Zu neugierige Mörder: 9 Krimis. Karl Plepelits
hatte.
Von nun an musste sich Bount Reiniger darauf verlassen, dass das Glück bei ihm etwas nachzuholen hatte. Er zog sich an dem Fenster hoch und schloss sekundenlang die Augen, um sich an das Halbdunkel in dem Raum zu gewöhnen.
Die Hütte schien als eine Art Vorratsraum zu dienen. Für die Beduinen mochte sie unersetzliche Schätze enthalten. Wahrscheinlich wurde sie aus diesem Grunde und nicht wegen des Goldes so streng bewacht. Wüssten die Araber etwas von dem Schatz, würden sie ihn sich vermutlich selbst aneignen. Wie war es Jil Fernay gelungen, die einfachen Männer zu täuschen?
Bevor Bount ins Innere sprang, hielt er argwöhnisch nach einer Sprengladung Ausschau. Dass er keine entdeckte, musste noch lange nicht bedeuten, dass keine vorhanden war. Vielleicht war er in der nächsten Sekunde schon tot.
Dann wagte er den Sprung.
Es blieb alles ruhig.
Er atmete auf und begann mit der Suche. Angeblich sollte es sich um eine ziemlich große, längliche Kiste handeln, in der Fernay das geraubte Gold versteckt hatte.
Von dieser Art gab es nur eine einzige in dem Raum. Sie stand an der gegenüberliegenden Wand unter dem zweiten Fenster. Ein Lichtviereck fiel auf sie.
Bount Reiniger musste sich den Weg zwischen verschiedenen Säcken und ähnlichen Behältern hindurch bahnen. Er ließ die Vorsicht nicht außer acht und rechnete jeden Moment damit, in die Luft zu fliegen.
Den Gangstern, die auf ihn warteten, sowie Linda und Bob ging es vermutlich nicht anders. Und darauf baute Bount Reiniger seinen bescheidenen Plan. Bark Fernay durfte keinesfalls auf den Gedanken kommen, er könnte das Gold auch ohne seine Hilfe holen.
Jetzt stand er neben der Kiste. Sie war zugenagelt.
Bount sah sich nach einem geeigneten Werkzeug um, fand aber lediglich einen riesigen Nagel, den er als Stemmeisen benutzte.
Nach wenigen Augenblicken gab der Deckel knirschend nach. Ein unangenehmer Geruch schlug dem Detektiv entgegen. Angeblich sollte ja Geld nicht stinken. Mit Gold schien sich das anders zu verhalten.
Er hielt den Atem an, und bevor er den Deckel gänzlich anhob, vergewisserte er sich in Richtung der Fenster und des Einganges, dass er nicht gestört wurde. Draußen war noch alles still.
Nun schob er den Deckel zurück und zuckte unwillkürlich zusammen. Er hatte es mit einem Sarg zu tun. Eine leblose Hand fiel ihm entgegen.
22
Bount Reiniger behielt die Nerven.
Bei dem Toten handelte es sich um einen durchaus nicht ärmlich gekleideten Araber, den vermutlich Jil Fernay auf dem Gewissen hatte. Wahrscheinlich hatte er ihn während seiner langen Flucht vor dem Gesetz ermordet und hierher geschafft. Wenn die Beduinen wussten, dass die Kiste einen Leichnam enthielt, war es kein Wunder, dass sie sich ihr nicht näherten.
Der Mann war schon ziemlich in Verwesung übergegangen. Sein Schädel wies zwei Einschusslöcher auf. Der Fall war ziemlich klar.
Doch wo befand sich das Gold?
Bount Reiniger bezwang seinen Ekel und schob seine Hand unter den Toten.
Er brauchte nicht lange zu suchen. Das Gold war in kleinen Säckchen untergebracht. Insgesamt fand Bount sechzehn Stück.
Er steckte eins zu sich. Die anderen trug er unter das Fenster, durch das er eingestiegen war.
Nun zog er sich in die Höhe und sah, dass der niedergeschlagene Araber eben wieder zu sich kam. Er starrte ihm genau in die Augen und wollte schreien, was der Fetzen in seinem Mund aber verhinderte.
Außer diesem einen war auf dieser Seite niemand zu sehen.
Bount holte die Handgranate aus der Tasche und riss den Zünder. Er warf sie sofort aus dem Fenster, und zwar, so weit er konnte, denn er wollte niemanden verletzen.
