Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen. Pete Hackett
Sie noch nie etwas davon gehört, dass sich beide hervorragend beeinflussen lassen?"
4
Nach dem Essen brachte David Sally zurück zu ihren Arbeitsplatz bei Jackson & Graves. Sie waren zu spät dran und Sally wusste das.
Aber sie hatte David nicht gedrängt. Es war einfach schön mit ihm zusammen zu sein und da hatte sie sich zeitlich etwas treiben lassen.
Und das, obwohl es ihr ansonsten eigentlich überhaupt nicht ähnlich sah.
"Ich fahre Montag hinaus zu Ihrer Tante, David", sagte sie, nachdem sie aus dem Cabriolet ausgestiegen war. Er hatte den Wagen ebenfalls verlassen und trat zu ihr.
"Dann werde ich auch da sein", erklärte er.
"Ich muss jetzt gehen, David..."
"Einen Moment noch. Ich muss Ihnen noch etwas sagen."
"Ist dazu nicht Montag noch Zeit genug?"
"Es geht um meine Tante. Ich möchte einfach nur, dass Sie sich nicht allzu sehr wundern."
Sally stutzte und sah ihn erstaunt an. "Worüber denn?"
"Wissen Sie, Tante Dorothy ist seit dem Tod ihres Mannes ziemlich wunderlich geworden. Das hat sie aus der Bahn geworfen. Sie beschäftigt sich mit Okkultismus, mit Parapsychologie und all solchen Dingen... Manchmal redet mit sie mit sich selbst. Naja, Sie werden Sie ja kennenlernen."
"Ja."
"Sie ist nicht geisteskrank oder so. Eben nur wunderlich - obwohl die Grenzen da wahrscheinlich fließend sind. Zum Beispiel verlässt Sie Carson Manor so gut wie nicht mehr. Deswegen musste ich auch bei Ihnen vorbeischauen. Aber dadurch habe ich Sie kennengelernt, weswegen ich ihr deswegen unmöglich böse sein kann!" Er lächelte. "Ich weiß nicht, wann ich am Montag da sein werde. Es könnte sein, dass Tante Dorothy auf Sie etwas abweisend wirkt. Sie meint das nicht so..."
"Ich werde es nicht so ernst nehmen", versprach Sally.
Ehe sie sich versah hatte er ihr einen vorsichtigen, flüchtigen Kuss gegeben. "Ich freue mich darauf, Sie wiederzusehen, Sally!"
Damit ließ er sie stehen und stieg in das Cabriolet.
Sie war völlig perplex und hatte weiche Knie, obwohl sie sonst eigentlich so leicht nichts aus der Fassung bringen konnte. Sie sah ihm nach, wie der Wangen herumlenkte und ihr noch einmal zuwinkte.
Sie stand noch da, als er bereits um die nächste Ecke gefahren war und sie ihn überhaupt nicht mehr sehen konnte.
5
Am nächsten Tag rief er sie am Abend an. Sie kam erst ziemlich spät nach Hause in ihre zwei Zimmer Wohnung in einer vornehmen Wohngegend am Rande von Southampton. Irgendwie musste er ihre Privatnummer herausgefunden haben.
"Ich wollte mich nur erkundigen, wie es Ihnen geht", erklärte er.
"Das ist nett von Ihnen, David", erwiderte sie, sichtlich überrascht, während sie aus ihren hochhackigen Pumps schlüpfte und sich mit dem Telefon in der Hand auf die Couch legte.
"Haben Sie am Wochenende bereits etwas vor, Sally?"
"Leider, ja. Ich muss rauf nach Schottland und einen Nachlass begutachten. Ich werde wohl erst Sonntagabend wieder hier sein..."
"Das ist schade."
"Ich bedaure das auch, David."
"Wirklich?"
"Ja, wirklich."
"Dieser Mister Jackson, für den Sie arbeiten, muss ein Unmensch sein, dass er Ihnen nicht einmal den Sonntag gönnt!"
"Zum Glück ist das ja nicht immer der Fall!"
Sie seufzte und hörte ihn dann sagen: "Schlafen Sie gut, Sally."
6
Es war Montag Nachmittag, als Sally zum Landsitz von Dorothy Carson aufbrach. Sie hatte die Wegbeschreibung von David dabei und orientierte sich daran. Solange sie sich auf den gut ausgebauten Hauptstraßen befand, war das keine Schwierigkeit.
Aber dann kamen immer kleinere Straßen und schließlich war sie sich nicht mehr sicher, ob sie noch dem richtigen Weg war.
