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gibt es denn nur negative Beispiele, werden Sie sich jetzt fragen. Nein, es gibt auch positive. Selbst unser Gehirn manipuliert uns nämlich manchmal, und das kann überlebenswichtig sein. Wenn wir Gefahren ausgesetzt sind oder einen Unfall hatten oder als Kind ein traumatisches Erlebnis durchleiden mussten, greift sofort unser Gehirn ein und manipuliert uns, damit wir weitermachen können.

      Auch Schweigen kann manchmal eine indirekte Manipulation sein. Wer schweigt, kann jemandem Kummer und Leid ersparen – oder Kummer und Leid zufügen.

      Wie gesagt: Manipulation begleitet uns auf Schritt und Tritt. Da wir nun aber einmal in diesem Schlamassel sind, müssen wir, so gut es geht, damit zurechtkommen und versuchen, uns vor Manipulationen aller Art zu schützen. – Das sollte man zumindest meinen. Und wenn man sich wirklich Mühe gibt, könnte man sich vielleicht sogar erfolgreich gegen Manipulationen von menschlicher Seite abschirmen. Aber was machen wir, wenn sie von einer höheren Macht kommen, so wie bei der Entstehung der Erde?

      Die Manipulation durch den Schöpfer läuft tagtäglich weiter, für einen jeden von uns Sterblichen. Von der Geburt bis zum Tod sind wir unzähligen Manipulationen seitens unseres Erschaffers ausgesetzt. Das ist in unserem Wesen als Menschen fest mit verankert. Wir sind so angelegt worden, dass wir leicht manipulierbar sind. Wären wir das nicht, dann könnte man uns Menschen zu nichts mehr bewegen. Einfachstes Beispiel: Wir Männer, die wir unsere Frauen manipulieren, indem wir Stärke und Geborgenheit signalisieren, und im Gegensatz der Manipulation durch die Schönheit verfallen, würden der Versuchung nicht mehr nachgeben und würden uns nicht fortpflanzen. Das wäre bereits der Anfang vom Ende. Wären wir nicht manipulierbar, hätte Adam den Apfel nicht angefasst, und wir wären alle vielleicht noch im Paradies.

      Langer Rede kurzer Sinn: Unser Leben besteht aus Manipulationen. Manchmal sehen, hören und fühlen wir sogar Dinge, die eigentlich gar nicht so sind. Die eigentlich ganz anders sind. Die Kunst liegt darin, zu erkennen, wann das der Fall ist. Auf den nachfolgenden Seiten wird eine dieser schicksalshaften Geschichten erzählt. Ihre Hauptfigur heißt Abdullah.

      Abdullah ist ein sehr häufiger arabischer Name. Außerdem bedeutet er in etwa „des Schöpfers Produkt“. Wir sind also alle Abdullahs, egal ob Mann oder Frau, schwarz oder weiß, klein oder groß, alt oder jung. Und vielleicht werden wir nach dieser Geschichte verstehen, wo und wie die Endliche Reise des Menschen eines Tages enden wird.

      Anmerkung des Verfassers:

      Heilige Namen wie die von Propheten, Märtyrern und anderen Heiligen sowie von Engeln dürfen im Islam nicht ohne Ehrenbezeichnung ausgesprochen werden. Daher werden im Folgenden solche Personen von bestimmten Charakteren „der verehrte“ genannt. Dem Namen des Propheten Mohammed wird als besondere Ehrenbezeichnung im Islam traditionellerweise der Zusatz „Friede sei mit ihm“ beigefügt. Dem Namen Allahs wiederum wird ein „c. c.“ angefügt. Es seht für das Türkische „celle celálühu“. Die arabische Entsprechung ist „azza wa jal“, was in etwa bedeutet: „allwürdig und absolut majestätisch (ist Er)“.

      Hasan B. Erdem

      Abdullahs Endliche Reise

      „Ich versuchte, ihn zu finden am Kreuz der Christen, aber er war nicht dort. Ich ging zu den Tempeln der Hindus und zu den alten Pagoden, aber ich konnte nirgendwo eine Spur von ihm finden. Ich suchte ihn in den Bergen und Tälern, aber weder in der Höhe noch in der Tiefe sah ich mich imstande, ihn zu finden. Ich ging zur Kaaba in Mekka, aber dort war er auch nicht. Ich befragte die Gelehrten und Philosophen, aber er war jenseits ihres Verstehens. Ich prüfte mein Herz, und dort verweilte er, als ich ihn sah. Er ist nirgends sonst zu finden.“

      Mevlana Dschelaleddin Rumi

      „Dein Lächeln ist mir ein Hinweis auf die Gegenwart Gottes in dir.“

      Papst Johannes Paul II.

      „Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können.“

      Albert Einstein

      „Man schließt die Augen der Toten behutsam; nicht minder behutsam muss man die Augen der Lebenden öffnen.”

