Gemordet wird in langen Sommernächten: Krimi-Lesefutter Thriller Paket. A. F. Morland
der „Chicago News“.
Verglich man die Handtasche mit Susans neuer Frisur, musste man dem abenteuerlichen Gebilde bescheinigen, dass es richtiggehend harmlos wirkte.
„Ist was passiert?“, erkundigte sich Charles und tupfte den Schweiß mit seinem weißen Taschentuch von der Stirn.
„Hatte Mao Tsetung eine Fehlgeburt?“, wollte ich wissen.
Ohne ein Wort zu sagen, klatschte Susan die auseinandergefaltete Zeitung auf den Tisch.
Neunhundertfünfzigtausend Dollar bei Bankeinbruch erbeutet. Von den Tätern fehlt jede Spur.
Charles und ich überflogen den fettgedruckten Reißer mit sichtlichem Interesse. Als ich die Stelle erreichte, wo erwähnt wurde, dass man eine Prämie in der Höhe von zehn Prozent für die Wiederbeschaffung der neunhundertfünfzig Riesen ausgesetzt hatte, wusste ich, warum Susan uns das Extrablatt gebracht hatte.
„Ich nehme an, du kommst nicht mehr so recht mit deinem Taschengeld klar“, lächelte ich meine Partnerin an.
„Zehn Prozent von neunhundertfünfzigtausend Dollar sind ..."
„Ein Vermögen“, grinste ich.
„Ein richtiges Vermögen“, tönte Charles Lenoire beeindruckt. „Ich glaube, wir sollten uns darum kümmern.“
Ich zuckte die Achseln. „Wenn Charles meint“, sagte ich zu Susan. „Hast du schon einen Plan, Partnerin?“
Susan schüttelte den Kopf. Dadurch wurde ich wieder auf die Farbenpalette aufmerksam. Ich hätte den Friseur verdroschen, wenn er das mit meinem Haar gemacht hätte.
„Es wäre vielleicht ganz gut, wenn Charles sich mal in der Bank umsehen würde“, schlug Susan vor.
„Ganz offiziell?“, wollte Lenoire wissen. Schließlich war das mit unserer Privatdetektei so eine Sache. Susan und ich arbeiteten nämlich hauptsächlich für den Special Government Service, kurz SGS genannt. Unsere Aufgabe bestand darin, Fälle zu lösen, die weder in den Zuständigkeitsbereich des FBI, noch in den des CIA oder CIC fallen. Die Privatdetektei war eigentlich nur unser Tarnungsschild, hinter dem wir operierten. Da eine Privatdetektei jedoch auch hin und wieder ihrer Bestimmung entsprechend zu funktionieren hat, hatten wir Charles Lenoire und Julia Hickson angestellt. Die beiden lösten für uns die privaten Fälle, und wir gingen ihnen manchmal an die Hand oder übernahmen aus Tarnungsgründen auch mal selbst einen privaten Fall, um nach außen hin den Schein zu wahren.
„Warum eigentlich nicht ganz offiziell?“, fragte Susan Tucker zurück. „Unsere Detektei ist an den zehn Prozent interessiert. Darüber wird sich bestimmt niemand wundern.“
„Dann werde ich mal die Fühler zum FBI ausstrecken“, meinte ich und ging ans Telefon. „Gute Beziehungen sind schließlich dazu da, um ausgenützt zu werden.“
„Was hast du vor, Biff?“, fragte Susan.
„Ich werde unseren lieben Freund Tom Harris anrufen und ihn von dem soeben gefassten Entschluss in Kenntnis setzen. Sollten wir das unverschämte Glück haben, dass sich der FBI mit dem Bankraub befassen muss, könnte Tom uns doch einen heißen Tipp zukommen lassen. