Schwarzer Honig. Harriette Van der Ham

Schwarzer Honig - Harriette Van der Ham


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Einkaufsmall von Lamu zu sein! Sie entdeckt ein AirKenya Ticketbüro, gleich daneben ein hübsches Geschäft ‘Gallery Sanamu’ mit sehr teuren Produkten wie Schmuck, Kleidung, Leder- und Korbwaren, Perlensandalen und anderen sehr geschmackvollen Dingen, die auf Harriette eine magische Anziehungskraft haben. Gleich daneben gibt es einen Coffee-Shop. Wie sie später erfährt, ist dieser Coffee-Shop in ganz Kenia berühmt für seine köstlichen Milchshakes und seinen Karottenkuchen. Harriette ist nie ein Freund von Karottenkuchen gewesen, bis zu diesem Tag, an dem sie carot-cake bei ‘Whissip’ bestellt. Sie kommt mit der Bedienung von ‘Whissip’ ins Gespräch, einem freundlichen jungen Mann in schneeweißem T-Shirt mit ‘Whissip’-Aufdruck.

      “Darf ich Sie fragen, wem dieser Coffee-Shop gehört? Der Cappuccino und der Karottenkuchen sind einfach köstlich - und wie geschmackvoll alles eingerichtet ist hier!”, sagt Harriette.

      “Madam, ‘Whissip’ gehört bwana Farrah und mama Alice. Das Geschäft hier nebenan - ‘Gallery Sanamu’ – gehört ihnen auch. Und hinter ‘Gallery Sanamu’ hat bwana Farrah auch noch eine Möbelwerkstatt. Bwana Farrah und mama Alice sind zurzeit nicht da, sie sind in Indonesien - Einkäufe tätigen”. Das sind sicherlich Mzungus, denkt sich Harriette, so perfekt, wie hier alles gestylt ist, da hat jemand einen ganz erlesenen Geschmack. Sie tippt auf Alice.

      Am Abend sitzt sie in ‘Hapa na Sasa’ - im ‘Hier und Jetzt’ - einem kleinen Restaurant direkt am Wasser, mit lang aneinandergereihten Tischen, an denen man sich einfach dazusetzt. Dieses Restaurant scheint ein beliebter Treffpunkt für Touristen zu sein. Sie bestellt gegrillten Fisch in Kokosreis. Noch kurz eine Unterhaltung mit einem französischen Rucksackpärchen und dann zurück zum ‘Bahari Hotel’. Harriette ist hundemüde.

      Auch den nächsten Tag verbringt sie als Tourist: mit einer Dhow nach ‘Shela Beach’, eine Bootsfahrt über glitzerndes Wasser, entlang des Ufers von Lamu. Shela, ein winziger Ort einige Kilometer von Lamu entfernt, ist bekannt um zwei Dinge: das mondäne Peponi-Hotel und den unendlich langen Strand. Harriette bleibt den ganzen Tag in Shela. Schwimmen, in der Sonne relaxen, herrliche Fruchtsäfte trinken und sich weiter in Kuki Gallmanns Geschichte ‘Ich träumte von Afrika’ vertiefen. Kuki Gallmanns Autobiografie fasziniert Harriette: gebürtige Italienerin, kenianische Autorin und Naturschützerin, die in Kenia Mann und Sohn verliert. Eine dramatische Geschichte, die nach ihrem großen Durchbruch auch verfilmt wurde.

      Harriette hat nur noch wenige Tage in Kenia, dann wird sie zurück nach Europa fliegen.

       Neue Welt, neues Leben

      Hektische Monate folgen. Harriette kündigt ihre Wohnung, sortiert, was sie von ihren Sachen nach Kenia mitnehmen will und was nicht. Großes Reinemachen. Von vielen ihrer persönlichen Dinge trennt sie sich endgültig und verkauft oder verschenkt sie. Sie holt Angebote bei verschiedenen Speditionen ein für die Verschiffung ihres Inventars. Sie kontaktiert die kenianische Botschaft in Bonn, um genauere Informationen einzuholen, welche Dokumente für ihre Ausreise nach Kenia erstellt werden müssen. Ihr wird klar, dass noch so einiges an Behördengängen auf sie zukommt, mit einer Menge an Formalitäten. Auswandern nach Kenia ist nicht im Handumdrehen geregelt. Aber sie lässt sich davon nicht beirren und arbeitet konsequent die Liste ab, um allen Anforderungen nachzukommen. Planen, Organisieren und Umsetzen sind Dinge, die sie beherrscht und die ihr durch ihre langjährige Arbeit sehr vertraut sind.

      Kurz nach ihrer Rückkehr besucht Harriette ihren Vater. Ein wichtiges Treffen, denn er weiß noch nichts von ihren Plänen. Als Harriette einige Monate zuvor beschlossen hatte, ihren gutbezahlten Job zu kündigen, hatte sie diese wichtige Entscheidung mit ihrem Vater besprochen. Ihr Vater - seit vielen Jahren pensioniert - lebt nach dem frühen Tod von Harriettes Mutter mit seiner zweiten Frau Trees in einer Kleinstadt, nicht weit von Wiesbaden. Dieser Mann, selber mit einer soliden wirtschaftlichen Karriere hinter sich, ist Harriettes bester Ratgeber, auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind. Er ist ein Meister im Analysieren und Relativieren von schwierigen Situationen. Seine Art mit Krisen umzugehen hat Harriette immer bewundert.

