Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland

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mich prüfend an. „Bulle?“ Ich schüttelte den Kopf. „Schnüffler“, erwiderte ich.

      Er warf mir einen versöhnlichen Blick zu. „Mein Name ist Lucky March, Mister.“

      „Meiner nicht“, grinste ich. „Ich heiße Biff Calder. Einen Drink auf den Schrecken, Lucky?“

      Er riss erfreut die Augen auf. „Sie sind ein großzügiger Mann, Mr. Calder.“

      Ich schüttelte den Kopf. „Für dich bin ich Biff. Klar, Lucky?“

      Er nickte und freute sich darüber, dass ich nicht arrogant war. „Okay, Biff.“

      Wir setzten uns in eine kleine Bar. Zuerst wollte uns der Wirt nichts geben, denn Lucky war leider nicht nach der letzten Mode gekleidet. Als ich dem Mann jedoch mit giftigen Blicken, unterstrichen mit saftigen Drohungen, gut zuredete, bekamen wir die Flasche White Label, die ich verlangt hatte und aus der ich nun für Lucky und für mich einen Drink einschenkte.

      Die Flasche mit dem restlichen Whisky überreichte ich Lucky mit den Worten: „Vorrat für schlechte Zeiten.“

      Seine Augen füllten sich mit Tränen der Rührung. „Ich — ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Biff. Ich bin bloß ein Bettler.“

      „Vergiss es, Lucky.“

      „Ich war nicht immer Bettler. Es hat auch mal Zeiten gegeben, da trug ich einen Anzug wie Sie. Nicht nur am Sonntag, Biff. Ich hatte auch eine Frau und einen Sohn. Das, was Sie heute vor sich sehen, hat der Staat aus mir gemacht.“

      „Der Staat sind wir selber, Lucky“, wandte ich ein.

      „Dann pfui Teufel vor uns selbst“, sagte Lucky bitter. „Sie holten meinen Jungen vor sieben Jahren von zu Hause fort. Ich war damals Portier in einer kleinen Lackfabrik. Er musste nach Vietnam. Er kam nicht wieder. Er war als Held gefallen. Als Held, Biff!“

      Ich hätte ihm in diesem Augenblick ein paar banale Sprüche aufsagen können. Sprüche, die aus dem Heldentod etwas Erstrebenswertes machten. Aber ich hätte ihm damit keinen Gefallen getan, und schon gar nicht hätte er sich damit trösten lassen. Deshalb schwieg ich.

      „Ich scheiße auf das Heldentum, Biff! Ich möchte meinen Jungen wiederhaben“, presste Lucky unter Tränen hervor. „Als ich das Telegramm erhalten hatte, betrank ich mich sinnlos. Ich betrank mich von diesem Tag an, so oft ich konnte. Klar, dass sich so was schnell rächt. Ich verlor zuerst meinen Posten und dann meine Frau. Sie fand einen Abstinenzler und ließ sich von mir scheiden. Vielleicht ist sie mit dem anderen glücklich geworden. Ich weiß es nicht. Wünsche es ihr aber. Sie kann schließlich nichts dafür, dass alles so gekommen ist. Ich kam mehr und mehr herunter — und heute bin ich das, was man eine gestrandete Existenz nennt. Muss froh sein, wenn mir jemand ein paar Cent schenkt, wenn mir mal jemand ein Stück hartes Brot gibt oder mich, wie Sie, zu einem Whisky einlädt. Niemand fragt danach, wie es dazu gekommen ist. Man rümpft nur die Nase, wenn man mich sieht. So wie der verdammte Wirt vorhin. Man möchte am liebsten nichts mit mir zu tun haben.“ Lucky March wischte sich über die feuchten Augen. „Ein Sauleben, das ich da führe, Biff. Sie können’s mir glauben.“

      „Warum reißt du dich nicht mal zusammen, Lucky?“, fragte ich.

      Er lächelte matt „Das sagt sich so leicht. Ich hab’s auch schon mehrfach versucht. Es geht nicht. Seit dem Tod meines Jungen ist in mir etwas zerbrochen. Vielleicht dauert’s nicht mehr lange, bis ich ihn wiedersehe. Heute hätt’s beinahe geklappt.“ Lucky richtete sich mit einem Ruck auf. Er lachte heiser und schüttelte den Kopf. „Verzeihen Sie, Biff. Ich hatte nicht die Absicht, Sie mit meinen Sorgen zu belästigen.“

      „Tat aber sicher gut, sich mal wieder auszusprechen“, entgegnete ich.

