Italienischer Traum am Gardasee. Gabriele Raspel

Italienischer Traum am Gardasee - Gabriele Raspel


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deinem Rücken?«, erkundigte sich Isabella.

      »Ist noch dran«, antwortete ihre Mutter gleichmütig und nahm genießerisch einen Schluck Darjeeling, den sie immer dem aromatischen italienischen Kaffee vorzog.

      »Und du, Paula? Ist deine Bronchitis besser geworden?«

      »Spür ich nix mehr von.«

      »Und die Schwäche? Hat sich dein Kreislauf mittlerweile gebessert?«

      »Bis jetzt bin ich jedenfalls noch nicht aus den Pantoffeln gekippt.«

      »Papa, und du? Nimmst du auch täglich deinen Blutverdünner, wie es dir der Arzt angeraten hat?« Sie blickte ihn mit ernster Miene aufmerksam an. Natürlich lag jetzt ein rosiger Schimmer auf seinen Wangen, schließlich hatte er gemeinsam mit Paula eben noch Laub gekehrt, sodass seine hellblauen Augen blitzten. Sein weißer Haarschopf stand ihm wie üblich nach allen Seiten ab. In den letzten Monaten hatte er ein wenig abgenommen, aber nur dank Elisas strikter Diätgerichte am Abend, die sie trotz der Proteste Chiaras und Thibaults, die beide gerne gut aßen und zur Rundlichkeit neigten, vor allem auf Anraten des Doktors durchgesetzt hatte.

      »Kannst du mir mal sagen, was deine Fragerei soll?«, stellte Thibault die Gegenfrage.

      »Ich sorge mich eben um euch. Also, hast du oder hast du nicht?«

      »Er nimmt sie, wenn ich sie ihm auf den Teller lege«, antwortete Chiara an seiner Stelle.

      »Aha, dacht ich’s mir doch«, rief Isabella. In der Tat war sie immer noch ein wenig besorgt um ihren Vater. Am Anfang des Jahres war er nach der Gabe eines starken Antibiotikums gegen eine Blasenentzündung so schwer erkrankt, dass sie sich ernste Sorgen machen mussten. Nicht nur körperlich erfolgte ein totaler Zusammenbruch, sondern ebenfalls ein seelischer, der sich in besorgniserregenden Angstzuständen zeigte, die er erst nach langem Klinikaufenthalt überwand. »Wenn ich nicht an alles denken würde.«

      »Oder wir«, bemerkte Paula spitz, und selbst Elisa, die normalerweise nichts leicht auf die Palme brachte, presste die Lippen fester aufeinander.

      »Natürlich, Paula, entschuldige. Aber ich frage nur, weil ich heute in der Zeitung eine interessante Stellenanzeige gelesen habe. Ich wollte mich bewerben und denke, dass meine Chancen sehr gut stehen.«

      Elisa blickte hoch und sah sie lächelnd an. Sie war eine Frau, der man nicht nur dank ihrer Vitalität, sondern auch angesichts ihrer faltenfreien Haut ihre sechzig Jahre kaum glauben mochte. Was sie, nach eigener Einschätzung, zum einen ihrem ausgeglichenen Wesen und zum anderen ihrem erfüllten Zusammenleben mit den anderen Hausbewohnern verdankte. Und wohl auch der Tatsache schuldete, dass sie die Sonne, Alkohol und Zigaretten mied wie der Teufel das Weihwasser, während Paula die Schneewittchenhaut der Freundin lediglich den guten Genen zuwies.

      »Ein neuer Job?«, rief Chiara. »Wunderbar. Erzähle!«

      Und das tat Isabella. »Obwohl ich mich ja erst noch bewerben muss, aber ich bin guten Mutes.«

      »Und wieso sorgst du dich dann um unsere Gesundheit?«

      »Wenn ich möglicherweise einmal auf Geschäftsreise bin, müsste ich sichergehen, dass hier alles in Ordnung ist«, antwortete Isabella mit zusammengekniffenen Brauen.

      »Na hör mal, meinst du, der Laden hier läuft nur dank deiner Hilfe?« Elisas braune Augen, die normalerweise so sanft schauten, funkelten gefährlich.

      Und auch Paulas Zornesfalte auf ihrem ohnehin schon recht runzeligen Gesicht vertiefte sich.

      Isabella legte rasch die Hand auf den Arm der Älteren. »Um Gottes willen, nein, ich sorge mich halt nur um euch.«

      »Wir sind zwar nicht mehr taufrisch, aber auch noch lange keine alten Knacker. Wir kommen sehr gut ohne dich klar«, wies ihr Vater sie zurecht.

