Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane. Pete Hackett
mit bleicher starrer Miene an der fensterlosen Seitenwand. Er war schneller als alle anderen aus Bancrofts Gefolge gewesen. Die Blicke beider Männer waren an Chad festgebrannt. Keiner sprach ein Wort. Vor dem Haus stampften Hufe, schwirrten aufgeregte Stimmen durcheinander. Aber das alles schien weit weg zu sein. Das Schweigen in der Bodega war wie eine undurchdringliche Mauer.
Dann näherte sich Jess Rechte wie von selbst dem tief geschnallten Revolver. Chads 45er flog hoch. „Mach keinen Blödsinn! Dein Spiel ist geplatzt. Das hast du jetzt von deiner verdammten Gier nach Geld und einem freien Leben!“
Drohend ging der breitschultrige Smallrancher auf den Sohn seines ehemaligen Partners zu. Mörderischer Hass glühte in Jess‘ Augen. Aber er schwieg noch immer und rührte sich nicht mehr. Hastige Tritte und Sporengeklirr waren vor dem Eingang.
„Jess! Larry!“ Das war Bancrofts vor Besorgnis kratzende Stimme.
Scharren und gepresstes Atmen waren plötzlich dicht hinter Chad. Er spürte die Gefahr wie einen Eishauch, fuhr herum, aber da traf ihn der Schlag mit dem Revolverlauf bereits seitlich am Kopf. Er sah noch Wills verzerrtes Gesicht wie in Nebelschleiern versinken, dann umhüllte ihn Dunkelheit.
9
Das Erste, was er beim Erwachen spürte, war der kalte Gewehrlauf an seinem Hals. Dann erst setzte das heftige Stechen seiner Schläfen ein. Trotzdem drehte er vorsichtig den Kopf. Er vergaß die Schmerzen, als sein zögernd hochtastender Blick den Finger am Abzug und dann Jube Dwyers derbes, grimmig entschlossenes Gesicht sah. Der Schock der Erinnerung verjagte die Benommenheit aus seinem Gehirn. Dwyers Worte fielen bleischwer in die lähmende Stille: „Er ist munter, Boss!“
Chads Blick wanderte an dem gedrungenen Cowboy vorbei. Die übrigen Männer aus Tom Bancrofts Crew standen stumm und mit beklommenen, düsteren Mienen zwischen den Tischreihen der Bodega. Der hagere Rancher kniete zusammengesunken neben Larry. Chad sah nur seinen gebeugten Rücken und die verkrampften mageren Schultern. Aber es war ein Anblick, bei dem ihm ein Würgen in die Kehle stieg. Dwyers Gewehr hinderte ihn daran, sich aufzusetzen. Mehrere Sekunden verstrichen, ehe sich Bancroft schwerfällig erhob. Chad war erschrocken, wie sehr sich sein Gesicht verändert hatte. Alle herrische Überlegenheit war daraus verschwunden. Es war das von Schmerz und Verzweiflung zerwühlte Gesicht eines alten Mannes.
Bancrofts Stimme klang hohl und brüchig. „Bringt Larry hinaus! Wir nehmen ihn mit zurück nach New Mexico. Er soll daheim auf der Ranch begraben werden, nicht hier in diesem verdammten elenden Kaff. Wir brechen auf, wenn ich mit ihm abgerechnet habe.“
Sein glanzloser Blick deutete auf Kelly. Mit hölzernen, marionettenhaften Bewegungen ging er auf den von Dwyer bewachten Mann zu. Langsam glomm ein unheimliches Feuer in seinen Augen auf. Die Falten in seinem Gesicht spannten sich, als er auf den um zwanzig Jahre jüngeren Mann hinabschaute. Auf seinen knappen Wink nahm Dwyer das Gewehr zur Seite.
„Du wirst hängen, Chad!“, sagte Bancroft dumpf.
Kelly erhob sich. Seine Kniekehlen waren noch ziemlich weich, aber das zählte jetzt nicht. Was zählte, war die fanatische, fast irre Entschlossenheit, die ihm aus den umschatteten Augen seines einstigen Sattelgefährten entgegen glühte. Chad spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach.
„Hör mich erst an, Tom“, stieß er verzweifelt hervor. „Larry ließ mir keine andere Wahl. Er schoss auf mich. Ich musste …“
„Er schoss auf dich, um dich daran zu hindern, mit Jefford und dem Geld abzuhauen“, unterbrach ihn Bancroft mit fremder hohler Stimme.
