Schwarzer Honig. Harriette Van der Ham

Schwarzer Honig - Harriette Van der Ham


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sondern so schnell wie möglich das Land verlassen und nach England zu ihrer Tochter möchte.

      “Dorothy, das haben wir so nicht abgemacht”, sagt sie enttäuscht. “Sie hatten mir zugesagt bis Oktober zu bleiben, bis zu meiner endgültigen Rückkehr. Sie wissen, ich muss bald wieder nach Europa fliegen, um dort die letzten Dinge für meine Auswanderung zu regeln. Anfang Oktober komme ich dann zurück und bleibe. In der Zwischenzeit würden Sie sich hier um Hunde, Haus und Personal kümmern. Wie soll ich das denn jetzt ohne Sie regeln?”.

      “Harriette, ich weiß. Ja, ich habe das zugesagt, aber ich kann einfach nicht länger bleiben. Ich habe fast mein ganzes Leben hier in Kenia gelebt. Es fällt mir schwer zu gehen, aber je eher ich gehe, desto leichter ist es für mich. Ich muss jetzt von hier fort!”.

      “Wann wollen Sie abreisen?”, fragt Harriette vorsichtig. “Morgen. Ich habe auch schon einen Flug für morgen – von Mombasa nach Nairobi und von dort weiter nach London”. Harriette kann nicht glauben, was sie da hört und fühlt sich verraten. Aber was kann sie tun? Sie kann sie nicht zwingen zu bleiben. Sie ist enttäuscht, dass Dorothy sich nicht an die Vereinbarung hält. Nein. Morgen reist Dorothy ab. Sie hat dies in den vergangenen Wochen bis ins Detail vorbereitet. Ihre persönlichen Sachen wurden schon abgeholt und sind bereits auf dem Weg nach England. Sie hat nur noch einen Koffer bei sich.

      “Und was ist mit Ihrem Auto?”, fragt Harriette Dorothy.

      “Alles geregelt, ein Cardealer nimmt ihn für ein Schnäppchen und bringt mich morgen nach Mombasa”. Harriette kann es nicht fassen! Erste Alarmglocken läuten. Na, das fängt ja gut an! Harriette, betrachte dies als erste Herausforderung!

      Sie verbringt die Nacht in einem kleinen Hotel in Malindi-Town. Nicht wie vor einigen Wochen in einem Etablissement. Ab morgen schlafe ich in meinem eigenen Haus. Morgen ist ein großer Tag. Morgen beginnt mein afrikanisches Leben. Morgen früh will ich im Haus sein, wenn Dorothy abreist. Fliegender Rollenwechsel!

      *

      Dorothys Koffer steht an der Eingangstür. Dorothy ist so weit. Sie trinken eine letzte Tasse Tee auf der Veranda. Molly, Tom, Dick und Harry spüren Dorothys Unruhe und weichen nicht von ihrer Seite. Auch Harriette spürt die Nervosität. Dann steht Dorothy auf und will ein letztes Mal durch das Haus gehen, das so lange ihres war. Ihr Haus in dem sie so lange glücklich war: Trauer und Freude zugleich. Die Jack Russels folgen ihr.

      Ein Auto hupt vor dem Tor. Es ist der Autohändler, der Dorothy nach Mombasa bringen wird. Mosi öffnet das Tor und Dorothys Auto fährt hinein. Ein Mann steigt aus und öffnet den Kofferraum. Er nimmt Dorothys Koffer und legt ihn hinein. Dann schließt er die Klappe. Abschied für immer. Dorothy weiß es. Sie wird nie mehr zurückkehren. Die Hunde spüren es auch. Dorothy kommt die Treppe hinunter, umringt von vier rastlosen Jack Russels. Sie bückt sich und streichelt jeden ihrer Hunde. Harriette sieht Tränen auf ihren Wangen. Dorothy richtet sich auf und wendet sich an Mosi:

      “Kwaheri, bwana. Asante sana5”. Und dann umarmt sie Harriette und sagt: “Werden Sie glücklich hier. Und danke, dass Sie meine Kinder versorgen”. Ohne sich noch einmal umzuschauen, steigt sie ein. Der Autohändler startet und fährt langsam hinaus. Mosi schließt das Tor. Weg - für immer … neuer Lebensabschnitt! Molly, Tom, Dick und Harry haben sich um Harriette versammelt. Sie setzt sich auf den Boden und streichelt alle vier. “Ab jetzt mit mir”, sagt sie und lächelt.

      Die kommenden Tage verbringt Harriette damit, im Haus anzukommen. Sie beginnt mit einer Bestandsaufnahme und macht eine Liste, was in Kürze repariert und angeschafft werden muss. Das Leben in Malindi ohne Auto ist schwer. Da sie aber in einigen Tagen wieder nach Deutschland fliegt, will sie mit dem Kauf eines Autos noch warten bis Oktober, wenn sie endgültig in Malindi leben wird. Sie beschließt, ein Fahrrad zu kaufen, damit sie ein Minimum an Mobilität hat.

