Als Erinnerung noch Realität war!. Harry H.Clever
ständig improvisiert werden. Deshalb konnte man auch in den ersten Wochen gleich feststellen wer ein Einheimischer oder ein Evakuierter war, denn sie bildeten schon einen fast exotischen Anblick in ihren städtischen und auch provisorischen Bekleidungen.
Denn kaum einer hatte die dort übliche und nötige Bekleidung, jeder war froh, dass er überhaupt etwas zum Anziehen hatte, da musste eine Jacke oder Mantel von mehreren Altersstufen hinter einander getragen werden. So wurde manche unschöne Situation hingenommen und in paradoxer Weise fast schon als doch hilfreich und nötig angesehen. Weil man ja in erster Linie etwas zu Essen und ein Dach über dem Kopf brauchte und der Rest war im Moment völlig egal und nebensächlich.
Auch wenn von diversen Personen einem das sowieso schon schwere Leben nicht gerade leichter gemacht wurde, so war man doch wiederrum sehr froh das man erstmal ein heiles Dach über dem Kopf und etwas zu Essen hatte.
An oberster Stelle stand somit über lange Zeit die persönliche Unversehrtheit, da waren offensichtliche Mangelernährung und einer Person nicht zugehörige Bekleidung keine besonders aufregende Angelegenheit.
Was aber auch Augenfällig, besonders hier im ländlichen Bereichen war, auf den Straßen waren überwiegend nur ältere Menschen zusehen, junge Frauen oder jugendliche Mädchen sah man nur sehr selten, wenn überhaupt dann nur in der Begleitung von älteren Personen, so gehörte der ländliche Außenbereich fast gänzlich den Knaben im Kindesalter.
Die Begriffe männliche oder weibliche Garderobe war zudem über eine längere Zeit überhaupt kein Thema, nur eins war wichtig, Hauptsache ganz und warm.
Da standen irgendwelche persönlichen Befindlichkeiten automatisch total hinten an, was aber dann auch von einigen zu jeder Zeit in den verschiedensten Versionen schamlos ausgenutzt wurde. Alleine schon aus diesem Grunde war es schon von weitem ersichtlich zu welcher Bevölkerungsgruppe ein Mensch der einem begegnete, gehörte.
In den Städten war es fast immer ein deutlich sichtbarer Judasstern auf der Brust, hier auf dem Land war es eben eine nicht angepasste Garderobe, die den persönlichen Status schon deutlich nach Außen deklarierte.
Was und Wo ist zu Hause oder Daheim?
Das sind im Grunde zwei Begriffe die doch eigentlich das gleiche ausdrücken, zu Hause ist aber doch eigentlich mehr das Dach, unter dem man wohnt und sich sicher fühlt.
Aber Daheim ist doch mehr eine innere, fast undefinierbare Gefühlsache, eben da wo man sich richtig geborgen fühlt, wo man hingehört und gefühlsmäßig auch wiederum seine angestammte Heimat hat, diese Begriffe sind für ein kleines Kind sehr wichtige Lebenskomponenten, auch wenn es sie noch nicht einmal erklären könnte.
Doch viel zu oft traf vor allem auch später über viele Jahre dann doch keiner der Begriffe so richtig zu, denn da wo man sich sicher fühlte war man nicht unbedingt auch zu Hause. Denn wenn man ständig wo anders wohnt und sich jedes Mal in völlig fremde Gefilde, Menschen und Gepflogenheiten neu eingliedern muss, bekommt man wohl kaum ein Gefühl für den Begriff Heimat und Zuhause.
Denn nicht immer war der Ort oder die Leute geeignet für lange Zeit ein einigermaßen vernünftiges und geordnetes Leben führen zu können, man spürte immer und überall, man war eben nur auf unbestimmte Zeit, wenn überhaupt, geduldet.
Ein kleiner heranwachsender Mensch benötigt eigentlich aber unbedingt genau dieses nicht verhandelbares Gefühl der wirklich verlässlichen Geborgenheit und Zugehörigkeit, eben das Zuhause, wenn das komplett fehlt bekommt der Begriff des Entwurzelt sein, erst seine völlige Bedeutung.
Wie eine Kreatur sein Nest oder seine Höhle als ein absolut sicheres Refugium mit seinen Eltern zusammen fühlt und betrachtet, genauso empfindet ja auch ein Mensch, besonders in den ersten Kinderjahren sein zu Hause. Dass dieses Gefühl viele Jahre aber nicht gegeben war, hat Harry in seiner frühen Kindheit nicht direkt besonders gestört, aber etwas später doch, es hat irgendwie immer schmerzhaft gefehlt und zudem ihn auch nicht unwesentlich auf sehr lange Zeit geprägt.