      Nun also muss sie ihm erzählen, dass seine Tochter gerade dabei ist, ein Haus in einem Land zu kaufen, das sie nicht kennt. In einem Land, in dem sie niemanden kennt! Schlimmer noch, seine Tochter hat bisher nur vage Vorstellungen davon, was sie dort machen will. Auch das muss sie schnellstens konkretisieren und ausarbeiten. Alles, was sie ganz sicher weiß, ist, dass sie das will. Schlechte Voraussetzungen, einen erfahrenen und stets abwägenden, strategisch denkenden Vater zu überzeugen.

      Sie wird herzlich empfangen. Trees hat einen Lunch vorbereitet und so sitzen sie am Tisch und Harriette erzählt von ihrer Kenia-Reise. Harriette fühlt eine innere Spannung. Es muss sein, ich muss es ihnen sagen!

      “Theo, Trees, ich muss euch aber etwas viel Wichtigeres mitteilen. Ihr werdet mich jetzt für komplett durchgeknallt erklären, aber ich habe mich entschieden: ich will in Kenia leben! Ich werde ein Haus dort kaufen … eigentlich ist es schon so gut wie gekauft. Ich weiß, es ist vielleicht das Verrückteste, das ich in meinem ganzen Leben tun werde, aber das ist was ich wirklich will! Ich habe schon so viele Jahre den Wunsch, in den Tropen zu leben - jetzt ist der Moment. Wenn ich es jetzt nicht tue, dann werde ich es wohl nie tun! Ich habe ein Haus gefunden in Malindi … ich habe die Kaufabsichtserklärung sogar schon unterschrieben”. Harriette hält inne.

      Totenstille. Theo schaut sie schweigend über seinen Brillenrand an. Sie sieht tausend Zahnräder auf Hochtouren in seinem Kopf drehen. Und dann kommen Fragen über Fragen: ob sie die Marktpreise von Malindi geprüft habe, ob die Grundbucheintragung von Dorothy Carmel stimme und ob das Haus nicht vielleicht einem anderen gehöre, oder ob noch jemand gesetzliche Ansprüche auf das Haus habe, wie die Übertragung verlaufen wird, ob es in Kenia so etwas wie einen Notar gäbe? Und was will sie dort mit ihrem Leben anfangen? Ist ihr klar, dass sie alles hier aufgibt? Kann sie nicht einfach hier ein Haus kaufen, seinetwegen in einem anderen europäischen Land, aber dann ist sie nicht so ganz weit weg, warum ausgerechnet in einer Bananenrepublik?

      “Du bist eine Frau, du bist weiß, du bist alleinstehend. Und das alles in einem korrupten Land …”. Theo ist entsetzt. Harriette versucht ihn zu beruhigen und seine Fragen so gut es geht zu beantworten. Sie erzählt ihm, welche Dinge sie dort vor Ort in Erfahrung gebracht hat und erläutert alle Schritte in Sache Hauskauf. In all diesen Punkten kann sie Theo deutlich Antwort geben, aber sie sieht ihm an, dass es ihn nicht beruhigt.

      “Pa, das ist es, was ich wirklich will”, sagt sie fest entschlossen. “Ich weiß ich wäre jetzt besser mit einem komplett ausgearbeiteten Businessplan angetreten, aber das muss sich bei mir erst noch mehr konkretisieren – ich denke an ein kleines Hotel oder Bed & Breakfast. Wichtig dabei ist dass Malindi im Aufschwung ist. Es wimmelt dort von wohlhabenden Italienern. Es gibt schöne Geschäfte, nette Restaurants, wunderschöne Strände – und gerade wurde ein weiteres Casino gebaut; es ist ein gefragter Touristenort. Und es gibt elegante, teure Hotels. Es gibt aber keine schönen Mietshäuser. Warum dann nicht selber Zimmer vermieten? Ich möchte etwas bieten, das schön, persönlich und bezahlbar ist. Und, wisst ihr, als ich dieses Haus zum ersten Mal betrat, wusste ich, dass es mein neues Zuhause ist. Mir war, als ob ich dort schon gewesen wäre, so vertraut ist es mir”.

      Theo weiß nur zu gut, seine Tochter hat sich entschieden. Er kann sie nicht zurückhalten. Sein Herz ist schwer und das von Harriette auch. Sie möchte ihren Vater nicht enttäuschen, ihm keine schlaflosen Nächte bereiten, aber sie weiß, dass sie genau das tut.

      “Ich rufe die Bank an und frage nach einem Termin. Vielleicht können wir in den kommenden Tagen zusammen hingehen. Bleibst du über Nacht hier?”, fragt er.

      “Natürlich! Ich bleibe”.

      *

      Subhash hat den Kaufvertrag inzwischen nach Deutschland geschickt. Mit der Bank ist alles geklärt. Sobald unterzeichnet ist, kann die Zahlung für ‘Dotty’s House’ nach England erfolgen.

      Sechs Wochen später kehrt Harriette zurück nach Malindi. Subhash, Dorothy und Harriette fahren nach Mombasa, wo Dorothy und Harriette die Akte beim Notar unterzeichnen. Gleichzeitig wird per Swifttransfer die Kaufsumme nach England überwiesen und am 10. Juli 1996 ist Harriette stolze Besitzerin


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