Chad Kelly zuckte zusammen. Ein Peitschenhieb hätte nicht schlimmer sein können, als diese Anschuldigung. „Tom, um Himmels willen, wie kommst du …“
„Gib dir keine Mühe, Kelly!“, kam Jess‘ schneidende Stimme von der Seite her. „Hör auf, Dads Freund zu spielen. Er weiß jetzt Bescheid. Er wird dir nicht mehr glauben als seinen eigenen Söhnen.“
Chads Kopf flog herum. Der grausame Hohn in Jess‘ Augen ließ ihn Dwyers schussbereites Gewehr vergessen. Er ballte die Fäuste und machte einen Schritt in Jess Richtung. „Was hast du deinem Vater erzählt, du Lump?“
„Die Wahrheit, was sonst! Und pass ja auf, wie du mit mir redest, du dreckiger Killer!“
„Tom!“, keuchte Chad. „Glaub ihm kein Wort! Was immer er dir aufzubinden versuchte, es ist gelogen! Er selber hat mit Ringo Jefford zusammengearbeitet. Er hat McDunn getötet. Er und Larry haben Jefford die vierzigtausend Dollar in die Hände gespielt. Es tut mir leid, Tom, dass ich dir dies vor allen deinen Leuten sagen muss. Aber du zwingst mich dazu.“
„Er ist verrückt!“, lachte Jess wütend auf. „Er will mich zu einem Mörder stempeln und Larry dazu! Ausgerechnet Larry, der sich mit keinem Wort mehr verteidigen kann! Mein Gott, Kelly, was bist du nur für ein durchtriebener Schurke! Und dich haben wir alle für einen ehrlichen, aufrechten Mann gehalten! Aber du überspannst den Bogen, wenn du Larry und mir so ‘ne Sache in die Stiefel
schieben willst. Damit brichst du dir selber das Genick. So eine verdammte gemeine Lüge nimmt dir keiner ab. Auf gar keinen Fall mein Vater. Larry und ich waren immer wilde Burschen, stimmt. Aber Mörder? Banditen? Tom Bancrofts Söhne? Die Söhne des Mannes, den du immer deinen Freund nanntest? Nein, zum Teufel, damit drehst du dir selber den Strick, Kelly!“
Chad atmete schwer. Er war sonst kein Mann, der leicht aus seiner Ruhe zu bringen war. Doch jetzt musste er sich mit aller Gewalt zusammenreißen, um nicht mit bloßen Fäusten auf Bancrofts Ältesten loszugehen. Selbstverständlich war das Holster an seiner rechten Seite leer. Bancrofts Cowboys hatten Zeit genug gehabt, ihm den Colt und auch das im Stiefelschaft verborgene Messer abzunehmen. Chad fuhr herum und packte Bancrofts Jackenaufschläge. Prompt spürte er Dwyers Gewehrmündung an den Rippen, aber das war ihm jetzt egal.
„Frag einen von Jeffords Schießern, Tom! Jeder wird dir bestätigen, dass Jess und Larry nicht als Geiseln, sondern freiwillig mit der Bande geritten sind.“
„Die Halunken sind entweder tot oder geflohen. Das weißt du selber sehr gut. Auch Jefford ist fort, mit dem Geld, weil du ihm geholfen hast.“
„Das ist nicht wahr!“ Chad ließ den Rancher los. Verzweifelt irrte sein Blick durch den großen dämmrigen Raum. Smiley, Redbull – sie würden ebenso für alle Zeiten schweigen wie Larry. Der Mestize, den er draußen niedergeschlagen hatte, war sicher genau wie Jefford längst über alle Berge. Und der Bodegero, der Wirt? Er würde gewiss erst wieder auffindbar sein, wenn die rauen Gringos Santa Ysabel verlassen hatten. Erschöpft wischte sich Chad mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. „Ich dachte, du würdest mich besser kennen, Tom!“
„Das dachte ich auch. Ich habe mich geirrt. Die Hälfte der Beute, die Jefford dir geboten hat, war stärker als unsere gemeinsame Zeit im Sattel. Warum gibst du es nicht endlich zu?“
„Weil es nicht wahr ist, Tom! Ich werde nichts gestehen, was nicht wahr ist.“
„Wir pfeifen auf dein Geständnis!“, erklärte Jess hart. „Will, sag ihm, dass alles keinen Sinn mehr für ihn hat. Sag ihm, dass nicht nur meine Aussage, sondern auch deine gegen ihn steht. Dir kann er nicht vorwerfen, dass du freiwillig mit Jeffords Bande geritten bist.“ Er lachte kopfschüttelnd. „Larry und ich als Jeffords Verbündete! Nein, so was verrücktes!“
„Jess hat recht“, meldete sich Will mit gepresster Stimme. „Ich war als Erster hier. Ich hab durchs Fenster alles gesehen: wie du Jefford den Rückzug decktest, wie Larry dich dran hinderte, ihm zu folgen, und wie du ihn deswegen über den Haufen geschossen hast! Wenn ich es nicht geschafft hätte, dir in den Rücken zu kommen, Kelly, du verfluchter Mörder, dann würdest du jetzt an Jeffords Seite irgendwo da draußen in Richtung Sierra reiten!“
„Reicht dir das endlich, Kelly?“, lachte Jess höhnisch.
Chads Fäuste öffneten und schlossen sich. Er sah die von Hass und Verachtung gezeichneten Gesichter der Cowboys wie hinter ungeschliffenem Glas. Er keuchte: „Tom, glaub ihnen