Prinzessin Arschloch. David Lowe

Prinzessin Arschloch - David  Lowe


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Auf Dauer will sie so nämlich nicht herumlaufen müssen. Wenigstens kennt sie hier keiner, geht es Anna durch den Kopf, während die beiden in ein noch belebteres Viertel eintauchen. Bars mit Neonreklame, schicke Restaurants und weniger schicke Kioske reihen sich aneinander. Überall stehen gut gelaunte Leute, die sich anscheinend auf ihr Wochenende freuen.

      Bei näherer Betrachtung fällt Anna auf, dass sie mit ihren Klamotten gar nicht so heraussticht, wie sie anfangs vermutet hat. Nur ihre Ponyfrisur kann sie bisher nirgendwo entdecken. Wenn sie ehrlich ist, kann sie sich Erikas Friseursalon in dieser hippen Gegend auch nicht vorstellen. Apropos Erika: Den Rabat t für den z ehnten Bes uch auf ihrer Kundenkarte wird sie jetzt wohl nicht mehr einlösen können.

      „Siehst du da drüben die lange Schlange? Da ist der Downtown Club.“ Alex klingt nun noch aufgedrehter. Anna fragt sich, ob das an der Vorfreude oder der halben Flasche Sekt liegt, die sie sich während der privaten Modenschau gegönnt hat.

      Während die beiden Freundinnen vor dem Club warten und ihnen die laute Musik entgegen dröhnt, steigt Annas Aufregung stetig. Nach einigen Minuten steht das Gespann auf einmal vor einem zwei Meter großen Muskelschrank, der sie von oben bis unten kühl mustert. Für die Fertigstellung seiner Frisur ist wohl die ganze Packung Gel drauf gegangen, denkt Anna und fängt an zu schmunzeln. Abgerundet wird sein Outfit von einem weißen Muskelshirt und einer engen Lederhose.

      Als er Alex erkennt, löst sich seine versteinerte Miene. „Hey, Zuckerbienchen, lange nicht mehr gesehen. Habe gar nicht mitbekommen, wann du gestern abgedampft bist.“

      „Kennst mich doch. Immer unterm Radar“, sagt Alex und zwinkert dem Muskelberg schelmisch zu.

      Gestern war Donnerstag, denkt sich Anna und schaut ungläubig zu Alex hinüber. „Wer ist denn deine hübsche Freundin?“, wendet sich der Türsteher nun Anna zu, die sich daraufhin interessiert umschaut, wen er wohl meinen könnte. Oh, wie peinlich – anscheinend hat er wohl sie gemeint.

      „Das ist meine alte Schulfreundin Anna. Sie ist heute in Berlin angekommen.“ Alex drückt Anna fest an sich.

      „Tja, Zuckerbiene, wenn du noch einen Platz zum „Schlafen“ brauchst, in Broncos Armen ist immer Platz für eine süße Maus wie dich.“ Und erneut mustert er Anna von oben bis unten, aber nun eher wie ein Raubtier, das sich sein nächstes Mittagessen ansieht.

      Anna wird plötzlich ganz anders. Sie weiß nicht, was sie gerade mehr anwidert: die Gänsefüßchen, die Bronco mit seinen Riesenpranken bei dem Wort „Schlafen“ gemacht hat oder der Blick, den er ihr danach zugeworfen hat. Mal ganz abgesehen davon, dass er anscheinend alle Frauen hier als Zuckerbienen betitelt.

      „Bronco, du bist unmöglich“, gibt Alex diesem darauf kopfschüttelnd zurück und zerrt Anna an ihm vorbei Richtung Eingang. Schweigend gehen die beiden eine enge Treppe hinunter und erreichen den Hauptsaal. Vor ihnen tummeln sich jede Menge cooler Leute, die losgelöst zur Musik tanzen. „So, jetzt sind wir in Sicherheit. Sorry dafür. Der Typ ist echt unmöglich“, entschuldigt sich Alex energisch. Anna, noch sichtlich verwirrt von der Begegnung der dritten Art, winkt lächelnd ab. „Idioten gibt es doch überall.“ Auch wenn sie solch ein Exemplar in freier Wildbahn noch nicht gesehen hat.

      „Auf den Schock trinken wir erst einmal einen“, schlägt Alex vor und zieht Anna hinter sich her zu einer Bar auf der anderen Seite. Hinter der Bar steht ein Regal mit diversen Flaschen in den buntesten Farben. Darunter hantieren drei gut gelaunte Barkeeper, die mit den Gästen plaudern und Behälter aus Aluminium schütteln. Alex steuert den mittleren der drei an und winkt diesem zu. Den scheint sie wohl auch zu kennen, denkt sich Anna. Schnell zupft sie Alex am Arm, bevor sie eine Bestellung abgeben kann: „Für mich nur eine Cola, bitte.“

      „Ja ja, ich weiß“, entgegnet Alex beruhigend. Kurze Zeit später steht Anna mit einer Cola an der Bar und Alex mit einem grünlichen Getränk mit Strohhalm, in dem aber kaum Alkohol sei, wie sie Anna zweimal beteuert. Nun machen sie sich auf den Weg zur Tanzfläche. Mittlerweile wird Anna lockerer. Das Tanzen tut ihr richtig gut. Einfach mal abschalten. Alex ist schon eine Wucht, stellt Anna fest und ist froh, nach Berlin gekommen zu sein. Die Zeit vergeht wie im Flug.

