.
Lügengeschichten und das Scheinleben. Später erzählte man ihm haarklein, wie er achtzehn Jahre zuvor zu Fatima gebracht worden war und dass er erst ein paar Tage alt gewesen war, als seine leibliche Mutter im Krieg ums Leben kam. Sie war eine Agentin der Konföderation GLOBEX gewesen, einer globalen Organisation, die von den damals zwölf größten Industrieländern gegründet worden war. GLOBEX diente dem Zweck, neue Technologien zu entwickeln und für die Menschheit alternative Lebensräume im All zu finden. Die Wissenschaftler jener Zeit hatten allerhand vorausgesehen und wussten, dass die Menschheit früher oder später neue Lebensräume brauchen würde, um weiter zu existieren. Also gründeten sie GLOBEX als eine unabhängige, überstaatlich und sogar weltumfassende Organisation.
Vor allem nach der Katastrophe war GLOBEX der einzige Punkt, in dem alle Länder der Welt einer Meinung waren. Keine Religion, keine Lehre und kein Mensch hatte es je geschafft, die Zustimmung aller Menschen zu erlangen, aber der Überlebenswille und die Neugier der menschlichen Spezies sorgten dafür, dass sich in diesem Fall alle Menschen einig waren.
Die Menschheit brauchte eine neue, bewohnbare Erde. Denn der einst so wunderschöne blaue Planet war ergraut, und sein Ende stand kurz bevor. Eigentlich lagen selbst die Gründerstaaten von GLOBEX im Krieg miteinander, und bekanntlich heißt es ja: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Aber in diesem Fall war der Feind ein gemeinsamer, schien unbesiegbar zu sein und hatte eindeutig nicht die Absicht, sich mit der einen oder der anderen Seite anzufreunden. Und so war GLOBEX der einzige gemeinsame Nenner zwischen den mittlerweile verfeindeten Staaten. Was auch immer sonst passierte, in der Organisation herrschte gute Zusammenarbeit. Die Forschung ging weiter, als wäre auf der Welt alles in Ordnung.
Im Laufe der Jahre war es den Wissenschaftlern gelungen, mit überdimensionalen Teleskopen einen Teil des so unendlich erscheinenden Weltalls zu erforschen. Von Jahr zu Jahr erhöhte sich die Anzahl der neu entdeckten Planeten und Galaxien. Die Aufnahmen, die die unbemannten Sonden zurück zur Erde sandten, machten den Forschern Mut. Schließlich, nur einige Tage bevor die Erde im Chaos versank, machten sie zufällig eine unerhörte Entdeckung. Von heute auf morgen tauchte aus dem dunklen, verborgenen Winkel hinter dem Mars ein neuer Planet auf. Er kam wie aus dem Nichts. Die Wissenschaftler waren bass erstaunt.
Der neue Himmelskörper brachte das gesamte Gleichgewicht der Planetenkonstellation aus dem Lot. Zugleich war er aber wunderschön, noch schöner als unser blauer Planet. Er übte eine geradezu mystische Anziehungskraft auf die Wissenschaftler aus. Sofort schickten sie die Sonde MARS SPY 2, die schon über dem Mars im Einsatz war, in Richtung des neuen Planeten.
Als die ersten Aufnahmen über die Bildschirme flackerten, waren die Wissenschaftler so geschockt, dass sie fast von den Stühlen fielen. Ein blauer Himmel, grüne Wälder, Berge und das Wichtigste: Wasser. Aber wie das möglich war, konnten sie sich nicht erklären.
Der Planet hatte eine dichte Atmosphäre, der Sauerstoffgehalt schien ein bisschen zu hoch, aber noch im Rahmen der menschlichen Toleranz. Zwar war der neue Himmelskörper größer als die Erde, hatte jedoch eine ähnliche Neigung der Rotationsachse.
Das Seltsamste aber war Folgendes: Zog man die Entfernung des Planeten zur Sonne in Betracht, dann hätte dort eigentlich eine unsichtbare Eiszeit herrschen müssen, ganz ähnlich wie auf dem Mars. Es gab aber keinerlei Anzeichen dafür. Vielmehr wurden Durchschnittstemperaturen von 14°C gemessen. Die Wissenschaftler vermuteten daher eine unsichtbare Wärmequelle, die von der Erde aus nicht zu erkennen war.
Während nun dieser geheimnisvolle Himmelskörper die Erde aus dem Gleichgewicht brachte, schien er selbst davon nicht betroffen zu sein. Das Kuriose und zugleich Schreckliche daran war, dass nach den exakten Berechnungen der Wissenschaftler der neue Planet innerhalb der kommenden dreißig Jahre sich im Sonnensystem so positionieren würde, dass zwar auf dem Planeten selbst für mehrere tausend Jahre Leben möglich sein, unsere Erde dafür aber unbewohnbar werden würde.
Das gesamte Ausmaß dieser kosmischen Katastrophe konnten noch nicht einmal die Wissenschaftler kalkulieren. Der Entdecker dieses mysteriösen, gefährlichen Himmelskörpers hieß Dr. Fernando Urussanga, und auf seinen Wunsch hin wurde der neue Planet URUS genannt. Und mit diesem Himmelskörper sollte Abdullahs Schicksal aufs Engste verknüpft sein.
