Schwabinger G'schichten. RAMSES III. (Wolfgang Kramer)

Schwabinger G'schichten - RAMSES III. (Wolfgang Kramer)


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bitteren Nachgeschmack bekam. Auch die berittene Polizei, die Ordnung schaffen sollte, war nicht zimperlich und prügelte mit ihren Schlag stöcken munter drauf los, wobei etliche unbeteiligte Leute was abbekamen, sogar der Leiter des Münchner Jugendamts, Dr. Seelmann, der sich nur mal informieren wollte, was überhaupt vor sich ging und warum.

      Er soll zu einem "Berittenen", der ihn gerade verscheuchen wollte, gesagt haben, während er seinen Ausweis zückte: "Ich bin …", weiter kam er nicht! Der Bulle sagte angeblich "Ist mir wurscht, wer Du bist", und hatte ihn niedergeknüppelt.

      Allerdings waren die Krawalle nicht politisch motiviert, es war pure Solidarität mit Schwabinger Musikern!

      (Erst kürzlich hat es sich im Rahmen einer Veranstaltung ergeben, dass ich diese Musiker nach ziemlich genau 60 Jahren kennen lernen durfte).

      Etwas Positives ist aber doch daraus entwachsen, nämlich die sogenannte "Münchner Linie". Unser damaliger "Stadt-Sheriff" Manfred Schreiber entwickelte aufgrund der brutalen Vorgehensweise der Polizei bei den Krawallen ein Konzept, erstmals auch unter Einsatz von Polizei-Psychologen, das auf De-Eskalation setzte, um künftige Ereignisse dieser Art zu vermeiden.

      Ich wurde oft gefragt, wie denn die Krawalle beendet wurden?

      Das war tatsächlich ganz banal – es hat sich letztlich von selbst erledigt, denn am vierten Tag hat es wie aus Kübeln geregnet, und es kam keiner mehr zum Demonstrieren.

      Das "Nest" war ein ungezwungener Treffpunkt. Das Publikum war gemischt, aber doch mit Schwerpunkt auf Nonkonformisten. Also keine Kaffeetanten oder so. Schon eher etwas schrägere Typen. Aber Intellektuelle! Ebenerdig war es ein Kaffeehaus, und im Untergeschoss das "TABU", ein "Nachtlokal". Dort spielte Live-Musik, die Hausband war der Hansi Küfner, und es gab jede Nacht einen "Sängerwettstreit". Der Gewinner bekam eine Flasche Sekt und die zweit- und drittplatzierten eine Halbe Bier. Das waren halt noch bescheidene Zeiten. Und lustig war es trotzdem.

      Gegenüber war da noch das "Picnic", ein Flachbau, der mehr aussah wie eine Baustellenbaracke. Es war eine Imbissbude, war aber auch der Treffpunkt für Underdogs und Penner (damals wurden sie noch "Gammler" genannt) und, obwohl wir noch keine Ahnung von Haschisch und Gras, geschweige denn härteren Drogen hatten, wurde mir später klar, dass dort auch gedealt wurde. Die lungerten in der Regel VOR dem Laden rum.

      Im "Picnic" gab es aber auch den höchstwahrscheinlich ersten "Hot Dog" Münchens.

      Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich sogar noch die damals äußerst begehrten und legendären Atelierfeste erleben durfte. Das war die Zeit, als man Künstler jeder Richtung, Non-Konforme, Studenten als "Existenzialisten" bezeichnete. Sie trugen "Existenzialisten-Bärte" und eigenwillige Kleidung, die sie vom Normalbürger unterschieden.

      Der Eintritt zu den Atelierfesten im Fasching war kostenlos, allerdings nicht für jeden zugänglich – man musste schon eingeladen sein. Es spielten Live Bands, und die Getränke wurden zum Selbstkostenpreis verkauft. Und es gab ständig Feste, man konnte von einem zum nächsten wandern. Einmal war ich eine ganze Woche unterwegs. Zwischendurch hielt ich hier und dort ein Nickerchen in einer Ecke, und dann ging es weiter. In dieser ganzen Woche brauchte ich gerade mal DM 20! Das war gigantisch!

      Die Veranstalter waren auch noch "echte" Künstler. Im Sommer stellten sie Bilder auf der "Leo" aus und hielten sie zum Verkauf feil, und viele finanzierten ihr Studium damit.

      Heute werden auch noch Exponate zum Verkauf angeboten, aber das ist nur noch billige Massenware, keine Kunst mehr – bis auf Vereinzeltes - vielleicht!?

      Das muss etwa die Zeit gewesen sein, als ich endlich in die "Geheimnisse der Liebe für Fortgeschrittene" eingewiesen wurde.

      Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, wie die Dame hieß. Aber unser Kennenlernen war recht witzig. Ich weiß noch, dass ich eine Favoritin hatte, für die sich auch einer meiner Freunde brennend interessierte, die ich aber permanent an ihrer Arbeitsstelle im Büro anrief, um sie von mir zu überzeugen. Dabei passierte es öfters, dass ihre Kollegin ans Telefon ging. Diese hatte eine sehr erotische Stimme, und nachdem ich mehrmals telefonisch mit ihr geflirtet hatte, waren wir so weit, uns zu treffen. Das war mein erstes und einziges "Blind Date" in meinem Leben.