      Diverse Songs, Colas und grüne Getränke mit Strohhalm später verschwindet Alex angeheitert Richtung Toilette. Zehn Minuten. Fünfzehn Minuten. Keine Alex in Sicht. Ob sie unterwegs verloren gegangen ist?, fragt sich Anna besorgt. Gerade als sich Anna aufmachen möchte, um nachzusehen, was auf zehn Metern Weg passiert sein kann, erscheint Alex wieder auf der Tanzfläche. Doch nicht allein! An ihrer Seite klebt ein 1,70 Meter großer, hagerer junger Fast-Mann, der wie ein vielversprechender „Jugend Forscht“-Teilnehmer wirkt. Seine Hornbrille ist leicht verrutscht und das, was in seinem Gesicht an Flaum vorhanden ist, soll wohl mal ein Bart werden. Gekrönt wird das Gesamtkunstwerk durch zu hoch gezogene Hosenträger. Kurz gefasst: Steve Urkel hat wohl doch einen verlorenen Zwilling.

      „Hallo, ich bin Cornelius“, stellt sich der Fast-Mann leicht verlegen vor und streckt Anna die Hand entgegen. Einen viel zu laschen Händedruck später zieht Alex Anna kurz zur Seite und flüstert ihr ins Ohr: „Der Wahnsinn, der Typ – ist der nicht heiß?“

      Alex strahlt Anna erwartungsvoll an. Doch diese blickt Alex nur verdutzt und vollkommen perplex ins Gesicht. In diesen grünen Cocktails muss wohl doch etwas mehr Alkohol gewesen sein als angekündigt, denkt Anna kritisch. „Bist du sicher, dass alles bei dir in Ordnung ist?“, fragt sie sorgenvoll.

      „Ehrlich gesagt nicht. Cornelius hat eine Eins-A-Briefmarkensammlung, die ich mir heute Nacht unbedingt anschauen muss. Und du weißt ja, wie sehr ich auf Briefmarken stehe.“ Nun ist Anna komplett verwirrt. Gedanklich versucht sie sich zurückzuerinnern, wann Alex jemals etwas von einer Leidenschaft für seltene gezackte Papierschnitzel erzählt hat. Oh! Jetzt hat sie es auch gerafft. Briefmarken…

      „Oh ja, verstehe“, gibt Anna zurück und schaut ungläubig zu Cornelius hinüber. Zu Annas Verwunderung hat dieser denselben Gesichtsausdruck. Beide scheinen nicht glauben zu können, was gerade passiert. „Kann ich dich hier wirklich alleine lassen?“ Alex blickt Anna mit großen Rehaugen an und hält ihr die Schlüssel unter die Nase. „Ich komme schon zurecht. Ich trinke noch eine Cola und mache mich dann auch langsam auf den Heimweg.“ Nach einer innigen Umarmung reicht sie auch Cornelius die Hand. Dieser scheint im Laufe des Gesprächs noch etwas blasser geworden zu sein. Wahrscheinlich realisiert er gerade, dass das Ganze doch kein Aprilscherz ist. Burschikos führt Alex ihren Hauptgewinn wie einen gewaltigen Teddy von einer Losbude im Arm Richtung Ausgang.

      Wie spät ist es eigentlich? Anna kramt ihr Handy aus der Handtasche, um nach der Uhrzeit zu sehen. Entsetzt starrt sie auf das Display. Zwanzig Anrufe in Abwesenheit. Alle vom selben Anrufer. Nils. Genervt legt sie das Handy zurück in ihre Tasche, ohne auf die Uhr gesehen zu haben.

      Scheiße, Anna! Jetzt stehst du hier allein in einer fremden Stadt in einem überfüllten Nachtclub, ohne Mann und ohne Job. Läuft auf jeden Fall bei dir, denkt sich Anna nicht ohne eine Spur von Galgenhumor. Jetzt bloß nicht wieder herunterziehen lassen, ermahnt sie sich, während sie sich durch die Menschenmenge Richtung Bar begibt.

      Dort angekommen, fällt ihr eine große, mit grüner Neonkreide beschriebene Schiefertafel ins Auge: „Das unschuldige Einhorn. 2 zum Preis von 1.“ Ach komm, Anna, zur „Feier des Tages“ kannst du dir einen alkoholfreien Cocktail gönnen, sagt sie sich und winkt dem Barkeeper schüchtern zu. Kurze Zeit später stehen zwei übergroße Cocktailgläser mit Früchten am Rand und Schirmchen in der Mitte vor ihr. Na dann Prost, denkt sie sich. Noch durstig vom Tanzen kippt Anna den ersten Cocktail wie ein Glas Wasser nach dem Sport auf Ex herunter. Lecker! Hätte sie gewusst, dass alkoholfreie Cocktails so gut schmecken, hätte sie schon öfter welche getrunken.

      Um sicherzugehen, dass der zweite Cocktail nicht „kalt“ wird, wendet sich Anna daraufhin diesem zu. Geschafft, stellt Anna zufrieden fest und reißt triumphierend die Arme hoch. Hoppla. Vom Schwung ihrer eigenen Arme mitgerissen, hat sie fast das Gleichgewicht verloren. Kurz verwirrt hält sie sich an der Kante der Theke fest und fängt an zu kichern. Eigentlich wollte sie ja jetzt nach Hause, aber das unschuldige Einhorn hat es ihr wirklich angetan.

      „Noch ein unschuldiges Nashorn, bitte“,


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