Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane. Pete Hackett
Chad sah die wilde Entschlossenheit in Caddos Augen. Sein Frontiercolt schlug dumpf in den Sand. Aus der Bodega drang ein rauer Fluch. Dann schrie Redbull: „Hiergeblieben, Greaser! Du sollst tanzen und nicht abhauen! Was fällt dir ein!“
Der Wirt kreischte, als würde er am Spieß stecken. Dann hörte es sich an, als würde die Einrichtung der Bodega von einem wild gewordenen Büffel durcheinandergewirbelt.
Chad registrierte das alles nur so nebenbei. Für ihn zählte jetzt nur der auf ihn gerichtete Sixshooter. Mit katzenhaften Schritten kam der Bandit auf ihn zu.
„Dreh dich um!“ Chad gehorchte, und im nächsten Moment spürte er den harten Druck der Waffe im Rücken. „Gut so“, triumphierte Caddo. „Und jetzt geh brav vor mir her. Ringo wird sich bestimmt freuen, wenn er dich sieht.“
Chads Gedanken jagten sich. Schweißbäche sickerten über seine Wangen. Wenn er erst in der Bodega war, gab es keine Chance mehr für ihn. Es war verrückt gewesen, zu glauben, dass die Halunken keine Wache aufgestellt hatten. Dazu war Jefford viel zu gerissen und gefährlich. Aber jetzt war es zu spät, über den eigenen Fehler zu fluchen. Die Verzweiflung krampfte Chads Magen zusammen. Es ging um mehr als nur um seinen Skalp! Das Leben von Bancrofts Söhnen stand auf dem Spiel, und Bancroft vertraute ihm!
An der Hausecke blieb Chad jäh entschlossen stehen, bereit, alles auf eine Karte zu setzen. „An deiner Stelle würde ich mich jetzt aufs Pferd schwingen und verduften, ehe es dafür zu spät ist!“, stieß er rau hervor.
„He, du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank! Versuch ja keinen blöden Trick, Mann, sonst brenne ich dir ein Loch in dein Fell! Los, weiter!“ Ein schmerzhafter Stoß mit dem Colt traf Chad. Statt weiterzugehen, wandte sich der breitschultrige, wie ein Viehzüchter gekleidete Mann jedoch langsam um.
„Beim ersten Schuss, der hier fällt, wird Bancroft mit seinen Reitern angreifen. Dann seid ihr alle erledigt.“
„Davon hast du nichts, wenn du dann in der Hölle schmorst“, grinste das Halbblut verkniffen.
„Du wirst es nicht darauf ankommen lassen“, erwiderte Chad mit felsenfester Überzeugung. „Du hast mehr zu verlieren als ich.“
Caddos Grinsen erlosch. Er wich zurück, schob hastig den Colt in das tiefhängende Holster und griff stattdessen zu seinem im Gürtel steckenden Dolch. Er brachte ihn nicht mehr heraus. Chad warf sich vorwärts, unglaublich schnell und geschmeidig für seine massige Gestalt. Seine geballte Rechte traf Caddo wie ein Rammpfosten in den Bauch. Der Schwung von Chads Körper steckte hinter diesem mörderischen Schlag. Der Verbrecher klappte wie ein Taschenmesser zusammen, flog mehrere Schritte zurück und wälzte sich am Boden. Aber er war zäh wie ein Puma. Als Kelly sich nach seinem Sechsschüsser bückte, war er schon wieder auf den Beinen. Nun blitzte doch der rasiermesserscharfe Dolch in seiner braunen Faust. Mit einem heiseren Schrei stürzte sich der Mestize auf den Gegner.
Chad durfte nicht schießen, wenn er nicht in den nächsten Sekunden die ganze Jefford-Bande auf dem Hals haben wollte. Er schleuderte sich zur Seite, stieß gegen die Bodegawand und spürte einen glühenden Schmerz an der rechten Seite, als ihm Caddos Dolch die Haut ritzte. Chad schlug mit dem Coltlauf zu, doch der Bandit duckte sich geschmeidig weg und zielte mit der Dolchspitze diesmal direkt auf Chads Bauch.
Chad warf sich seitwärts zu Boden. Die tödliche Klinge zerbrach über ihm an der Lehmziegelmauer. Caddo schrie vor Wut. Jetzt war ihm alles egal. Jetzt hatte er nur noch den Wunsch, den verhassten Gegner zu vernichten. Er packte wieder den Coltknauf.
Chad schwang die zusammengepressten Beine wie einen Mähbalken herum, ehe der Verbrecher zurückspringen konnte. Caddo stürzte neben ihn, und einen Augenblick später war Bancrofts Scout wie ein hungriger Löwe über ihm. Abermals sauste der Coltlauf nieder. Caddo erschlaffte.
