Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen. Pete Hackett

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Sally. "Ich habe einen Termin und müsste eigentlich schon ganz woanders sein. Und außerdem..."

      "Tut mir leid, Miss..."

      "Rogers."

      "Miss Rogers, wir haben im Augenblick mit einem Unfall auf der Schnellstraße zu tun. Es kann etwas dauern. Aber sobald wir einen Wagen frei haben, kommt jemand vorbei. In Ordnung?"

      Sally atmete tief durch.

      Welche Wahl hatte sie schon. Sollte sie vielleicht sagen, dass es nicht in Ordnung war?

      "Gut", sagte sie also.

      Die Aussicht darauf, hier noch ein, zwei Stunden festzusitzen freute sie überhaupt nicht. Sie versuchte bei Mrs Carson anzurufen, um ihre Verspätung anzukündigen. Und vielleicht konnte sie auch auch von dort jemand abholen. Auch wenn Mrs Carson, so wie David gesagt hatte, das Anwesen nicht verließ - vielleicht gab es Hausangestellte.

      Oder David war dort. Aber sie bekam keinen Kontakt. Der Akku ihres Funktelefons meldete sich unmissverständlich mit einem Piepton zu Wort, der sogar den leichten Wind übertönte, der über die Hügel strich. Ein Unglück kam eben selten allein.

      Ich hätte das Ding gestern wieder aufladen müssen!, wurde es Sally klar. Während ihrer Fahrt nach Schottland hatte sie viel telefonieren müssen. Kein Wunder, dass der Akku jetzt leer war. Sie konnte von Glück sagen, wenigstens den Abschleppdienst noch erreicht zu haben - denn zu Fuß über feuchte Kuhwiesen bis zum nächsten Hof zu laufen, das war nun wirklich nicht Sallys Fall. Sally zuckte die Achseln. Sieh es locker!, sagte sie zu sich selbst. Es war ja ohnehin offenbar nicht zu ändern. Warum sich also weiter darüber ärgern? Ein krächzender Schrei ließ sie kurz herumfahren. Es war eine einzelne Krähe, die da herangeflogen kam und im Gleitflug über sie hinwegschoss. Irgendwie hatte Sally für sich entschieden, dass sie diese Vögel nicht mochte... Sie setzte sich wieder ans Steuer ihres Wagens und lehnte sich zurück. Erst dachte sie daran, das Radio anzumachen, aber sie wollte am Ende nicht auch noch mit leerer Batterie dastehen. Also ließ sie es. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie wirklich war und hörte sich selbst Gähnen. Sie kurbelte das Fenster herunter und fuhr sich mit der flachen Hand über das Gesicht.

      7

      Ein furchtbarer, markerschütternder Schrei ließ Sally hochfahren. Noch nie zuvor hatte Sally einen solchen Schrei gehört. Undeutlich kam ihr ins Bewusstsein, dass sie offenbar eingenickt sein musste. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Ein weiterer dieser grauenerregenden Schreie ertönte und Sally riss die Augen auf. Etwas Schwarzes flog mit schlagenden Schwingen auf die Frontscheibe ihres Wagens zu. Es war eine Krähe, deren Krächzen allerdings in dem schrillen Schrei unterging, der unwillkürlich über Sallys Lippen ging. Reflexartig nahm sie die Arme vor das Gesicht, obwohl das natürlich Unsinn war. Schließlich schützte sie ja die Windschutzscheibe. Die Krähe zog ihre Flugbahn nach oben und schnellte über das Coupe hinweg. Aber diesem Vogel folgten noch weitere. Sally sah durch ihre gespreizten Finger hindurch einen ganzen Schwarm auf das Coupe zufliegen. Die Luft war erfüllt von krächzenden Lauten und dem Schlagen dunkler Flügel.

      Es war gespenstisch.

      Wie in einem grausamen Alptraum.

      Dicht neben sich nahm Sally undeutlich eine Bewegung war.

      Sie drehte sich zur Seite. Das Fenster, fiel es ihr siedend heiß ein. Das Fenster war noch offen und eines der Vogelbestien wäre um ein Haar ins Innere des Wagens gelangt. Sally schrie und schlug um sich. Sie fühlte die Berührung schlagender Flügel. Mit hastigen Bewegungen drehte sie die Seitenscheibe ihres Coupes hoch. Einen Augenblick später konnte sie dann einigermaßen aufatmen.

      Fürs erste schien sie sicher. Schier fassungslos sah Sally hinaus auf den riesigen Krähenschwarm. Die Vögel waren überall.

      Vielleicht waren es hunderte, möglicherweise auch tausende, die sich wie auf ein geheimes Kommando hin auf einen bestimmten Punkt gestürzt zu haben schienen...