Denn es war für ihn über lange Zeit doch recht abenteuerlich, da fast ja täglich irgendetwas Neues unbekanntes passierte, man war daher schon unbewusst stets auch auf der Suche nach etwas Neuem und wurde eigentlich doch nie so richtig sesshaft, auch noch viele Jahre später nicht.
Zudem war es eine lange Zeit ganz normal, mal hier und mal da zu wohnen ohne zu wissen wie lange dauert es nun dieses Mal, Hauptsache war stets für uns ein Dach über dem Kopf zu haben, es waren daher wesentlich mehr Orte als vergangene Jahreszahlen.
Heimat war daher nur ein Wort ohne größere Bedeutung, das war für mich nur eine Frage die sehr lange Zeit im Grunde auch unbeantwortet blieb, denn immer wieder mal hieß es auf´ s Neue, hier sind wir jetzt zu Hause und Daheim.
Mit der Zeit war es dann auch total gleichgültig wie die Bezeichnung war, Hauptsache wir hatten neben dem Dach über dem Kopf auch etwas zu Essen. In einer solchen gewiss nicht gerade besonders schönen Zwangssituation stumpft man automatisch auch ein wenig ab und ist dann auch nicht an einer Erklärung und Deutung solcher Begrifflichkeiten direkt interessiert.
Daher blieb über viele Jahre, bis in die späteren Siebziger eigentlich die Klärung dieser Frage für den Autor auch immer unbedeutend und offen. Unbewusst war man sogar über viele Jahre hinweg stetig auf der Suche nach Neuem oder vermeintlich Besserem, denn schlechtes hatte man ja schon im Übermaß gehabt.
Wobei dann auch die Eine oder andere Entscheidung und Änderung sich im Nachhinein als nicht besonders glücklich zu bezeichnen war. Denn man hatte ja eine gewisse Beständigkeit von Grund auf ja praktisch nie richtig kennen gelernt, der einzige Beziehungspunkt war nicht irgendein Gebäude oder eine Örtlichkeit an den man sich auch noch nach Jahren erinnert und indirekt auch gebunden ist, sondern nur und vor Allem war es der direkte Bereich wo sich unsere Mutter aufhielt.
Diese schwere Hypothek für unsere Mutter wurde dem Autor auch erst viele Jahre später richtig bewusst, nachdem er mit seiner eigenen Familie so seine Probleme hatte.
War die momentane Wohnung in der wir wohnen durften dann nun auch Heimat? Das war dann doch sehr oft meist mehr ein Wunsch als die wahre Wirklichkeit und hatte lange Zeit überhaupt keinen prägenden Sinn.
Denn es war dann plötzlich doch wieder ganz anders, es war eben ein Leben in ständiger Ungewissheit und lange Zeit auf Abruf, es war praktisch das Leben aus dem Rucksack oder Koffer, es sollten einige Jahre eines in gewisser Weise geliehenen Lebens auf Abruf werden.
Keinesfalls waren diese ständigen Veränderungen immer gewollt, sondern der damaligen wirren Allgemeinsituationen geschuldet, das endgültige Ziel war über lange Zeit aber unbestritten stets auch die Rückkehr in unsere Heimatstadt.
Gott sei Dank ist es einem kleinen Jungen mit gerade mal knapp sechs Jahren nicht gegeben die Geschehnisse, vor allem die Schlechten um ihn herum in diesem Sinne zu bewerten und in ihrer Tragweite überhaupt voll zu erfassen.
So lange keine Schmerzen oder direkte unangenehme körperliche Beeinträchtigungen für ihn selbst damit verbunden waren, war eigentlich alles in diesem Moment erst einmal prima. Es zeigte sich auch später noch, nach jedem Umzug und Wechsel war eben alles neu und auch stellenweise recht abenteuerlich und aufregend für ihn, so etwas kann auf Dauer fast schon süchtig nach immer Neuem machen.
Was so alles an großen und kleinen Begebenheiten in den Kriegszeiten und danach damals geschehen war, ob nun gut oder schlecht, man nahm es eben hin wie es im Moment war, ändern ließ sich daran ja auch nichts. Im Grunde eine eher verkehrte Welt denn das was eigentlich zu einer sorglosen Kinderzeit gehörte, war wiederum doch recht selten oder auch gar nicht mehr existent. Aber alles was auch für Erwachsene schon recht unangenehm war, war da eher schon wieder alltäglich und auch im Übermaß vorhanden.
So kam es dann auch, dass man alles Geschehen, selbst das unangenehmste um einen herum als ganz normal und in jedem Falle vergänglich ansah und dass was man gar nicht erst kennen gelernt hatte, konnte man ja auch nicht entbehren. Erst viele Jahre später bei Unterhaltungen mit Altersgenossen stellt man dann erstaunt fest, dass man sehr viel mehr erlebt hatte als sie, aber sehr vieles auch wiederum noch gar nicht kennen gelernt