Schweres Blut. Aho Juhani

Schweres Blut - Aho Juhani


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sie auch da.«

      »Mein Ranzen ist doch wohl in der Stube sicher?«

      »Der ist sicher! Und wenn du alle Reichtümer Kareliens darin hättest.«

      »Das nicht, das nicht, nur ein bißchen Kram und Plunder ...«

      »Zu uns kommen keine Diebe. Bei uns ist noch keiner beraubt worden, so weit wie der Ruf zum Hofe klingt. In Juhas Gehöft kommt kein Bandit. Und wenn einer käme, würde er weggejagt! Sie fragen um Erlaubnis, ehe sie was nehmen. Nun komm! So einer ist der Juha!«

      Während sie zur Badestube hinuntergingen, schlug Schemeikka seinen Wirt auf die Schultern.

      »So einer ist er! Ein tüchtiger Kerl. Der beste alte Knabe von der Welt!«

      Juha lachte aus vollem Halse und ging dem anderen voran in die Badestube.

      Marja stand in dem Vorraum, als die Männer kamen, und kehrte ihnen den Rücken zu.

      »He, Wirtin!« rief Schemeikka, splitternackt an ihr vorbeigehend. Aber Marja wandte den Kopf nicht um. Erst als sie hörte, daß sie auf den Schwitzbänken saßen, schlüpfte sie durch die Tür hinein, um die Quäste auf dem Ofen zu weichen.

      »Bist wahrhaftig ein stattlicher Bursch,« sprach Juha. »Der Rücken wie eine schwanke Föhre, die Unterschenkel fein wie bei einem Elch, die Oberbeine wie die eines Schlittenfüllens – eine Kunst, mit denen über den Zaun zu kommen! Meine hier sind ein bißchen krumm, weil sie mich zu jung im Laufstuhl haben stehen lassen, aber ich komme auch damit vorwärts.«

      »Da nimm,« sagte Marja, die Quäste hinstreckend.

      »Gib sie nur her und sei nicht so blöde. – Sieh auch mal dem seine Arme an – die haben sich nicht in den Pflugsterzen gewiegt – na, da sind sie hingefallen!«

      »Nun ja – da nimm!«

      Marja hob die Quäste vom Boden auf und reichte Juha den einen, während sie den anderen an ihm vorbei Schemeikka in die Arme warf.

      »Au!« rief Schemeikka.

      »Oh, hats weh getan?«

      »Ja.«

      »Wo denn?« kicherte Juha.

      »Irgendwo.«

      Juha, dem der Dampf und das Behagen und der starke Trank immer mehr zu Kopfe stiegen, lachte und brachte auch Schemeikka zum Lachen. Aber Marja schrie wie aufgebracht:

      »Verfluchte Taugenichtse!«

      »Jetzt Dampf!« rief Schemeikka. »Jetzt Dampf, schöne Frau!«

      »Noch mehr?«

      »Genug, genug!«

      Marja goß noch einmal, wie zum Trotz, Wasser auf den Ofen, zog sich dann in den Vorraum zurück und hörte dort alles, was die Männer in der Badestube sagten, wenn im Klatschen der Quäste eine Pause entstand.

      »Komm, jetzt werde ich dich abwaschen,« sprach Juha. »Streck dich aus. Sie hat ja gehörig draufgegossen. So recht aus der Fülle. Ja, die zieht mächtigen Dampf aus dem Ofen, wenn sie will. Das ist eine, das ist eine ... hätte nicht geglaubt, daß ich alter, etwas verkrüppelter Knabe eine so Junge und Stattliche bekäme.«

      »Ihr seid doch kein Krüppel?«

      »Ich hinke ja etwas, weil mich einmal ein Bär ins Bein gebissen hat. Dort sind noch die Narben von den Zähnen, und da ist die Sehne durch. Beim Gehen macht es nichts aus. Und ich merke es auch nur vor einem Wetter.«

      »Ein Fremder merkt nichts.«

      »Ich hätte sie vielleicht auch sonst nicht bekommen.« – Juha dämpfte die Stimme und glaubte nur noch zu flüstern – »dreh dich etwas auf die Seite ... hätte sie vielleicht auch sonst nicht bekommen, aber da ich sie mir von klein auf, von der Wiege an, selbst gezogen, wie die beste Kindermagd geschaukelt habe – ihre Mutter kam zu uns dort in das alte Karhula in dem Hungerjahr und brachte sie zur Welt und starb – ja, da ich sie da selber aufgezogen und zu einem Menschen gemacht, lesen gelehrt und zum Abendmahl geschickt habe, habe ich sie dann genommen, weil niemand anders da war, der sie genommen hätte, obwohl meine Mutter und die ganze Familie dagegen waren, weil sie nichts hatte und aus dem Russischen stammt.«

      »Aus dem Russischen?«

      Der Quast hörte auf zu klatschen.

