Im Himmel ess' ich Zuckerwatte. Wiebke Vahlbruch
Wiebke Vahlbruch
Jahrgang 1986, Mutter von 2 Kindern, verlor ihren jüngsten Sohn im Alter von 4 Jahren durch eine Krebserkrankung. Heute lebt sie mit ihrer Tochter Emma und ihrem Lebensgefährten Martin in Lünen.
Autor: Wiebke Vahlbruch
Copyright 2020
Umschlaggestaltung: Wiebke Vahlbruch
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-347-05103-4 (Paperback)
978-3-347-05343-4 (Hardcover)
978-3-347-05344-1 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
INHALTSVERZEICHNIS
Im Himmel ess´ ich Zuckerwatte
Das Bauchgefühl belügt dich nie
Die Stammzellentnahme
Operation
MIBG & Hochdosis
Bestrahlung
Antikörper
Rückfall
Frohes Neues !!
Noah Geschichte
Zeit danach
Danksagung
WIEBKE VAHLBRUCH
IM HIMMEL ESS´ ICH ZUCKERWATTE
Tagebuch einer Mutter eines krebskranken Kindes
DAS BAUCHGEFÜHL BELÜGT DICH NIE
Manchmal hat man so ein Bauchgefühl. Es gibt Menschen, die hören darauf. Und es gibt Menschen, die überhören es gerne. Aber unterm Strich hat man instinktiv immer Recht.
Wenn man Pläne macht, dann fällt das Schicksal lachend vom Stuhl. Oh ja. Es kommt meistens anders als man denkt. Aber ganz am Ende ergibt oft vieles einen Sinn.
Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Ein Geschichte von dem wohl mutigsten Tiger den ich kenne.
Dieser Junge, von dem ich erzählen möchte, heißt Moritz. Aber eigentlich war er für alle von Anfang an Momo. Diesen Spitznamen hatte er schon weg, da war er noch nicht mal auf der Welt. Seine Schwester Emma war damals erst 2 Jahre alt und konnte Moritz noch nicht aussprechen. Und so hatte Momo schnell seinen Namen weg.
Momo war von Anfang an ein besonderes Kind. Schon im Mutterleib war nichts so, wie man es erwartet hatte. Das Ersttrimesterscreening war damals auffällig und somit wurden wir zur Fruchtwasseruntersuchung nach Münster geschickt. Die Ergebnisse waren nicht wirklich zufriedenstellend. Es wurde zwar Trisomie 21 und Co ausgeschlossen, allerdings sagten die Ärzte damals, dass dennoch "etwas nicht so ist wie normalerweise". Sei es ein Gendefekt oder sowas in der Art. Aber was es schlussendlich ist, konnte uns zu diesem Zeitpunkt niemand sagen. Wir hätten noch unendlich viele Untersuchungen machen können um noch mehr darüber heraus zu finden. Aber diese ganzen Untersuchungen sind natürlich immer mit einem Risiko verbunden.
Und irgendwann muss man überlegen, wofür man das alles macht. Ob man aufgrund der Ergebnisse eine Entscheidung treffen würde oder ob diese Entscheidung schon längst feststand. Für uns war es klar. Wir wollten dieses Kind. Wir liebten dieses Kind. Und wir würden im Leben nicht daran denken es abzutreiben, wenn wir erfahren hätten, dass es eine Behinderung hat. Somit war dieses Thema für uns durch. Wir haben auf sämtliche Untersuchungen verzichtet und warteten auf den Tag X. Auf den Tag der Geburt. Und auch diese war so ganz anders als bei seiner Schwester. Wie hätte man vorher wissen sollen, dass "solch besondere Kinder" fast immer gleich auf die Welt kommen, wie ich später durch viel Literatur erfahren habe. Momo kam nach 33 Stunden heftigen Wehen völlig still auf die Welt. Wir lagen die erste halbe Stunde ( gefühlt waren es Stunden ) einfach nur da und schauten uns an. Und es lag etwas besonderes in der Luft. Dass die Schwestern immer wieder Momo auf den Po klopften und ihn dazu animierten zu schreien, blendete ich komplett aus. Er war ruhig und still und lag einfach nur da. Wir waren heilfroh, dass er gesund war und alles andere erschien uns nicht mehr wichtig. Wir hatten uns und das war das Wichtigste.
