Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland

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Dünne hatte bereits einige Vorarbeit geleistet. Auf dem Schreibtisch lagen sechs neue Karteikarten. Ich lag richtig, als ich vermutete, dass es die frisch ausgestellten Karteikarten der fünf Bankräuber und diejenige von Peter Stewart waren.

      „Wen wollen Sie als erstes sehen?", erkundigte sich der Dünne mit taktvoll gedämpfter Stimme.

      „Peter Stewart“, erwiderte Tom Harris.

      Der Leichenheini nickte servil. Er warf einen Blick auf die Karteikarte, merkte sich die rechts oben vermerkte Nummer, trat zu einer übersichtlichen Knopftafel und drückte die entsprechende Taste nieder.

      Es erklang das leise Surren eines Elektromotors. Wie von Geisterhand bewegte sich plötzlich ein Segment aus der langen Wand, hinter der die unsichtbaren Kühlboxen ihrer Aufgabe nachkamen, die Leichen frisch zu halten.

      Der Körper des Toten war mit einem Leinentuch zugedeckt.

      Wir gruppierten uns mit verhaltenem Atem um den Leichnam. Obwohl mir vor allen Dingen die frostige Kälte aus der Box entgegenschlug, wehte mir doch auch ein penetrant süßlicher Leichengeruch in die Nase.

      Selbst dann, wenn man so etwas mehr oder weniger oft erlebt hat, kann man sich an diesen eigenartigen Geruch nicht gewöhnen. So riecht der Tod. Und man schaudert, wenn man damit konfrontiert wird.

      Mirja Stewart hielt sich tapfer. Steif und aufrecht wartete sie darauf, dass der Dünne das Leinentuch hochheben würde.

      Der Dünne blickte aber zuvor noch auf Tom, und erst als dieser ihm zunickte, zog er das weiße Laken von Peter Stewarts Kopf und legte den Saum auf die Brust des Toten.

      Es ging einem ans Herz, die frischen Züge des Jungen zu sehen und zu wissen, dass sie nichts mehr auf dieser Welt zum Lachen bringen konnte.

      Das Gesicht des Jungen war grau. Die blutleeren Lippen klafften ein wenig auf und ließen die Schneidezähne unter der Neonbeleuchtung matt schimmern.

      Mirja Stewart nickte Tom Harris zu. „Er ist es. Das ist mein Bruder Peter.“

      Sie wandte sich um und wollte einen Schritt zurück machen. Ich erkannte, dass sie das Gleichgewicht im selben Moment verlor, und sprang zu ihr. Gerade noch rechtzeitig, um sie aufzufangen, sonst wäre sie lang auf die kalten Steinfliesen hingeschlagen.

      Tom half mir, sie zum Schreibtisch zu tragen. Dort setzten wir sie auf den Stuhl und bemühten uns um sie.

      Ihre Ohnmacht dauerte zum Glück nur eine halbe Minute. Als sie die Augen wieder aufmachte, blickte sie uns benommen an. Dann lächelte sie traurig und bat uns um Entschuldigung.

      Tom bat sie, vorläufig auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Dann ging er mit Susan und mir zu dem Dünnen und forderte ihn auf, uns die toten Bankräuber vorzuführen.

      Wir kannten keinen von ihnen, und ich sah Susan an, dass sie froh war, die Sache so schnell hinter sich gebracht zu haben.

      Mirja Stewart hatte sich inzwischen so weit erholt, dass sie mit uns, aber ohne unsere Hilfe, das Leichenschauhaus verlassen konnte.

      „Können Sie uns dafür irgendeine Erklärung geben, Miss Stewart?“, fragte Tom als wir aus dem Leichenschauhaus waren. „Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht mehr helfen kann, Mr. Harris.“ Tom lachte bitter. „Lassen Sie sich deshalb keine grauen Haare wachsen, Miss Stewart. Ich wäre schon zufrieden, wenn Sie mir gestatteten, einen Blick in Peters Zimmer zu werfen.“

      „Jetzt?“, fragte Mirja erstaunt.

      Mirja sah ihn mit stumpfem Blick an.

