Im Himmel ess' ich Zuckerwatte. Wiebke Vahlbruch

Im Himmel ess' ich Zuckerwatte - Wiebke Vahlbruch


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Stellen etwas zu sehen wo sie von ausgingen, dass es abgestorbenes Gewebe sei. Um auf Nummer sicher zu gehen, würden sie diese Stellen gerne bestrahlen. Damit man wirklich sicher sein konnte, dass wirklich nichts mehr im Körper aktiv sein Unwesen treibt. So planten wir die „kurze“ Bestrahlung und die Zeit danach. Die Bestrahlung sollte einen Monat dauern. Und danach wäre endlich alles überstanden.

      BESTRAHLUNG

      Kurze Zeit später ging es auch schon los. Ich kann nur sagen. Die Schwestern, die Ärzte, die Anästhesisten und auch sonst jegliche Mitarbeiter dieses Hauses waren unbeschreiblich. Wir haben uns noch nie so wohl in so einer Einrichtung gefühlt wie dort. Mal abgesehen von der Klinik, in der wir sonst immer waren. Alle waren so herzlich und lieb. Das hat es einem so unglaublich leicht gemacht. Wir waren mit 20 Tagen eingeplant. 5 Tage Bestrahlung 2 Tage Pause. Momo brauchte jeden Tag eine Narkose, aber die Anästhesisten waren so unfassbar toll, dass Momo seine Angst komplett verlor und sogar den Knopf selber drückte zum schlafen. Das hat einem so viel Last genommen in dieser Zeit. Die Tage waren lang, die Nächte kurz. Momo war natürlich ausgeschlafen nach der langen Narkose. Das hieß, aufbleiben bis spät in die Nacht, morgens früh aufstehen, damit wir pünktlich sind ( mit dem Auto ist man bei dem Verkehr über eine Stunde unterwegs). Dann wieder nach Hause. Gleichzeitig noch Emmi abholen. Und so weiter und so weiter. Ich habe keine Zeit mehr für gar nichts gefunden. Nicht mal mehr zum Ausruhen. Aber das ist seit der Diagnose generell unter gegangen. Man funktioniert. Tag und Nacht. Tagsüber macht man die Therapien, hält Momos Hand, tröstet ihn, muss ihn festhalten, erträgt Wutanfälle und schlechte Laune, baut auf, motiviert, bespaßt, putzt und noch vieles mehr.und nachts führt man Buch über Pipi, wickelt, hält Spucktüten, bezieht Betten, tröstet bei Alpträumen, kümmert sich um piepende Geräte und und und. Man hat keine Zeit mehr zum Luft holen. Aber vielleicht würde man an der ganzen Luft ersticken, wenn man es Revue passieren lassen würde. Dieser ganze Stress ist vielleicht das Ventil, dass mich nicht dazu bringt zusammen zu brechen. Obwohl ich oft genug kurz davor stehe.

      Nach ein paar Tagen Bestrahlung bat mich der Arzt zu einem Gespräch. Er teilte mir mit, das sich im Kopf noch Tumorgewebe befindet, was sie auf jeden Fall mit bestrahlen müssen. Es war ein Schock. Man sagte uns doch, es wäre alles weg? Man sagte mir, dass es eventuell vorher nicht gesehen wurde und sie nicht von einem Rückfall ausgehen. Nichts desto Trotz müsse man die Stelle bestrahlen. Somit rutschten wir von 20 Bestrahlungstagen auf 31.

       …WENN MAN PLÄNE MACHT, DANN KIPPET DAS SCHICKSAL VORLACHEN VOM SEuHL….

      Als die 31 Tage endlich geschafft waren, durfte Momo die Glocke dort läuten.

      Das ist eine alte Tradition aus Amerika. Ein Kind mit einer Krebserkrankung darf nach abgeschlossener Therapie die Glocke läuten. So eine Glocke gibt es auch in unserer Klinik. Wir hatten Momo vom ersten Tag an von dieser Glocke erzählt. Es war für uns alle wie ein Ziel das wir erreichen wollten. WENN DIE GLOCKE LÄUTET IST ALLES ÜBERSTANDEN.

      Wir wussten nicht, dass es in dem Bestrahlungszentrum auch so eine Glocke gibt. Dort darf man sie nach überstandener Bestrahlung läuten. Was an sich ein wunderschöner Gedanke war. Aber der Hintergrund, dass wir Momo am Anfang erzählten, dass man die Glocke läutet, wenn man wieder gesund ist, trübte die ganze Sache ein wenig. Denn wie wir in den kommenden Wochen merkten, waren wir alles andere als am Ende unserer Therapie. Wie erklärt man einem 4 jährigen Kind, dass man trotzdem nicht am Ende ist. Auch wenn man die Glocke schon geläutet hat?

      Es war schwer für ihn zu verstehen. Auch wenn er wusste, dass in unserer Klinik auch so eine Glocke hängt.

      Als letzte Therapie stand die Antikörpertherapie auf dem Programm. Diese Art von Therapie gehört eigentlich zur Nachsorge und mit dem Gefühl bin ich auch in das Vorgespräch gegangen.

      Ich dachte, so eine Antikörpertherapie würde sich als völlig stressfrei und leicht und „schnell gemacht“ darstellen. Dem war nicht so. Ich merkte schnell, dass das Vorgespräch in eine völlig andere Richtung ging. Also nicht in die Richtung, die ich mir vorher ausmalte.

      Sie sprachen von 5 Blöcken. Ein Block beinhaltete 10 Tage Therapie. Stationär. Was mir vorher auch nicht klar war. Ich hatte irgendwann mal gehört, dass man sowas auch ambulant machen könne. Ich hatte mir vorgestellt, dass man morgens ins Krankenhaus fährt, sich sein Medikament über den Tropf holt und wieder nach Hause fährt.

      Aber im Laufe des Gespräches begriff ich, dass es sich um etwas viel intensiveres handelte. Schon alleine der erste Tag diente „nur“ der Vorbereitung. Man würde einen Haufen Medikamente bekommen. Unter anderem Morphin. Zur Vorbeugung. Da die Antikörper wahnsinnige Schmerzen machen können. Dann ein „Gegenspieler“ für Morphin, gegen Übelkeit, gegen was weiß ich. Nach diesen 10 Tagen hätte man 2 Wochen Pause und danach sollten die nächsten 10 Tage folgen. Ich war völlig fertig und dachte, dass ich das niemals schaffen würde. So eine große und aufwendige und intensive Therapie hatte ich nicht erwartet. Es war, als stünde man wieder ganz am Anfang. Aber lange Zeit für Traurigkeit hatte man nicht, denn es sollte schon bald losgehen. Also.Kopf hoch und weiter gehts.

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