Schweres Blut. Aho Juhani

Schweres Blut - Aho Juhani


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wenn im Sommer einer kommt, geht er wieder.«

      »Wenn man nichts Besseres gesehen hat, vermißt man nichts.«

      »Komm mit mir nach Karelien, da wollen wir lustig sein!«

      Marja fuhr zusammen und blickte auf, zugleich aber wieder zu Boden.

      »Und was soll ich dort?«

      Da kam die eindringliche, knappe, beengende Frage:

      »Und was tust du hier – in diesem erbärmlichen Land – eine wie du?«

      »Was ist denn an diesem Lande auszusetzen? Und ist es wohl anderswo besser?«

      »Schlecht sorgen sie hier für ihre Weiber. Bei uns wird ihnen nicht wie hier der Nacken durch ewige Arbeit gekrümmt, bei uns werden ihnen nicht die Augen im Rauch der Korndarre geblendet, nicht das Gesicht auf der Schwende berußt, nicht der Rücken an der Handmühle gebrochen. Die jungen Frauen der Gehöfte sind hier wie die alten Leibeigenen bei uns, ihr Rücken krumm, ihre Augen triefend, ihre Brüste hängend, ihr Leib aufgetrieben, wie struppige Hunde im Sommer – du, Wirtin, bist merkwürdigerweise noch nicht so, aber bald werden sie auch aus dir eine solche machen. Bald wird das Rot von deinen Wangen schwinden, bald der Glanz in deinen Augen verlöschen.«

      »Und wenn es auch hingeht – wer hat wohl Schaden davon?«

      »Du weißt schon, wer.«

      »Ist es denn dort wirklich besser?«

      »Dort? Die Männer schaffen, die Männer regen sich, holen das Korn fertig aus fremden Ländern – das Weib halten sie zu ihrer Freude, nicht als Leibeigene.«

      »Was tun dann die Weiber?«

      »Nun, sie weben Stoffe, nähen, sticken ihre Sachen und lernen die Leibeigenen an. Im Sommer, wenn sie es zu ihrer Unterhaltung wollen, fangen sie Fische, pflücken Beeren, kochen Süßigkeiten. So bleiben sie immer jung, so lange es die Jahre erlauben, rotwangig, drall, weich. Leicht ist ihr Fuß beim Tanz, hell sind ihre Stimmen, wenn sie an den Abenden singend beim Herde sitzen. Zärtlich und freundlich bleiben sie, – hier sind alle grob und stumm. Siehst du, so sorgt der karelische Mann für seine Liebste.«

      »Sie scheinen ja dort ein gutes Leben zu haben,« sagte Marja, ihre Näherei umwendend.

      »In Gold rauschen, in Seide knistern sie einher. Wir liegen nicht den langen Winter in ihren Betten. Mit einer Brust voll Liebe kehren wir jedes Frühjahr heim, spielen einen kurzen Sommer mit ihnen, lassen sie auf unserem Knie sitzen.«

      Schemeikka sprach dicht an ihrem Ohr, immer leidenschaftlicher wurde sein Lied, wie dem Auerhahn bei der Balz. Immer kommt er etwas näher, Marja rückt jedesmal etwas ab, auf den Lippen ein künstliches Lächeln, die Augen fest auf der Näherei, der Finger heftig die Nadel führend.

      »Solltest einmal mit nach Karelien kommen, liebe Wirtin, da du aus Karelien stammst! Wir sind ja Nachbarn, von den Höhen der einen blinken die Feuer nach den Höhen der anderen hinüber. Einen Tag geht es durch Stromschnellen, einen zweiten rudern wir über stille Wasser, zwischenhin wandern wir etwas über Heiden, und am dritten flitzen wir wieder durch strudelnde Wasser, – da dämmert schon dort unterhalb einer Stromstille meine Fischerhütte, und von da noch ein wenig weiter, so sind wir in meinem Dorf. Dort ist ein großes Dorf mitten in einem unberührten Bruchwald. Dort habe ich ein altes, reiches Gehöft. Auf Händen trügen sie dich da, das Findelkind aus ihrem Stamm, von Freude zu Freude führten sie dich, von Fest zu Fest, ließen von Tanz zu Tanz dich schweben. Eine alte Mutter habe ich, ist übermaßen gut und freundlich, die würde dich wie ihre Tochter – in Seide und Sammet kleiden. Komm mit nach Karelien, liebe Wirtin!«

      War dies Ernst oder Spaß? Die Stimme Ernst, aber unglaublicher Spaß, was er sagte.

      »Komm auf einen Besuch, komm, um es dir anzusehen! Komm sofort! Mit mir!«

      »Mit dir?«

      »Was tust du hier, schöne, schmucke Frau! Wirst alt, welkst hin, wirst ebenso wie all die anderen. Wenn du hier noch etwas weiter lebst, werden deine Lippen das Lächeln verlernen. Deine Augen werden trübe, dein Haar verdorrt, deine Wangen sinken in Falten ein wie eine erfrorene Beere. Den Nacken werden sie dir krümmen, den Rumpf verbiegen, durch viele Arbeit dir die zierlichen Füße schief drehen – die zierlichen Füße ...«

      »Sprich nicht so etwas.«

      Aber Schemeikka fuhr fort:

      »Und für wen? Für den Kerl mit der runzeligen Stirn, den schläfrigen Augen, den groben Lippen, dem dünnen Bart, dem langen Rücken, den krummen Beinen ...«

      »Sprich mir nichts mehr!« – Marja schrie es fast heraus, wie um Hilfe rufend.

      »Der da die Nächte hindurch ächzt und krächzt – röchelt und hustet –.«

      »O, o – nicht!«

      »Daß er sich nicht geschämt hat, sich einer wie dir anzubieten! Daß du bei einem solchen im Bette liegen mochtest?«

      »Ich liege nicht bei ihm im Bett!« rief Marja plötzlich wie in Wut, während ihr Auge in Haß und Verzweiflung aufblitzte, und sprang auf, fühlte zugleich Scham und setzte sich auf die untere Stufe.

      »Nicht? Wirklich nicht?«

      »Und wen geht es etwas an, wo ich liege, und wenn ich im Schweinekoben läge?«

      Sie wäre in Tränen ausgebrochen, wäre sie nicht aufgestanden und gegangen. Was fragt der mich nur alles? Und wozu redet er das zu mir? Und was hat er alles herabzusetzen? Was kann Juha dazu, daß er so ist, wie er ist? Und wen geht es etwas an, wen ich geheiratet habe? – Weshalb kommt Juha nicht endlich vom Fischen? – Und was höre ich denn auf sein Reden? Und trage seinen Schmuck?

      Sie wollte ihn abreißen, von sich werfen, als sie Juha auf dem See kommen sah. Sie wandte sich um, eilte nach dem Strand, lief immer schneller.

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