Zeitgenossen wenig Kenntnis von den Launen der menschlichen Natur haben? Wie auch immer, entscheiden heißt verzichten, sagte schon Runen Rudi. Ich habe mich entschieden, nicht zu verzichten. Es folgt mein Bericht über die Silvesternacht von 1967 auf 1968.

      Die ganze Nacht war Schnee gefallen und das tat es bis in den Vormittag hinein. Ein kühles Leichentuch über den vergangenen Sommer. Es war diese Sorte Schnee die einzigartig klang, wenn man mit Schuhen drüber stampfte. Dieses knirschen habe ich noch im Ohr, obwohl diese Sorte in unseren Breiten nicht mehr vorkommt. Es ist eine Erinnerung. Nach langem Flockenrausch, aus dem Winterhimmel lag die Küste unter einer weißen Decke, die erst im nächsten Jahr wegschmelzen wird. Vater, mein persönlicher Führungsoffizier und die Elite der "wilden 13", werden am Nachmittag auf der Domäne in Stellung gehen. Wie jedes Jahr. Beim Oberst, im Herrensalon, mit heißem Grog, Zigarren und ewig gleichem Gerede.

      In dem Salon herrschte übrigens noch das tausendjährige Reich, wie man unschwer erkennen darf.

      Die Männer dieser Gemeinschaft gingen zum Trinken und feiern nicht in andere Kneipen oder Bars der nahen Stadt. Das hätten sie sich als Fahnenflucht ausgelegt und wozu auch – es war alles vor Ort. Vor allem gab es Trost und Bestätigung unter Freunden. Woanders saßen die Kerle wie verlorene Vagabunden, die Angst vor dem nachhause gehen hatten. Die Stimmung auf der Domäne war heller und idealistischer.

      Nein, meine Mutter war kein Fan der übrig gebliebenen Mitglieder vom Club dessen Ehre die Treue ist. Sie hat dem Führer diesen blödsinnigen Krieg nie verziehen und dass sie ihre Heimat, die mecklenburgische Seenplatte, an den Iwan verloren hat, auch nicht. Dabei fing alles so blendend an, damals in den Dreißigern.

      Es ärgerte sie, dass Überlebende des großen Infernos diesen ganzen Todeskult nicht in den Gräbern der Schlachten ruhen lassen konnten. Weil "Krieg führen" Männerquatsch war hätte der Massenmörder ohne seine "Blechbüchsenarmee" keinen einzigen Panzer bewegt, so Mutter. Auch Klugheit schützt nicht vor Dummheit, meine Herren, war ein Spruch den meine Mutter gerne, bei passender Gelegenheit, in die Runde der "wilden 13" einwarf. Doch selbst die Gewissheit, dass Männer selten das kultivierte Niveau einer Frau erreichten, war ihr kein Trost. Wenn er zum Gutshof abmarschiert war, sagte meine Mutter gerne: >Dein Vater hat sich auf die Wolfsschanze kommandiert, wieder Bwana und Massa spielen.< Wenn er im Verlauf des Jahres sich (und manchmal auch mich) zu anderen Ritualen abkommandierte, bemerkte Mutter auch gerne: >Das Rudel kreist wieder um den Blocksberg.< Nach solchen defätistischen Äußerungen konterte Vater mit der Androhung in ihrem Garten einen Bunker zu graben. So was sei zukunftssicher und eine Erinnerung an die Tage in Rechlin. >Jedenfalls wird die patriotische Front nicht der Versuchung folgen ihre Glaubenssätze zu verraten und überzulaufen, zu gerade populären Überzeugungen. Eher verkaufen die Roten dem Papst ein Doppelbett. <, so Vater. Um was für einen Vater es sich handelte, bekam ich wieder, schwarz auf weiß, zu lesen. Gerade heute schrieb er mir ins Aufgabenheft der Schule einen deutschen Gruß an den aufrechten Erich, meinem grauhaarigen Klassenlehrer. Aus gutem Grund "Gottes Konfirmanden Feldjäger" genannt. Er wolle nochmal an seine Anregung erinnern, im Unterricht eine geschichtlich große Tat zu besprechen: Die Befreiung Deutschlands von den Versailler Verträgen durch Adolf Hitler.

      Darüber könne es keine zwei Meinungen geben, egal was die Quasselbude in Bonn davon hält. Vielleicht in Form eines Schulaufsatzes. Jetzt, wo die rote Kapelle ihre Agitatoren


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