Nach dem Tod von Abdullahs leiblicher Mutter hatte ein gewisser Professor Karimi ihn dem Leitungskomitee von GLOBEX für die geheime Operation NOAH vorgeschlagen. Diese hatte zum Ziel, den Planeten namens URUS zu besiedeln.
Für diese Mission wählten die Köpfe von GLOBEX viele Kinder aus, deren Eltern mit den GLOBEX SALOMON LABORS zu tun hatten und im Krieg gestorben waren. Ohne etwas voneinander zu wissen, wurden diese Kinder über zwanzig Jahre lang für die Operation NOAH trainiert. Sie wuchsen jeweils in verschiedenen Regionen der Erde bei Pflegefamilien auf.
Die meisten der ausgewählten Kinder hatten es aus verschiedenen Gründen nicht bis zum Schluss geschafft. Neben Abdullah waren nur fünf weitere übrig geblieben. Und diese Fünf sollten sich am heutigen Tag zum ersten Mal an einem geheimen Ort mit Abdullah treffen.
Kapitel 2
Kairo 30 Jahre zuvor
Im Jahre 11 vor H. verschwand ein amerikanischer Multimilliardär und Abenteurer namens Thomas Mc Ilhenny wie vom Erdboden verschluckt. Er war der viertreichste Mann der Welt.
Mc Ilhenny war kein Selfmademan. Vielmehr hatte sein Vater, der Tyrann, ihm seinen grenzenlosen Reichtum hinterlassen. Seitdem war er nicht nur Eigner des Konzerns NANOMAC Corporation, sondern auch CEO seiner Firma, die hauptsächlich in Öl handelte und außerdem Forschung betrieb. Ehrlich gesagt war er ein miserabler Geschäftsmann. Das wusste nicht nur Mc Ilhenny selbst, sondern auch seine Mitinvestoren, die ständig erfolgreich gegen ihn klagten. Aber er war ein sturer Hund und der Meinung, er hätte niemandem Rechenschaft abzulegen. Schließlich hielt er die Mehrheit der Unternehmensaktien. Wer hatte ihm also schon etwas zu sagen?
Nichtsdestotrotz war Thomas Mc Ilhenny insgeheim klar, dass er den Aufgaben eines Konzernchefs nicht gewachsen war. Business war einfach nicht sein Ding. Nach einer Weile sah er das auch ein und ging dazu über, seinen Konzern, den damals fünftgrößten der Welt, von professionellen Managern leiten zu lassen. Er selbst widmete sich von da an nur noch der Forschungsabteilung seiner Firma. Schon zuvor hatte er dort eine Reihe an Aufgaben übernommen, für die ihm jetzt, nach Aufgabe der Firmenleitung, endlich mehr Zeit zur Verfügung stand.
Doch Thomas Mc Ilhenny war mehr als nur ein begeisterter Forscher. Er hatte ein ausgesprochen spannendes Hobby, das seine ganze Freizeit ausfüllte: Abenteuerreisen. Mc Ilhenny verglich sich gern und oft mit Leinwandhelden wie Indiana Jones oder Quatermain. Mit einer bestimmten Religion konnte er sich übrigens nicht identifizieren, er war aber auch kein Atheist.
Thomas Mc Ilhenny war eben ein rundum smarter Gentleman in den besten Jahren. Er war Anfang vierzig, sah gut aus, war sportlich und wusste sich modisch zu kleiden. Neben der Forschung und dem Reisen gehörte seine Leidenschaft schönen Frauen, sportlichen Autos und dem Fliegen. Von diesen drei Dingen konnte er nicht genug bekommen. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass er sich selbst hasste, weil er wegen seines Berufs und seinen zeitintensiven Reisen keine Muße für seine Steckenpferde mehr hatte.
Sei dem wie es wolle – Thomas Mc Ilhenny versuchte grundsätzlich, das Beste aus seinem Leben zu machen, wo immer er nur konnte. In der Forschungsabteilung seiner Firma umgab er sich fast nur mit weiblichen Angestellten, und er hatte sich fest vorgenommen, jeden Tag ein anderes Auto aus seinem privaten Edelfuhrpark zu fahren.
Bei den fraglichen Fahrzeugen handelte es sich natürlich nicht um gewöhnliche Autos. Vielmehr hatte sich Mc Ilhenny per Sondergenehmigungen Nobelmarken wie Ferrari, Maserati, Mercedes und Porsche nach seinen Wünschen umbauen lassen. Jedes einzelne dieser Unikate hätte ihm wahrscheinlich Millionen eingebracht, hätte er sie je verkauft. Schließlich ließ Thomas Mc Ilhenny seine kleinen Spielzeuge immer mit der neuesten Technologie aus seinen Labors ausstatten.
Doch letzten Endes waren in der Liga, in der er spielte, Autos als Statussymbole eigentlich ungeeignet, egal, wie hypermodern und einzigartig sie waren. Privatflugzeuge, Luxusjachten und riesige Anwesen überall auf der Welt taten es da schon eher.
Mc