Die nächsten zwei Jahre waren so, wie man es sich vorstellt. Wir wuchsen als Familie zusammen. Emmi war so stolz und hat sich ganz liebevoll um ihn gekümmert. Natürlich haben sie sich auch oft gefetzt, aber das ist bei Geschwistern ja ganz normal.
Im August 2017 bin ich an Borelliose erkrankt. Das ist eine Erkrankung die durch einen Zeckenbiss ausgelöst wird. Ich habe dadurch eine beidseitige Gesichtslähmung bekommen und war ganze 8 Wochen im Krankenhaus. Das war eine schwere Zeit. Ich habe die Kinder kaum gesehen, da ich aussah wie geistig behindert und die Kinder damit schwer umgehen konnten.
Ich konnte weder richtig sprechen noch die kleinste Mimik in meinem Gesicht zeigen. Als sie mich das erste Mal wieder sahen, hat man den Schock in ihren Gesichtern gesehen. Emmi, meine Tochter, hatte sich relativ schnell daran gewöhnt. Für Momo war es schwieriger. Gut..er war auch jünger, aber er konnte nicht so gut damit umgehen. Er hat die ganze Zeit versucht mich zum Lachen zu bringen und ich habe auch laut losgelacht. Nur mit meinem Gesicht konnte ich es nicht zeigen. Es hat mir das Herz gebrochen. Daran habe ich heute noch zu knabbern.
Als ich entlassen wurde, ging relativ schnell die Reha los und mein Gesicht nahm nach und nach wieder Form an. Der "normale Alltag" konnte wieder los gehen.
Allerdings hielt diese Normalität nicht lange an.
Im November erfuhr ich dann, dass mein Mann es mit der Treue seit 2 Jahren nicht so genau nimmt. Meine ganze Welt ist zusammen gebrochen. Ich bin froh, dass ich das alles auch erst jetzt aufschreibe, denn sonst würde dieser Part wahrscheinlich böse ausarten. Aber das ist Vergangenheit und sowas von unwichtig geworden.
2 Wochen später änderte sich unser aller Leben grundlegend.
Ich war dabei mich intensiv auf Wohnungssuche zu begeben. Den Kindern sagten wir natürlich noch nichts. Es war alles zu viel, zu früh, zu erschlagend. Wie soll man den Kindern etwas so normal wie möglich erklären, wenn man es selbst noch nicht versteht? Und wo noch so unendlich viel Wut und Enttäuschung und Traurigkeit hinter steht? Das wäre nicht fair.
the best vieiw comes after tthe hardest climb (pinterest)
Momo klagte zu dem Zeitpunkt des öfteren über Beinschmerzen. Er aß seit einiger Zeit schon nicht mehr richtig..was für Momo wirklich sehr ungewöhnlich war, weil er immer ein Kind war, dass gerne aß. Er sah bei näherem Betrachten blass aus und irgendwie…schlapp. Er war oft weinerlich und dann wieder fröhlich. Immer wieder im Wechsel. Ich dachte, dass er vielleicht etwas ausbrütet, aber dennoch war er nicht der Gleiche seit einiger Zeit. Und dann kam der 4. Dezember 2017.
Manchmal hat man so ein Bauchgefühl… Der ganze Tag schien mir schon eigenartig vorzukommen. Und es war erst der Anfang. Momo klagte seit Wochen über Schmerzen in der Hüfte. Er konnte nicht richtig laufen. Wir waren beim Kinderarzt, wurden dann überwiesen in das Krankenhaus im Nachbarort. Hüftschnupfen hieß es. Das müsse man aussitzen. Laut der Ärzte wäre das in 10-14 Tagen gegessen. Momo ging es von Tag zu Tag schlechter. Er war nicht mehr der Gleiche. Wollte nicht mehr spielen, nicht mehr essen und war generell wahnsinnig antriebslos und schlapp. Auf den AAArrrm..das waren seine Worte. Den ganzen Tag. Nach einer Woche Schmerzmittel und keine Sicht auf Besserung (im Gegenteil..es wurde immer schlimmer) ging ich erneut zum Arzt. Wir wurden wieder in das selbe Krankenhaus geschickt. Der behandelnde