      »Exakt«, knirschte Paula. Sie war fast einen Kopf größer als Elisa und viel zäher, was sie natürlich ihrer Gartenarbeit in der frischen Luft und ihrem Sport im Winter zuschrieb. Im Gegensatz zu Elisa, deren Gesicht rund war wie die Tomaten, die sie jährlich in Überzahl aus ihrem Garten ernteten, war ihres kantig und viereckig wie der kurze Bob mit Pony, den sie seit über fünfzig Jahren trug. Das Bemerkenswerteste an ihr war der große Mund. Und ihr herzhaftes Lachen. Leute, die dieses Lachen zum ersten Mal hörten, erschraken meist. Ihre Stimme war stets ein wenig zu laut und sehr tief. Seit fast zwanzig Jahren rauchte sie nicht mehr, trotzdem klang sie immer noch heiser, als hätte sie die Nacht durchgezecht. Keine Seele konnte den Blick von ihr wenden, wenn die Fröhlichkeit aus ihr herausplatzte. Dann gab es niemanden, den ihre pralle Heiterkeit nicht in seinen Bann zog. Was man allerdings auch erleben konnte, wenn ihr Zorn aus ihr herausbrach.

      »Ihr seid also der Meinung, ich sollte mich tatsächlich bewerben?«, versicherte Isabella sich.

      »Mais oui«, sagte ihr Vater, der immer ins Französische fiel, wenn ihn etwas stark erregte.

      »Aber unbedingt«, stimmte ihm Chiara mit ihrer melodiösen Stimme zu.

      »Ich bin ja mal gespannt, wie der Mann aussieht. So, wie die Annonce sich anhört, könnte er ein ebensolcher Grantler wie mein alter Chef sein.«

      »Und wenn«, sagte ihre Mutter optimistisch. »Dem hast du doch auch recht bald die Flötentöne beigebracht.«

      »Sicher. Aber er war seit dreißig Jahren verheiratet und hatte gelernt, zu schweigen und gute Ratschläge von uns Frauen anzunehmen.«

      »Ein Blick von dir, so wie du mich manchmal ansiehst, wenn ich es wage, zu schwer zu tragen, und der Mann hält seine Klappe, sollte ihm sein Leben lieb sein. Da bin ich mir ganz sicher«, dröhnte Paula.

      Alle lachten. »Ich werde ihn ausnahmsweise strahlend anlächeln, und dann wird er mir zu Füßen liegen«, grinste auch Isabella.

      »Ich freue mich, dass du so zuversichtlich bist«, sagte ihr Vater. »Denn die einzige Bewerberin bist du sicherlich nicht.«

      »Nein, aber die beste vielleicht«, entgegnete seine Tochter, gesegnet mit dem Optimismus ihrer Mutter und deren bärenstarken Nerven. »Außer, es käme eine Jüngere, Hübschere daher, dann stünden meine Karten nicht so gut«, warf sie ein.

      Chiara stellte so energisch die zarte Tasse von Spode – ihr bestes und teuerstes Porzellan – ab, dass Isabella befürchtete, sie würde auf dem Unterteller zerbrechen. »Wieso hübscher? Du ziehst dein gutes hellgraues Kleid mit dem kurzen Jäckchen an. Das macht dich elegant und gediegen. Da kommt kein hübsches Kleinmädchengesicht gegen an.«

      Isabella zögerte. »Aber Hosen stehen mir viel besser.«

      »Hör einmal nur auf den Rat deiner Mutter. Beim ersten Gespräch macht sich ein Kleid oder ein Rock besser. Glaub mir«, befahl Chiara kategorisch. »Außerdem mildert es etwas deinen neuen radikalen Haarschnitt. Ich könnte dir auch ein Kostüm von mir leihen, wenn du nichts Gescheites besitzt.«

      Alle grinsten.

      Isabella enthielt sich eines Kommentars. Sie hatte die sehr schlanke Figur ihres Großvaters geerbt, hingegen Chiara zu ihrem großen Bedauern die Fülle ihrer Mutter. Das Graue war ihr Kleid für alle Fälle gewesen, vor allem für formelle Einladungen im Beruf. Sie besaß es seit fünf Jahren und es stand ihr. Es machte sie nur ein wenig langweilig. Was aber vielleicht gerade für das Bewerbungsgespräch einen Vorteil bedeutete. »Du hast recht. Das werde ich anziehen.« Oder mir ein billiges neues kaufen, sinnierte sie.

      Jetzt bereute sie es, dass sie Emanueles Angebot zu ihrem Geburtstag, ihr ein neues Kleid zu schenken, ausgeschlagen hatte. Aber sie ahnte, dass er mit ihr nur vor seinen Freunden hatte angeben wollen, und das hatte sie gereizt, abzulehnen. Schämen musste man sich mit ihr trotzdem nicht.

      »Unsinn, was brauchst du ein neues Kleid. Dieses ist doch noch gut genug. Trage das rote Seidentuch und die schwarzen Stiefel dazu, und du bist eine Wucht!«

      »Genau«, stimmte ihr Vater zu, der auf die Frage, wie das Kleid denn ausschaue, kaum eine Antwort hätte geben können.

      Damit war das Thema erledigt. Isabella seufzte innerlich.


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