Die Detonation war beachtlich. Dass sie nicht in der Hütte stattfand, sondern ein Stück dahinter, fiel den Gangstern kaum auf. Sie mussten der Meinung sein, dass Bount eine der von Jil Fernay gelegten Sprengladungen ausgelöst hatte.
Augenblicklich ertönte ein ohrenbetäubendes Geschrei, in das sich auch das Kreischen der Kamele mischte, die das Durcheinander, das sich der Detektiv lebhaft vorstellen konnte, komplettierten.
Bount Reiniger hatte noch eine Kleinigkeit zu tun. Er suchte sich einen Holzsplitter und schrammte sich damit so heftig über den Handrücken, dass er blutete. Das Blut schmierte er sich ins Gesicht und fügte noch eine gehörige Portion Dreck hinzu. Er riss sich seine Jacke in Fetzen und opferte auch ein Hosenbein.
Als er nun scheinbar benommen aus der Hütte wankte, sah er ziemlich stilecht zerschunden aus. Wenn die Gangster allerdings auf den Bluff nicht hereinfielen, war er geliefert.
Auf den ersten Blick erkannte Bount Reiniger, dass sich sämtliche Araber aus dem Staub gemacht hatten. Die Explosion hatte solches Entsetzen bei ihnen hervorgerufen, dass sie ihr Heil in der Flucht suchten.
Bark Fernay und seine Meute war weniger schreckhaft. Sie waren darauf gefasst gewesen. Etwaige Zweifel, die sie bis jetzt gehegt haben mochten, waren durch den Trick zweifellos zerstreut.
Fernay sah dem Detektiv erwartungsvoll entgegen.
„Glück gehabt, wie?“, grölte er. „Mein Bruder war also tatsächlich nicht so blöd, wie ich angenommen hatte.“ Gierig fügte er hinzu: „Hast du das Gold?“
Bount keuchte mehr, als nötig gewesen wäre. Er gab auch gegenüber Linda Rogers und Bob Randy nicht zu erkennen, dass er lediglich eine Komödie spielte, damit sie ihn nicht unbeabsichtigt verrieten.
„Ob es Gold ist, weiß ich nicht“, ächzte er und warf dem Gangster den Beutel zu. „Hatte keine Zeit nachzusehen.“
Bark Fernay riss das Band hastig auf und schüttete etwas von dem Inhalt auf seine flache Hand.
„Gold!“, krächzte er verzückt.
„Gold! Gold!“, schrien auch Boiler, Jeff und Hugh.
In diesem Augenblick hätte Bount einen Angriff mit seinem erbeuteten Tranter-Revolver riskieren können, doch er wollte Linda und Bob hundertprozentig in Sicherheit wissen.
„Ich habe meinen Teil der Vereinbarung erfüllt, Fernay“, sagte er schwer atmend. „Nochmal bringen mich keine zehn Kamele dort hinein.“
„Typischer Fall von daneben geraten“, sagte Fernay. „Du holst uns jetzt auch noch das andere Zeug. Das hier ist erst ein kleiner Teil.“
Bount tat entsetzt. Dann senkte er die Stimme. „Also gut! Es war ja so ausgemacht. Aber erst fahren Miss Rogers und Mister Randy von hier fort.“
Boiler machte zwar ein enttäuschtes Gesicht, doch Bark Fernay entschied, dass sie die beiden nicht mehr brauchten.
„Reiniger hat uns tatsächlich an die richtige Stelle geführt. Lasst die beiden laufen. Wenn sie Pech haben, werden sie von den Arabern gelyncht.“
Überraschenderweise wollten nun weder das Mädchen noch der Geologe Bount Reiniger im Stich lassen. Der Detektiv musste sie regelrecht zwingen, endlich in den Jeep zu steigen und sich in Sicherheit zu bringen.
„Das vergessen wir Ihnen nie, Mister Reiniger“, sagte Bob Randy zum Abschied. „Ich habe Ihnen Unrecht getan. Ich hoffe, Sie können mir verzeihen.“
„Der verzeiht dir jetzt alles“, johlte Jeff und wartete ungeduldig darauf, dass sie endlich auch das übrige Gold in den Händen hatten.
Linda Rogers drückte Bount lange die Hand. Dann gab sie ihm plötzlich einen Kuss und flüsterte ihm zu: „Wenn ich nicht genau wüsste, dass Sie das ausgekochteste, aber bewundernswerteste Schlitzohr zwischen dem Staate New York und Saudi-Arabien sind, würde ich es nicht fertigbringen, Sie alleinzulassen. Viel Glück, Bount!“
„Keine