Chad sprang auf und richtete die Coltmündung auf die Kneipenecke, darauf gefasst, im nächsten Moment in die wutverzerrten Gesichter der von Caddos Schrei alarmierten Feinde zu sehen. Doch die Kerle in der Bodega hatten nichts gehört. Schüsse dröhnten, und dazwischen gellte Redbulls wüstes Gelächter. Chad stieg über den Körper des Bewusstlosen und lief, den Finger am Abzug, zum Eingang der Bodega.
7
Sein Fußtritt sprengte die angelehnte Tür auf. Chad überschaute die Szene mit einem Blick. Vergeblich hatte er damit gerechnet, Bancrofts Söhne gefesselt und geknebelt hier drinnen vorzufinden. Auch Jefford, dessen Steckbrief nördlich der Grenze jedes Kind kannte, war nicht da. Der dicke Bodegero war mit feuerrotem, schweißüberströmten Gesicht inmitten verstreuter Scherben und Kugeleinschlägen ächzend auf die Knie gesunken. Der kleine wieselgesichtige Smiley schob gerade seinen nachgeladenen Sixshooter in das mit Lederschnüren am Oberschenkel festgebundene Holster. Redbull, der Hüne mit dem Flammenhaar, hockte mit lang ausgestreckten Beinen grinsend an einem runden Tisch. Totenstille breitete sich aus, als Chad plötzlich wie aus dem Boden gewachsen im Schankraum stand.
Langsam versickerte Redbulls Grinsen. Smileys schmächtige Gestalt schien noch mehr zusammenzuschrumpfen. Beide Kerle hatten instinktiv und unheimlich flink ihre Hände an die Waffen gelegt. Aber das metallische, überdeutliche Schnappen von Kellys Colthammer ließ jede weitere Bewegung einfrieren.
„Versucht es nur!“, knurrte Chad drohend. „Es wird mir nicht viel ausmachen, jedem von euch ‘ne Kugel zwischen die Augen zu pflanzen.“
Das war genau die Sprache, die bei solchen Typen wirkte. Ihre Gesichter wurden um einen Schein fahler. Ein Flackern erschien in ihren aufgerissenen Augen.
„Kelly“, krächzte Smiley erschrocken. Der feiste Wirt machte ein Gesicht, als hätte er eine Flasche Tequila auf einen Zug geleert. Sein glasiger Blick verriet, dass er jetzt überhaupt nichts mehr kapierte. Schwankend, die Augen starr vor Angst auf Chads Colt gerichtet, erhob er sich und stolperte an Chad vorbei zur offenen Tür hinaus. Die backofenheiße Stille über dem einsamen Mexikanerdorf schien von einem tödlichen Hauch durchdrungen.
Chads Stiefel pochten schwer ein Stück tiefer in den dämmrigen Raum.
„Wo ist Jefford? Wo sind Bancrofts Söhne?“
Smiley und Redbull tauschten einen Blick. Der rothaarige Hüne mit dem brutalen Gesicht wuchs langsam, wie von unsichtbaren Drähten gezogen von seinem Stuhl hoch. Seine buschigen Braunen schoben sich über der wie ein Geierschnabel gekrümmten Nase zusammen. Mit einer unauffälligen Bewegung streifte er die Lederschlaufe von seinem Revolverhahn.
„Du übernimmst dich, Kelly! Du hättest nie allein hierher kommen dürfen. Auch wenn du einen von uns erwischt, kommst du nicht mehr lebend von hier weg.“
„Das werden wir ja sehen. Gleich wird Bancroft mit seinen Reitern hier sein.“ Chad entging nicht, dass die beiden äußerlich so ungleichen Banditen wieder einen Blick wechselten. Ihre Haltung spannte sich noch mehr. Sie schienen es tatsächlich darauf ankommen lassen zu wollen. Chad richtete seine Waffe auf Redbulls Brust.
„Heraus mit der Sprache! Wo sind Jess und Larry?“
Ehe der baumlange, klobige Kerl antworten konnte, knarrte die Hintertür. Kelly traute fast nicht seinen Augen, als er Tom Bancrofts ältesten Sohn Jess über die Schwelle treten sah. Jess hatte einen Revolver umgeschnallt. Seine knochige Rechte lag auf dem rotbraunen Walnussholzgriff. „He, was …“
Er erstarrte, als sein Blick auf Chad fiel. Seine Augen weiteten sich, alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Chad spürte einen deutlichen schmerzhaften Stich in der Herzgegend.
Aber da keuchte Jess: „Kelly, dich hat uns der Himmel geschickt! Endlich brauche ich diesen schießwütigen Teufeln nicht mehr vorzuspielen, dass ich jede Hoffnung auf Flucht aufgegeben habe. Sie lassen mich mit ‘nem ungeladenen Schießeisen rumlaufen, damit jeder glaubt, ich gehöre zu ihnen. Dabei haben sie Larry in ihrer Gewalt und wollen ihn umbringen, wenn ich gegen sie aufmucke. Aber verdammt will ich sein, wenn wir den Jungen nicht gemeinsam heraushauen, was, Kelly? Jetzt hat sich das Blatt gewendet. Du bist sicher nicht allein, oder? Wo ist Dad?“