Endlichkeit und Vergänglichkeit. Christian Walther
Wenn schon mit Leere sich die Felder dann vertauschen,
Der ganze Sinn des hellen Bildes lebet
Als wie ein Bild, das goldene Pracht umschwebet.
Friedrich Hölderlin
HERBST
Der du die Wälder färbst,
Sonniger, milder Herbst,
Schöner als Rosenblühn
Dünkt mir dein sanftes Glühn.
Nimmermehr Sturm und Drang,
Nimmermehr Sehnsuchtsklang;
Leise nur atmest du
Tiefer Erfüllung Ruh.
Aber vernehmbar auch
Klaget ein scheuer Hauch,
Der durch die Blätter weht,
Dass es zu Ende geht.
Ferdinand von Saar
HÄLFTE DES LEBENS
Mit gelben Birnen hänget
und voll mit wilden Rosen
das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm' ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Friedrich Hölderlin
BLUMEN UND WILDER KLEE
Schnee tut allen Vögeln weh!
Hört ihr sie noch singen? -
Doch sicher wird wie eh und je,
wie Blumen und wie wilder Klee,
dem Tod ein Lied entspringen.
Winter nimmt auch mir das Brot,
läßt mir nur das Leid.
Er löscht mir aus das Lippenrot,
jede Maid hält mich für tot
und färbt sich schwarz das Kleid.
Doch sicher läßt ein neuer Tanz
mich auferstehn und es wird ganz
in Minne und wie eh und je
bei Blumen und bei wildem Klee
dem Tod mein Lied entspringen.
Walther von der Vogelweide
Alter
Früher liebte ich die Vögel, jetzt liebe ich die Blüten.
Sie halten still fürs schwindende Aug.
Elias Canetti
STROPHEN
Ich gehe langsam aus der Welt heraus
in eine Landschaft jenseits aller Ferne,
und was ich war und bin und was ich bleibe
geht mit mir ohne Ungeduld und Eile
in ein bisher noch nicht betretenes Land.
Ich gehe langsam aus der Zeit heraus
in eine Zukunft jenseits aller Sterne,
und was ich war und bin und immer bleiben werde
geht mit mir ohne Ungeduld und Eile,
als wär ich nie gewesen oder kaum.
Hans Sahl
AUSGANG
Immer enger, leise, leise
ziehen sich die Lebenskreise,
schwindet hin, was prahlt und prunkt,
schwindet Hoffen, Hassen, Lieben.
Und ist nichts in Sicht geblieben
als der letzte dunkle Punkt.
Theodor Fontane
NACHTS
Bald ist es nicht mehr so hell
über den Dächern und Kaminen.
Mein Radiergummi und der Mond,
beide nehmen ab.
Günter Grass
ANS ALTER
Du bist die Mündung, die sich weitet und breitet,
Mächtig, und sich ausgießt ins große Meer.
*
JUGEND, TAG, ALTER UND NACHT
Jugend, laut, lustvoll, liebend, – Jugend voller Anmut, Kraft,
[Zauber,
Weißt du, daß das Alter nach dir kommen mag mit ebensoviel
[Anmut, Kraft, Zauber?
Tag volltönend und strahlend, – Tag der ungeheuren Sonne,
[voll Tätigkeit, Ehrgeiz, Lachen:
Die Nacht folgt dir dicht mit Millionen von Sonnen und Schlaf
[und stärkendem Dunkel.
Walt Whitman
LEBENSLAUF
Hoch auf strebte mein Geist, aber die Liebe zog
Schön ihn nieder; das Leid beugt ihn gewaltiger;
So durchlauf ich des Lebens
Bogen und kehre, woher ich kam.
*
DIE KÜRZE
„Warum bist Du so kurz? liebst du, wie vormals denn
Nun nicht mehr den Gesang? fandst du, als Jüngling, doch
In den Tagen der Hoffnung,
Wenn du sangest, das Ende nie?“
Wie mein Glück, ist mein Lied. – Willst du im Abendrot
Froh dich baden? Hinweg ists,und die Erd ist kalt,
Und der Vogel der Nacht schwirrt
Unbequem vor das Auge dir.
Friedrich Hölderlin
Den Bildern zu entsagen, fällt mir schwer
Ich bedarf der Pflugschar, die mich umbricht
Spiegel des Winters, des Alters
bedarf der Zeit, die ihre Körner in mich wirft
*
Getreue Augen, immer schwächere, bis
die meinen sich schließen, und nach ihnen der Raum,
wie ein bemalter Fächer, von dem nichts bliebe
als ein zarter beinerner Griff, eine eisige Spur
für die lidlosen Augen anderer Sterne.
Philippe Jaccottet
ALTER
Das aber ist des Alters Schöne,
dass