Die Coltschwinger kommen: Extra Western Sammelband 7 Romane. Pete Hackett
als Verbrecher hinzustellen“, schrie Bancroft ihn an. „Ich habe lange genug dir vertraut und nicht ihnen! Hätte ich Will nicht zurückgehalten und ihn mit dir in dieses verfluchte Greasernest geschickt, dann würde Larry jetzt vielleicht noch leben. Aber nein, dein Wort galt ja bei mir alles! Vorbei, Chad, vorbei! Sag nur kein Wort mehr von unserer alten Freundschaft, sonst kommt mir die Galle hoch. Ich will vergessen, dass ich jemals an der Seite eines geldgierigen Mörders geritten bin! Aber ich werde es erst vergessen, wenn du tot bist, wenn ich dich an einem Ast hängen sehe! Dann erst werde ich Larry in Frieden begraben können, wie es sich gehört!“
Nie zuvor hatte Chad soviel Hass und Verzweiflung in den Augen eines Mannes gesehen. Sein Magen krampfte sich zusammen. Bancrofts Augen, sein Gesichtsausdruck – dies alles sagte deutlicher als viele Worte, dass jede weitere Beteuerung sinnlos sein würde. Ein Gefühl der Schuld gegenüber seinen Söhnen war in dem sonst so harten, unduldsamen Rancher erwacht. Ein Gefühl vor allem der Mitschuld am Tod seines Jüngsten. Gerade dies machte Bancroft gegenüber seinem ehemaligen Sattelpartner so unversöhnlich, so erbarmungslos.
Chad sah, wie Jess und Will verstohlen einen triumphierenden Blick wechselten. Da wurde auch in Chad der Hass lebendig. Hass auf diese beiden missratenen, verkommenen Schurken, die so skrupellos den Schmerz ihres Vaters gegen den gemeinsamen Feind ausspielten.
Bancroft trat zurück. „Bindet ihn!“, befahl er. „Bringt ihn zu dem Baum am Dorfausgang. Nehmt ein Seil mit.“
Von allen Seiten bewegten sich die hartgesichtigen Männer auf Kelly zu. Der Druck von Dwyers Gewehr verstärkte sich. Chads tobende Gefühle erkalteten jäh. Seine Miene versteinerte.
„Was du vorhast, ist Mord, Tom. Ich habe das Recht auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung.“
„Recht? Du wagst es, zu mir von Recht zu sprechen?“ Der hagere Viehzüchter trat nochmals an Chad heran. Plötzlich zuckte seine Faust hoch. Der Schlag traf Kelly mitten ins Gesicht, so heftig, dass er gestürzt wäre, hätten ihn die zuspringenden Weidereiter nicht festgehalten.
„Du hast nur noch ein Recht, Chad – das Recht auf den Strick um deinen Hals!“ Bancrofts Gesicht war plötzlich das Gesicht eines Fremden. Aus dem Hintergrund der Bodega kam Jess‘ leises hasserfülltes Lachen. Fäuste wie Schraubstöcke umspannten Chads Handgelenke. Da riss er sich los und begann sich heftig zu wehren.
Flüche gellten. Chad schlug wild um sich, egal, wo er hintraf. Conchita wartete auf ihn! Dieser Gedanke glühte in seinem Gehirn und machte ihn unempfindlich gegen die Hiebe, die von allen Seiten auf ihn einhagelten. Sein Hemd ging in Fetzen, seine Lippen platzten auf. Aber er wehrte sich wie ein von Hunden umstellter angeschossener Bär. Doch jede Lücke, die seine schmetternden Fäuste im engen Kreis der Gegner aufrissen, war im Nu wieder von einem anderen wutverzerrten Gesicht gefüllt. Fünf Minuten lang hielt sich Chad wie eine kämpfende, stampfende Maschine auf den Beinen. Dann ging er unter der erdrückenden Last der Übermacht zu Boden. Seine Arme wurden nach hinten gepresst, Riemen um seine Handgelenke geschlungen.
Aus!, hämmerte es in seinem Kopf. Er würde Conchita nie wiedersehen!
„Hoch mit ihm!“, schrie Jess irgendwo in dem Durcheinander. „Einen Strick her, Jungs! Wozu ihn noch zu einem Baum schleppen? Hier gibt‘s genug Balken an der Decke, an denen wir ihn aufknüpfen können. Er soll da sterben, wo er Larry erschossen hat, der Hund!“
Der alte Bancroft widersprach nicht. Er, der seine Söhne immer wie dumme Jungens herumkommandiert und sie am kurzen Zügel gehalten hatte, überließ ihnen nun schweigend die Entscheidung. Als könnte er damit nachholen, was er an ihnen versäumt hatte! Als könnte er damit auslöschen, dass er – seiner Meinung nach – zu spät gekommen war, um Larrys Leben zu retten!
Kelly wurde von den brutalen Fäusten hochgezerrt. Nirgends die Spur von Unsicherheit oder gar Mitleid auf einem der kantigen Gesichter ringsum! Will war auf einen Tisch gesprungen. Er verknotete ein Hanfseil an einem rauchgebeizten Deckenbalken. Eine in aller Eile geknotete Henkersschlinge baumelte herab. Chad war es, als streiche eine kalte Hand über seinen Rücken.