      Der arme Kerl griff schnell nach dem Glas. Er trank hastig, um den Kummer loszuwerden.

      „Biff“, sagte er dann, „ich möchte mich dafür revanchieren, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Ich besitze zwar kein Geld...“

      „Du willst mich doch nicht etwa beleidigen, Lucky“, knurrte ich.

      „Wenn Sie mal ’nen Tipp brauchen, Biff — ich komme viel herum. Ich höre manchmal das Laub faulen. Das könnte Ihnen vielleicht mal nützlich sein.“

      Ich baute meine Zigarettenpackung vor ihm auf, was bedeutete, er könne sie behalten. „Okay“, sagte ich dann. „Wenn ich mal etwas wissen will und nicht selber draufkomme, melde ich mich bei dir, Lucky.“

      Er schien zufrieden. Er zog die Augenbrauen wichtig hoch und tönte: „Ich werde immer für Sie dasein, Biff. Merken Sie sich das. Sie finden mich immer in dieser Gegend. Eine feste Bleibe hab’ ich nicht.“

      Guter alter Lucky March.

      Als ich ging, wusste ich, dass ich einen Freund gewonnen hatte. Einen Freund zwar, mit dem man sich nicht überall zeigen konnte, dessen Treue sich aber bestimmt länger hielt als die eines smokingbedressten Playboys.

      4

      Die fünf langen schwarzen Nylonmäntel lagen achtlos zusammengerollt auf dem Tisch. Darauf lagen fünf Gasmasken. Auf drei daneben stehenden Sesseln waren die drei gelben, prallgefüllten Jutesäcke abgestellt. Vollgestopft mit neunhundertfünfzigtausend Dollar.

      Dieses Stillleben stand in einer Ecke des großen Raumes, in dessen Mitte ein zweiter, größerer Tisch stand, an dem die fünf Ganoven vergnügt zechten und Karten spielten.

      Mehr Möbel gab es in der sonst völlig leer stehenden Villa nicht, doch es reichte für den vorübergehenden Aufenthalt der Gangster. Sie waren nach dem Banküberfall nach zahlreichen Umwegen und Richtungsänderungen hierhergekommen.

      „Versuch noch mal den Boss zu erreichen, Willie“, schnarrte ein pockennarbiger Kerl.

      Willie streifte eben einen größeren Gewinn mit sichtlicher Befriedigung ein. Grinsend stopfte er das Geld in die Taschen, bevor er sich erhob, um zu dem auf dem Boden vor dem hohen Fenster stehenden Telefon zu gehen.

      Er nahm den Apparat lässig auf, balancierte ihn auf der Handfläche, während er den Hörer auf die Schulter legte, und wählte die Nummer, indem er mit dem Zeigefinger sorgfältig in die Löcher der Wählscheibe stach.

      Er ließ es mehrmals läuten und wollte schon wieder auflegen, da kam die Verbindung doch noch zustande.

      „Ja?“, fragte eine Stimme vorsichtig. „Ich bin’s. Willie, Boss.“

      „Alles okay, Willie?“

      Willie strahlte bei seiner Erfolgsmeldung. „Hat alles bestens geklappt, Boss. Hätte sich gar nicht besser abspielen können.“

      „Habt ihr jemand umgelegt?“

      „Nein, Boss. War nicht nötig. Haben alle hübsch brav gespurt — bis auf den alten Kassierer“, erzählte Willie.

      „War zu erwarten“, knurrte der Boss. „Was habt ihr mit ihm gemacht?“

      „Ich hab’ ihm eins mit dem Revolverkolben übergebraten“, grinste Willie. „Er wird es überleben.“

      „Gut gemacht, Jungs“, lobte der Boss. „Ihr bleibt jetzt noch zwei Stunden in eurem Versteck. Dann fährt Buggy mit dem Geld zu Floyd, kapiert?“

      „Ja, Boss.“

      „Ihr anderen geht nach Hause. Keiner rührt heute einen Tropfen Alkohol an, klar? Wir treffen uns dann morgen bei Phil zu ’ner kleinen Feier.“

      Willie nickte erfreut. „In Ordnung, Boss. Gute Nacht, Boss.“ Er ließ den Hörer aus zehn Zentimeter Höhe auf die Gabel fallen, und zwar so, dass seine Freunde ihn dabei beobachten konnten. Dann stellte er den Apparat wieder auf den Boden und kam an den Tisch zurück.

      „Was hat er gesagt?“, erkundigte sich der Pockennarbige ungeduldig.

      Willie grinste strahlend


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