      Sie wirkte geistesabwesend, als sie den Kopf schüttelte.

      „Kannten Sie Peters Freunde, Miss Stewart?", erkundigte sich Tom.

      „Nein“, sagte Mirja leise. „Er vertraute sich mir überhaupt nie an. Er sprach selten mit mir über seine Pläne und eigentlich nie über seine Freunde. Ich hätte wissen sollen, dass das einen Grund hatte.“

      „Er wohnte bei Ihnen?“

      „Ja.“

      „Wurde er nie von einem Freund abgeholt?“

      „Nie.“

      „Haben Sie vielleicht mal zufällig einen Revolver bei seinen Sachen entdeckt?“

      „Ich habe seine Sachen nie angerührt. Er wollte das nicht. Er wollte überhaupt in Ruhe gelassen werden.“

      „Warum zog er dann nicht einfach aus?“

      „Das hatte er nicht nötig. Ich wusste, dass er in Ruhe gelassen werden wollte, und ließ ihn deshalb in Ruhe. Wozu also hätte er ausziehen sollen?“

      „Arbeitete Ihr Bruder, Miss Stewart?“

      „Nicht regelmäßig.“

      „Was machte er?“

      „Er machte alles, wenn er Geld brauchte, nehme ich an. Er hat mit mir nie darüber gesprochen.“

      „Hatte er immer Geld?“

      „Ich glaube schon.“

      „Woher?“

      „Ich habe keine Ahnung, Mr. Harris.“

      Tom nickte. „Na ja“, sagte er resignierend. „Ich bring’ Sie wieder nach Hause, Miss Stewart.“

      Mirja Stewart sah Tom traurig an.

      „Wenn es sich einrichten ließe, ja.“

      Sie zuckte die Achseln. „Meinetwegen.“

      Tom verabschiedete sich von uns, wir sprachen Mirja Stewart nochmals Trost zu und falteten uns dann in meinen Mustang.

      „Wie findest du Mirja?“, fragte mich Susan während der Fahrt nachdenklich.

      „Nett“, erwiderte ich aufrichtig. „Sie tut mir leid. Scheint sehr an ihrem Bruder gehangen zu haben.“

      „Sie kam mir irgendwie eigenartig vor“, sagte Susan und verschränkte die Hände vor den Knien.

      „Eigenartig? Wieso?“

      „Sie schien nicht ganz bei der Sache zu sein.“

      „Na, hör mal, sie ist sogar in Ohnmacht gefallen“, entrüstete ich mich. „Mehr hätte sie wohl kaum bei der Sache sein können.“

      „Ich meine nachher“, entgegnete Susan kopfschüttelnd. „Ich hatte das Gefühl, sie dachte an etwas anderes, während sie mit Tom sprach.“

      „Wundert mich gar nicht“, brummte ich. „Schließlich hatte sie vor der Leiche ihres Bruders gestanden. Sie hat einen Schock erlitten. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Deshalb machte sie auf dich diesen zerfahrenen Eindruck.“

      Susan stieß einen leisen Seufzer aus. „Wollen hoffen, dass du recht hast, Biff.“ Damit war für sie die Sache vorderhand abgeschlossen. „Darf ich dich um einen kleinen Gefallen bitten?“, schwenkte sie plötzlich in eine ganz andere Richtung um.

      Mein Blick glitt langsam über Susans herrliche Schenkel, die beachtlich weit aus dem kurzen Minirock herausragten.

      „Ich bin für jeden Gefallen zu haben“, grinste ich anzüglich.

      „Dann mach doch bitte den kleinen Umweg zu meiner Schneiderin, Biff. Du weißt doch, dass heute Abend bei meinen Freunden eine Party steigt. Ich hab’ mir einen schicken Hosenanzug bauen lassen, bin aber noch nicht dazu gekommen, ihn abzuholen.“

      „Wenn’s weiter nichts ist“, tönte ich sauer. „Dachte schon, du hättest Appetit auf einen nackten Biff bekommen.“

      9

      Die Party war noch auf vollen Touren, als die große Pendeluhr in der Diele zwei Schläge machte.

      Susan hatte sich gut amüsiert, war nun


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