      Jean Cocteau

      „Wenn ich das Wunder eines Sonnenuntergangs oder die Schönheit des Mondes bewundere, so weitet sich meine Seele in Ehrfurcht vor dem Schöpfer.“

      Mahatma Gandhi

       „Der Geist ist die Quelle aller Verwirrung.“

      Gautama Buddha

      Hasan B. Erdem

      Abdullahs Endliche Reise

      Kapitel 1

      Wir schreiben das Jahr 19 nach der neuen Hieräischen Zeitrechnung. Die Menschheit hat sich von den jüngsten Katastrophen noch nicht erholt, und nach den neuesten Berechnungen existieren nicht einmal mehr zwei Milliarden Menschen auf der Erde. Am meisten macht ihnen die neue Zeit zu schaffen. Nichts funktioniert mehr so, wie es eigentlich sollte. Alle Versuche, sich gegen das unvermeidliche Ende zu wehren, münden in einem Desaster. Fast alle Staaten der Welt befinden sich im Kriegs- oder zumindest im Ausnahmezustand. Die Menschheit ist dabei, sich zurück zu entwickeln.

      Baghdad. Das Jahr 19 nach H.

      Er hatte nicht mehr den Mut, ihr zu widersprechen. Sie hörte ja ohnehin nicht mehr auf ihn.

      „Mutter“, sagte Abdullah, „Mutter, bitte. Du hast mich in all den Jahren so liebevoll großgezogen. Du hast mich niemals merken lassen, dass du nicht meine leibliche Mutter bist. In den dreiundzwanzig Jahren, die ich jetzt schon bei dir bin, habe ich mich nie nach einer anderen Mutter gesehnt. Du bist meine liebe, kleine Mutter, und bis zu meinem Ende wirst du mir so in Erinnerung bleiben. Denk an den Propheten und wie er sagte: ‚Das Paradies liegt unter den Füßen unserer Mütter.‘ Ich hoffe, dass ich dir ein guter Sohn war und dass du beim Jüngsten Gericht vor Allah sagen kannst, dass du mit mir zufrieden bist.“

      Sie war wie mit Stummheit geschlagen, sagte gar nichts mehr. Was sollte sie auch sagen? Ihre Augen teilten ihm ja in einer unmissverständlichen Sprache mit, was in ihr vorging, jetzt, wo die Zeit gekommen war, da ihr geliebter Sohn für das bereit war, wofür er großgezogen worden war. Doch plötzlich erhob sie doch ihre Stimme und sagte mit feuchten Augen: „Mein Engel, weißt du eigentlich, was deine Mutter gerade durchmacht? Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie es für mich war, all die Jahren mit der Angst zu leben, dass dieser Moment eines Tages kommen würde?

      „Ich habe einen Engel großgezogen. Immer wieder habe ich versucht, Distanz zu dir zu wahren, dich nur als eine Art Geschenk auf Zeit zu betrachten. Aber du warst immer so niedlich, so brav und so süß, dass ich dich in mein Herz geschlossen habe. Nun bist du darin verankert, und ich bin mit den Ketten echter Mutterliebe an dich gebunden.

      „Von mir aus hätte ich dir niemals gesagt, dass ich nicht deine leibliche Mutter bin. Aber ich wusste, dass sie dich an deinem achtzehnten Geburtstag darüber aufklären würden, wie du zu mir kamst. Deswegen habe ich dir diese schreckliche Wahrheit damals selbst erzählen müssen, bevor sie es taten. Ich wusste ja nicht, wie du reagieren würdest, wenn du es von Fremden erfährst. Ich hatte Angst, dich zu verlieren, und diese Angst hat mir in den letzten dreiundzwanzig Jahren keine Ruhe gelassen, sie hat mich verfolgt bis in meine tiefsten Albträume. Diese Träume sind in den letzten Monaten so intensiv geworden, dass ich mich sogar davor gefürchtet habe einzuschlafen.

      „Mein Sohn, denk bitte nicht, dass ich nicht stolz auf dich bin. Diese Aufgabe, für die man dich schon als Neugeborenes auserwählte, ohne dass du je nach deiner Zustimmung gefragt wurdest, ist etwas Gutes, etwas Wunderbares. Du wurdest auserwählt, die Menschheit ins Licht zu führen. Und dafür wurdest du perfekt ausgebildet.

      „Du hast eine Mission zu erfüllen, die die Zukunft der Menschheit verändern wird. Denn die Menschheit hat nicht mehr viel Zeit. Vielleicht ist es unser aller Schicksal, vielleicht ist die Zeit für das gekommen, wofür wir Menschen eigentlich erschaffen wurden. Aber du weißt das ja alles besser als ich. Man hat dir alles beigebracht, was man einem Menschen nur beibringen kann. Du sprichst so


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