Die Straße, die sie fuhr kaum mehr als ein asphaltierter Feldweg. Und wenn ihr ein Fahrzeug entgegenkommen würde, so musste einer von beiden in den morastigen Rand hineinfahren.
Aber im Augenblick waren weit und breit keinerlei Fahrzeuge zu sehen. Die Landschaft wurde durch sanfte, grasbewachsene Hügel bestimmt, dazwischen immer wieder kleinere Wäldchen und ab und zu ein Haus oder Gehöft. Auf den Wiesen weideten Rinder und Schafe. Die gute Mrs Carson schien in der Tat äußerst zurückgezogen zu leben. Sally konnte es sich kaum vorstellen, für längere Zeit in einer solchen Umgebung zu leben. Sie brauchte das pulsierende Leben einer größeren Stadt. Und schon ihr Wechsel von London in das vergleichbar provinzielle Southampton war ihr nicht leichtgefallen. Sie sah auf die Uhr. Halb drei. Der Landkarte nach, die Sally ebenfalls dabei hatte, konnte es nicht mehr weit bis zum Landsitz der Carsons sein. Allenfalls noch ein paar Meilen. Aber auf diesen schmalen Wegen kam man nicht sonderlich schnell voran, so dass es kaum abzuschätzen war, wie lange sie noch brauchen würde. Sally war müde. Das fehlende Wochenende und der Trip nach Schottland steckten ihr noch in den Knochen. Aber der Gedanke daran, auf Carson Manor vielleicht David wiederzusehen, hielt ihre Lebensgeister wach.
David...
Immer wieder kreisten ihre Gedanken um diesen sympathischen jungen Mann. Sein Gesicht stand vor ihrem inneren Auge, im Traum hörte sie seine angenehm und ruhig klingende Stimme...
Scheint ganz so, als hättest du dich ernsthaft verliebt!, sagte sie zu sich selbst, obgleich sie etwas zögerte, sich das selbst einzugestehen. In den letzten Jahren hatte sie für ihr Privatleben nicht viel Zeit gehabt, sondern ihre ganze Kraft darauf verwandt, es in ihrem Beruf zu etwas zu bringen. Und dieser Beruf, der Umgang mit alten Büchern und Möbeln, faszinierte sie auch heute noch wie am ersten Tag. Ein Geräusch von unangenehmem Klang riss Sally aus ihren Gedanken. Das Geräusch kam vom Motor ihres Sportcoupes. Dann puffte es mehrfach und und sie merkte im nächsten Moment, wie der Wagen langsamer wurde. Der Motor ging aus. Sally konnte das Coupe gerade noch an den Straßenrand lenken. Schließlich war ja nicht gänzlich auszuschließen, dass hier doch mal jemand vorbeifuhr... Sally atmete tief durch. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Eine Wagenpanne...
Sie war eine begabte junge Frau, die stets zu den besten ihres Jahrgangs gehört hatte - aber von Autos verstand sie kaum etwas. Es genügte ihr, auf das Gaspedal zu treten und einigermaßen sicher sein zu können, dass sich das Gefährt dann vorwärts bewegte. Mehr verlangte sie von einem Auto nicht.
Sie schaute auf die Tankanzeige, ob sie vielleicht keinen Treibstoff mehr hatte. Aber daran konnte es nicht liegen, dass sie jetzt in dieser Einöde gestrandet war.
"So ein Mist!", schimpfte sie, jegliche Contenance vergessend. Aber hier konnte sie ja niemand hören. Keiner ihrer vornehmen Kunden war in Hörweite...
Sally stieg aus und öffnete die Motorhaube.
Aber das brachte ihr auch keine neuen Erkenntnisse. Der Motor, das war für sie ein einziges, unübersichtliches Durcheinander. Was da möglicherweise nicht stimmte, konnte sie nicht sehen. Bis ich hier wegkomme, kann eine Ewigkeit vergehen, wurde es ihr klar. Sie ging wieder zur Wagentür, langte auf den Beifahrersitz und nahm ihre Handtasche. Sie holte ein Funktelefon aus der Tasche heraus. Das hatte sie immer bei sich, denn sie musste ständig erreichbar sein. Erst rief sie die Auskunft an und erkundigte sich nach der Nummer des nächsten Abschleppdienstes. Als sie dann den Mechaniker der nächsten Werkstatt am Apparat hatte, hatte Sally einige Mühe ihm zu erklären, wo sie sich befand. Und selbst, als der Mann am anderen Ende der Leitung schließlich ein launiges "Ich verstehe!", von sich gab, war sie sich keineswegs hundertprozentig sicher, ob er sie wirklich