„Her mit ihm!“ Wills hageres Gesicht glühte wie im Fieber, als er vom Tisch sprang. Die Meute zerrte und stieß den Gefangenen vorwärts. Jess trat zu seinem Bruder und griff nach der Schlinge, um sie dem Verhassten über den Kopf zu streifen.
Es war ein Augenblick, in dem sich abgrundtiefe Stille ausbreitete. Von draußen kam ebenfalls kein Laut. Wie ausgestorben duckte sich die kleine Mexikanersiedlung unter der lodernden, alles versengenden Himmelsscheibe. Die Zeit schien stillzustehen. Dann brach eine raue, mürrische Stimme den beklemmenden Bann.
„Jetzt reicht‘s aber! Verdammt will ich sein, wenn ich bei dieser lausigen Lynchpartie mitspiele!“
Alle Köpfe flogen herum. Old Simp, der hagere, verwitterte Oldtimer der Crew, stand bolzengerade neben der Tür, durch die ein breiter goldener Lichtstreifen hereinfiel. Ein altmodischer schwerkalibriger Navycolt lag in seiner knorrigen Faust. Simps kleine helle Augen funkelten, sonst gab es keine Regung in seinem mit Falten übersäten Pergamentgesicht.
„Heh, zum Teufel, bist du übergeschnappt?“, keuchte Will fassungslos.
„Nenn es, wie du willst. Ich hab noch nie Spaß daran gefunden, zu zehnt über einen herzufallen und ihn dann auch noch aufzubaumeln, wenn er sich nicht mehr wehren kann.“
„Dann verschwinde! Hau ab, Mann, und lass dich nie wieder blicken!“
„Genau das hab ich vor!“ Die Andeutung eines grimmigen Grinsens erschien um Old Simps dünne Lippen. „Aber Kelly nehme ich mit! Bindet ihn los.“
Die Männer starrten ihn an, als hätte er tatsächlich den Verstand verloren. Gelassen schob der Oldtimer seinen Priem von einer Backe in die andere. Er spuckte einen Strahl braunen Tabaksafts auf den Lehmboden. „Was ist? Habt ihr Rüben in den Ohren, Jungs? Losbinden sollt ihr ihn.“
Jess schob sich nach vorne. Seine Rechte hing wie eine Klaue über dem Revolverkolben. „Steck dein Eisen weg, Simp“, sagte er mit erzwungener gefährlicher Ruhe. „Du hast jetzt deinen Spaß gehabt.“
Old Simp spuckte abermals. „Ich spaße nie, wenn ich ‘ne Bleispritze in der Hand halte. Du irrst dich, Jess, wenn du glaubst, ich könnte mit dem Ding nur Kaffeebohnen zerklopfen. Du brauchst jetzt nur deinen Knaller anzufassen, und ich werd es dir beweisen.“
Der Oldtimercowboy, dessen vollständigen Namen niemand kannte, war immer nur ein unscheinbarer Mann im Hintergrund gewesen. Einer, der froh war, auf seine alten Tage noch einen festen Job zu haben, wenn er auch nicht viel mehr dafür bekam als ein Dach über den Kopf und täglich zwei warme Mahlzeiten. Sein plötzliches entschlossenes Eintreten für Kelly stieß alle vor den Kopf. Dwyer, der Simp oft genug wegen seines Alters gehänselt und ihn herumgeschubst hatte, hob knurrend sein Gewehr.
Simps Navycolt bewegte sich blitzschnell und spuckte einen Feuerstrahl. Die Kugel bohrte sich zwischen Dwyers Stiefeln in den Boden. Simp brummte: „Meine allerletzte Warnung! Versuch so was nie wieder, Jube. Besser, du lässt die Knarre fallen.“
Dwyer gehorchte. Er war blass geworden. Die Kerle, die Chad festhielten, traten zögernd zurück. Old Simps Waffe deutete wieder auf Jess. „Was immer geschieht, du bist der Nächste!“
„Das wird dir noch leid tun, Simp“, drohte der Rancher. Seine Stimme besaß wieder den alten metallischen Klang. „Wer sich auf die Seite des Mörders meines Sohnes schlägt, für den gibt es keinen Pardon mehr. Überleg‘s dir gut, Simp. Noch kannst du alleine abhauen, noch verlierst du nicht mehr als den Job auf meiner Ranch. Schlimm genug für deine alten Tage! Aber wenn du Kelly mitnimmst, dann, Simp, das schwöre ich dir, lebst du nicht mehr lange!“
Der Oldtimer schüttelte den Kopf. „Jeder beißt einmal ins Gras. Ein paar Jährchen früher oder später, das spielt für mich keine Rolle mehr. Hauptsache, ich habe mir nicht vorzuwerfen, bei einem Mord mitgeholfen zu haben.“
„Du Narr! Hast du nicht gehört, was Jess und Will gesagt haben? Sieh dir Larry an!“
Als