      Harriette nimmt ihren Einkaufskorb und läuft nach Malindi-Town, fünf Kilometer zu Fuß in tropischer Hitze - warum tue ich mir das an? - genießt aber gleichzeitig den Fußmarsch. Dann sehe ich alles viel bewusster - darum! Sie erreicht den Markt und lernt was die wichtigsten Nahrungsmittel wie Brot, Milch, Zucker, Reis, Mehl und Ugali kosten. Sie findet einen Fahrradhändler und eine halbe Stunde später ist sie stolze Besitzerin eines neuen Fahrrads ‘Made in China’. Ich werde mal schnell zu Subhash fahren, denkt sie. Ich werde Hilfe brauchen, vor allem in den kommenden Wochen, wenn ich nicht hier in Malindi bin.

      Subhash öffnet das Verandagitter und bittet Harriette hinein. “Möchten Sie Thee?”, fragt er als erstes und kurz darauf sitzen sie in Subashs Wohnzimmer zwischen Stapeln von Zeitungen und Büchern. Harriette erzählt ihm von der Enttäuschung über Dorothys vorzeitige Abreise.

      “Das wundert mich gar nicht. Dorothy wollte schon lange weg. Mir war völlig klar, dass sie sofort abreisen wird, sobald sie das Geld auf dem Konto hat”.

      “Aber wir hatten eine Vereinbarung, sie sollte bis Oktober bleiben! Was mache ich denn jetzt? In ein paar Tagen muss ich zurück nach Europa. Gehälter, Strom, Telefon, Wasser, Lebensmittel, alles muss hier weiterlaufen”, sagt Harriette verzweifelt.

      “Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde das für Sie übernehmen. Wissen Sie, ich habe das auch ab und zu für Dorothy und Daisy gemacht, wenn die beiden mal nach England wollten. Ich bin pensioniert und habe Zeit. Ich werde regelmäßig nachschauen, ob Ihre Leute da sind und ob da alles mit rechten Dingen zugeht. Die Rechnungen bezahle ich, wenn Sie mir Geld dalassen”, beruhigt Subhash sie. Harriette ist erleichtert. Ein Stein fällt ihr vom Herzen.

      “Subhash, das werde ich. Danke, dass Sie mir helfen”.

      ‘Waridi’ – die Rose, Symbol für Liebe, Entwicklung und Wachstum - erscheint Harriette als passender Name für ihr Haus, und so wird ‘Dotty’s House’ zu ‘Villa Waridi’. Vor ihrer Abreise nach Europa lässt sie noch ein Namenschild schnitzen und bestellt bei einem Schreiner acht Sonnenliegen für das Schwimmbad. Sie werden in zwei Monaten fertig sein, versichert man ihr. Sie macht eine Anzahlung, “den Rest bei Lieferung”, sagt sie. Sie kauft Hundefutter für die kommenden zwei Monate, geht zur Bank und bringt Subhash einen Umschlag mit Scheinen und ihren Postfach-Schlüssel, damit er Zugang zu ihren Postsendungen hat, die vorläufig wohl nur aus Rechnungen bestehen werden.

      *

      Zurück in Europa verdichtet sich das Bild, was sie mit ‘Villa Waridi’ machen möchte. Es wird ‘Villa Waridi Residence’. Harriette hat jetzt vier Schlafzimmer. Die könnte sie vermieten. Sie könnte einen Anbau machen lassen für ihren Privatbereich: Schlafzimmer, Badezimmer und Studio (Arbeitsraum, Büro). Die Küche muss vergrößert und modernisiert werden mit großem Vorratsraum. Personalräume können nach oben, über die Küche verlegt werden. Der Korridor zwischen Haupthaus und Küchengebäude gibt den Blick auf den hässlichen Wassertank frei. Hier könnte ich eine halbhohe Mauer ziehen lassen, um diesen Tank aus dem Blickfeld zu entfernen. Ein Raum für Waschmaschine, Badetücher und Bettlaken muss auch noch geschaffen werden. Wenn ich die kleine Veranda, die an das Zimmer im Südflügel angrenzt, etwas wegnehme und eine Wand hochziehe, könnte dort ein idealer Waschraum entstehen.

      Harriette sieht in Gedanken schon alles vor sich. Sie macht Skizzen und Notizen. Ihre Gedanken gehen weiter: Was wäre, wenn ich das Nachbargrundstück dazu erwerben könnte? Es hat die gleiche Größe wie mein jetziges Grundstück und liegt nur verwildert da. Ich könnte die Grenzmauer wegreißen lassen und aus diesem Dschungel einen schönen Garten machen. Und wenn die vier Zimmer nicht mehr ausreichen sollten, könnte ich auf dem Nebengrundstück noch etwas dazu bauen. Sobald ich wieder in Kenia bin, werde ich mich schlau machen, wem das Nachbargrundstück gehört und ob es zu kaufen ist.

      In den letzten Wochen ihres Aufenthalts in Europa verkauft und verschenkt Harriette alle persönlichen Dinge, die sie nicht behalten möchte oder kann. Der Rest wird verpackt. Die Spedition, die den Container nach Kenia verschifft, kommt Ende September um alles in einen großen LKW zu laden. Ich werde meine Sachen erst in Malindi wiedersehen!, denkt sie wehmütig. Es bleibt ihr nur noch ein einziger Koffer für die kommende Zeit und das fühlt sich gut an! Harriette fühlt sich frei.

      Anfang Oktober, ein Tag vor ihrem


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