      »Aus euerem Stamm. Dorther war auch die Mutter, wie sie sagte, aber genaueres weiß man nicht; wohl ein leibeignes Mädchen, aus ihrem Kirchspiel entflohen; dort sollen ja die Bauern mit ihren Mägden machen, was sie wollen: weiß nicht, obs so ist.«

      »Peitsch mir auch noch etwas die Fußsohlen!«

      »Aber einerlei, von wem sie stammt,« hörte Marja ihren Mann fortfahren – dieselbe Geschichte, die er immer seinen Gästen erzählt, wenn er sich nur etwas die Nase begossen hat, der Tölpel. – »Sie ist darum nicht schlechter als die Mädchen hierherum. Meine Mutter hätte mir eine von den Reichen aufgehalst, und die hätte ich vielleicht auch bekommen; immer kommt gern eine in ein fertiges Gehöft ...«

      »Daß er den Mund nicht hält!« fuhr Marja bei sich dazwischen.

      »Daher ihrer Schwiegermutter Haß auf sie, daß ich sie genommen habe. Manchmal ist die Alte bei ihren Besuchen so böse, daß ich sie mitten in der Woche heimbefördern muß. Aber eine gute Zucht hat sie ihr seinerzeit beigebracht und sie zu den Arbeiten angelernt. Jetzt erbost sie sich auch darüber: ›Wenn ich gewußt hätte, daß ich mir aus dem Bettelmensch eine Schwiegertochter erzog, dann hätte ich sie nicht beschieden, wie man eine Nadel ins Öhr fädelt.‹ Aber was wollte ich gleich sagen? Leg dich auf den Leib, dann streiche ich dir auch über die andere Seite.«

      »Es ist genug,« sagte Schemeikka. »Ihr sagtet eben, ihr hättet euch nicht an die Reichen gekehrt, obwohl sie zu haben gewesen wären.«

      »Ja gewiß!« – Schemeikka stieg von der Schwitzbank und setzte sich weiter unten nieder. Juha sprach oben weiter, während er sich jetzt selbst mit dem Quast peitschte – »ja gewiß, aber sie ließen mich alle kalt, habe sie nicht von vorn und nicht von hinten angesehen, diese war mir ins Blut gegangen. Es zog mich nur zu der Marja.«

      »Wie es den jungen Specht in den Baum zieht?« hörte man Schemeikka summen.

      »Ei, was sie gut und nett sein kann, wenn sie will, lieb und munter, wie solch ein Quast im Sommer.«

      Schemeikka ließ ein kurzes unanständiges Lachen ertönen. Marja hätte mit einem Holzscheit gegen die Tür schlagen mögen.

      »Aber sie kann auch böse sein – ist sie dort im Vorstübchen? Sieh mal nach!«

      Marja konnte gerade noch hinter die Tür schlüpfen, als Schemeikka sie ein wenig öffnete.

      »Scheint nicht mehr da zu sein.«

      »Dann sorg du mir jetzt für ein bißchen Dampf!«

      »Soll ich dich auch klatschen?«

      »Streck du nur deine Klauen aus. Wo war ich denn gerade?«

      »Daß die Frau auch böse sein kann.«

      »Ach ja, doch das kümmert mich nicht. Sie ist ein wenig leicht erregt, bald ganz traurig, bald lacht sie vor sich hin, singt sich eins und zwitschert wie ein Vöglein auf dem Baum. Ist wie das Wild im Walde, ruht sich nicht am Tage, kann nächtelang nicht schlafen, aber dann wieder kommt sie nicht aus dem Bett, und wenn sie aufsteht, geht sie wie ein Gespensterseher umher.«

      Jetzt wusch sich Juha ab, schwieg einige Zeit, fuhr aber dann fort:

      »Diese Badestube haben wir zusammen gebaut. Ich hatte hier damals eine Schwende, an deren Rand habe ich sie gezimmert. Ich habe hier manchen Sommer geschwendet und Fische gefangen. Aus dem Elternhof habe ich niemand zur Hilfe gehabt als Marja. ›Nimm die russische Bettelhexe mit, dort ist sie ja näher bei ihrer Heimat‹, haben sie gesagt. Einmal sind wir im Sommer zusammen aus meinem Dorfe über die großen Seen hierher gerudert. Damals habe ich noch nichts verlauten lassen, obwohl ich's schon mit mir


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