      Mein Gott, dachte Sally und bemerkte, dass sie zitterte.

      Einige der Krähen saßen auf der Motorhaube ihres Wagens.

      Kalte, dunkle Vogelaugen sahen sie mit unmenschlicher Gelassenheit an. Undeutbare Blicke schienen sie zu mustern.

      Die Vögel flogen wieder davon und machten einigen ihrer zahlreichen Artgenossen Platz.

      So etwas gibt es nicht!, durchfuhr es Sally. Vögel, die Menschen angreifen, das war der Stoff aus dem Gruselfilme waren. Aber dies war die Wirklichkeit!

      Sie fühlte, wie sich jedes einzelne ihrer Nackenhaare aufgerichtet hatte.

      Ein Klopfen drang an ihr Ohr und ließ sie zusammenzucken.

      Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, was es war - und die Erkenntnis wirkte keineswegs beruhigend auf sie. Einige der Krähen schien auf dem Dach des Coupes herumzulaufen...

      Sally fragte sich, was die Tiere beabsichtigten.

      Denn dass sie planvoll handelten, das schien ihr eindeutig zu sein. Wie ein einziger großer Organismus, so hatte der Schwarm bei seinem Angriff gewirkt. Ein grauenerregender tierischer Schrei hob sich aus dem Geräusch der Vögel heraus. Sally wusste nicht, wodurch dieser verursacht war, aber es klang einfach furchtbar. Der Todesschrei einer gequälten Kreatur...

      8

      Sally hatte keine Ahnung wie viel Zeit seit dem Angriff der Vögel vergangen war. Sie saß starr und regungslos hinter dem Lenkrad und irgendwann war dann der ganze Spuk zu Ende. Immer größere Gruppen von Krähen erhoben sich in die Lüfte und flogen davon, bis keine mehr übrigblieben. Eine Weile noch blieb sie danach auf ihrem Platz sitzen, bevor sie es endlich wagte, die Wagentür zu öffnen und hinaus ins Freie zu treten. Ihre Knie waren weich und sie hoffte nichts sehnlicher, als dass endlich der Abschleppwagen auftauchen würde und sie diesen furchtbaren Ort verlassen konnte. Ihr Blick ging zum Horizont, wo ein Teil der Vögel als dunkler Schwarm am Himmel stand. Aus der Ferne wirkten sie wie ein einziges, düsteres Wesen, das wie ein furchtbarer Schatten durch die Luft geflogen kam. Von der anderen Seite her hörte sie das Getrappel galoppierender Hufe. Sie drehte sich herum und sah einen Reiter auf einem Apfelschimmel herannahen.

      Endlich!, dachte sie.

      Wer immer das auch sein mochte, sie würde nicht mehr allein sein. Sie ging ein paar Schritte, dann blickte sie die blumenbewachsene Böschung hinab, die sich ungefähr zwei oder drei Meter neben der Straße befand. Auf der Wiese, halb durch einen Busch verdeckt lag etwas Helles, Blutiges.

      Sally stockte der Atem, als sie es sah.

      Es waren die Überreste eines toten Lamms.

      Offenbar hat der Angriff doch nicht mir gegolten, ging es Sally durch den Kopf und das erleichterte sie irgendwie.

      Der Gedanke daran, dass harmlose Vögel sich in mordlüsterne Bestien verwandelten, die Menschen angriffen, war einfach zu absurd. Aber auch dies erschien ihr seltsam genug.

      Sally war keine Vogelkundlerin, aber bislang hatte sie noch nie davon gehört, dass Krähen kleinere Tiere angriffen! Daran, dass die Vögel vielleicht nur deshalb das Lamm angegriffen hatten, weil sie Sally nichts anhaben konnten, mochte sie gar nicht denken.

      Inzwischen war der Reiter heran und zügelte sein Pferd.

      "Guten Tag, Ma'am", sagte eine feste, sehr sicher wirkende Stimme. Sally löste sich von dem Anblick des Lamms und blickte in das Gesicht eines Mannes, der wie das Musterbild eines englischen Landadligen aussah. Sein Alter mochte irgendwo zwischen dreißig und vierzig liegen. Es war einfach unmöglich, es genau zu schätzen. Er trug einen dunklen und sehr schmalen Oberlippenbart. Seine Augen waren braun und wirkten sehr aufmerksam. Das Jackett und die Mütze, die er auf dem Kopf trug, waren aus grobem Tweedstoff. Er stieg aus dem Sattel und die elegante Art und Weise wie er das machte, verriet den geübten Reiter. Er deutete auf das Lamm. "Sie sehen ja ganz bleich aus, aber seien Sie nicht zu sehr erschreckt, Ma'am..."

      "Was?"


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