Endlichkeit und Vergänglichkeit. Christian Walther

Endlichkeit und Vergänglichkeit - Christian Walther


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DIR ZU FÜSSEN

      Stirb früher als ich, um ein weniges

      früher

      damit nicht du

      den weg zum haus

      allein zurückgehen musst.

       Reiner Kunze

      Bin über zahlreiche Meere, zu vielen Völkern gefahren,

      Komme nun, Bruder, zu dir, traurige Spende zu weihn,

      Um mit der letzten Gabe den Toten, dich, zu beschenken.

      Grüße vergeblich hier Asche, die deine, die stumm,

      Da ja nun das Schicksal dich selbst mir für immer

      [genommen,

      Weh doch, du Ärmster, mir leider zu zeitig geraubt.

      Dennoch nimm dieses jetzt, was ich dir nach Sitte der Väter -

      Ach, welch ein traurig Geschenk! – als meine Spende dir geb'!

      Reichlich benetzt von Tränen des weinenden Bruders empfang

      [es!

      Und auf ewig sodann, Bruder, lebwohl und ade!

       Catull

      GEHSTEIG NACHTS

      Jasmin, auf nasse Fliesen

      Nachts abgestreut, bedeutet

      Ein Seidentuch, gebreitet

      Aus Blüten, früh zerfallen,

      Für sie, die uns verließen,

      Und Schritte, die verhallen.

       Georg von der Vring

      WELKE ROSE

      In einem Buche blätternd, fand

      Ich eine Rose welk, zerdrückt

      Und weiß auch nicht mehr, wessen Hand

      Sie einst für mich gepflückt.

      Ach, mehr und mehr im Abendhauch

      Verweht Erinnerung; bald zerstiebt

      Mein Erdenlos, dann weiß ich auch

      Nicht mehr, wer mich geliebt.

       Nikolaus Lenau

      1. 1. 87

      Schlüpfriges Pflaster.

      Doch mich schreckt kein Eis dies Jahr:

      Ich hab Vaters Stock.

      *

      DER STRAND

      Die Strichelspur von Vaters Eschenstock

      Auf dem Strand von Sandymount

      Ist gleichfalls etwas, was die Flut nicht tilgt.

       Seamus Heaney

      NACH JAHR UND TAG

      An seinem Grab

      habe ich keine

      Träne geweint und

      ich gehe nicht hin

      es mit Blumengarden

      zu schmücken

      Nur manchmal

      am Abend

      wenn ich mich

      schlafen lege

      ziehe ich seine

      alte Strickjacke

      an

       Lisa Helms

      DIE FRÜHEN GRÄBER

      Willkommen, silberner Mond,

      Schöner, stiller Gefährte der Nacht!

      Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!

      Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.

      Des Maies Erwachen ist nur

      Schöner noch, wie die Sommernacht,

      Wenn ihm Tau, hell wie Licht, aus der Locke träuft

      Und zu dem Hügel herauf rötlich er kömmt.

      Ihr Edleren, ach es bewächst

      Eure Male schon ernstes Moos!

      O wie war ich glücklich, als ich noch mit euch

      Sahe sich röten den Tag, schimmern die Nacht!

       Friedrich Gottlieb Klopstock

      ABENDEMPFINDUNG

      Abend ist's, die Sonne ist verschwunden,

      Und der Mond strahlt Silberglanz;

      So entfliehn des Lebens schönste Stunden,

      Fliehn vorüber wie im Tanz.

      Bald entflieht des Lebens bunte Szene,

      Und der Vorhang rollt herab;

      Aus ist unser Spiel, des Freundes Träne

      Fließet schon auf unser Grab.

      Bald vielleicht (mir weht, wie Westwind leise,

      Eine stille Ahnung zu),

      Schließ ich dieses Lebens Pilgerreise,

      Fliege in das Land der Ruh.

      Werdet ihr dann an meinem Grabe weinen,

      Trauernd meine Asche sehn,

      Dann, o Freunde, will ich euch erscheinen

      Und will himmelauf euch wehn.

      Schenk auch du ein Tränchen mir

      Und pflücke mir ein Veilchen auf mein Grab,

      Und mit deinem seelenvollen Blicke

      Sieh dann sanft auf mich herab.

      Weih mir eine Träne, und ach! schäme

      dich nur nicht, sie mir zu weihn;

      Oh, sie wird in meinem Diademe

      Dann die schönste Perle sein!

       Joachim Heinrich Campe

      DAS VIERZEHNTE SONETT

      Solange meine Augen Tränen geben,

      dem nachzuweinen, was mit dir entschwand;

      solang in meiner Stimme Widerstand

      gegen mein Stöhnen ist, so dass sie eben

      noch hörbar wird; solange meine Hand

      die schöne Laute von so lieben Dingen

      kann singen machen, und sich unverwandt

      mein Geist dir zukehrt, um dich zu durchdringen:

      so lang hat Sterben für mich keinen Sinn.

      Doch wenn ich trocken in den Augen bin,

      die Stimme brüchig wird, die Hand nicht mag,

      und wenn mein Geist mir hier die Kraft entzieht,

      durch die ich mich als Liebende verriet:

      so schwärze mir der Tod den klarsten Tag.

       Louize Labé

      ANKLAGE

      Tote Freunde

      klagen dich an

      du hast sie überlebt

      Du weinst um sie

      und lachst schon wieder

      mit


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