      Logischerweise habe ich vor Aufregung gezittert, wie sie wohl aussehen würde und so…!!

      Es war eine höchst erfreuliche Überraschung – sie war eine Schönheit! Unfassbar! Sie war ein paar Jahre älter als ich und hatte, wie ich erleben durfte, entweder reichlich Erfahrung in der körperlichen Liebe, oder sie war schlicht und ergreifend ein Naturtalent. Jedenfalls – die erste Nacht mit ihr war ein unfassbares "WOW Erlebnis". SO also konnte es sein!!!

      Ab sofort war ich ein absolut begeisterter Liebhaber.

      Wir bauten keine feste Beziehung auf, es blieb ein "Schnaxelverhältnis", und das war genial! Kein Stress – nur fleischliche Lust, wann immer uns danach war!

      Das lief längere Zeit, bis es irgendwie im Sand verlief – keine Ahnung mehr wie und warum. Jedenfalls hatte sie mich "erweckt", und dafür bin ich ihr heute noch dankbar.

      Und – wie praktisch – sie wohnte in Schwabing!

       - IV.-

      Auch daran kam ich nicht vorbei - die Einberufung zu den Gebirgsjägern nach Bad Reichenhall - und Schwabing musste zeitweilig auf mich verzichten.

      Meine Eltern waren froh, mich los zu haben, aber sie hatten nicht mit meiner Sturheit gerechnet. Ich war auch an den Wochenendurlauben nicht gerne zu Hause gesehen, aber Schwabing war wie ein Magnet für mich. Also fuhr ich trotzdem nach München, ging um die Häuser und kletterte dann spät nachts über den Zaun meines elterlichen Anwesens. Ich war zu feige, zu klingeln, also legte ich mich zum Schlafen auf eine Sonnen liege auf der überdachten Terrasse, was natürlich schön kalt war, so ohne Decke, aber das hielt ich gerne aus. Morgens wurde ich dann entdeckt, und meine Eltern mussten sich eben mit meiner Anwesenheit abfinden.

      Ich war damals ziemlich unglücklich, glaube ich, denn sogar mein "Spieß" beim Bund, der "Hauptfeld" Kerscher, merkte, dass mit mir etwas nicht stimmte, er hielt mich offensichtlich sogar für suizid gefährd et. Eines Tages, nachdem ich wieder mal ein paar Tage "Bau" abgesessen hatte, nahm er mich zur Seite und gab mir folgenden Rat: "Bua, dua da fei ja nix oo! Du muasst da immer denga, du kannst jemand an G'foin damit doa – dua eahna bloss den G'foin net!!!" (Muss ich das übersetzen?). Jedenfalls habe ich diesen Spruch mein ganzes Leben lang nicht vergessen, und jedes Mal, wenn mir alles zuviel zu werden schien, dachte ich daran, und schon war alles nur noch halb so schlimm.

      Nachdem meine Dienstzeit zu Ende und ich wieder zu Hause war, gab es ganz schnell massiven Ärger mit meinem Vater, weil er bereits nach drei Tagen der Meinung war, ich solle etwas arbeiten, schließlich hätte ich ja 18 Monate Urlaub gehabt. Darauf folgte der heftigste Streit aller Zeiten. Ich war so erzogen, dass dem Patriarchen nicht zu widersprechen ist, aber damit war jetzt endgültig Schluss!

      Wir hatten uns im Anschreien überboten, diesmal demonstrierte ich, dass ich mindestens genau so laut schreien konnte wie er, stand dann vom Abendbrottisch auf, zog eine Jacke an und ging! Für immer! Ich habe danach mein Elternhaus nie wieder betreten. Meine Mutter hatte mir schnell noch etwas Geld zugesteckt, damit ich ein paar Tage überleben konnte. Das war's!

      Von hier an war die Entscheidung leicht. Ich brauchte erst mal eine Bude, und wo würde ich zuerst suchen? – Na klar, in Schwabing! Aber dort fand ich keine, die bezahlbar war. Es war dringend, und deshalb musste ich nehmen, was sich auf die Schnelle anbot, und das war leider in völlig entgegengesetzter Richtung – in Lochham! Das ist am anderen Ende der Stadt, weshalb es recht lästig war, denn ich fuhr praktisch jede Nacht nach Schwabing und dann angesoffen da raus, das sind so um die zwanzig Kilometer.

      Das ging auch nicht ohne gelegentliche Schrammen ab! Die Strecke ab Pasing war ziemlich kurvig, und da ich ein verhinderter Rennfahrer war, fuhr ich immer meine Privatrennen. Vor allem eine bestimmte Rechts-Links-Kombination hatte es mir angetan. Immer wieder war ich überzeugt, diese Kombination "geht schneller"! Ging aber nicht!

      Einmal hatte ich die Rechtskurve super genommen,


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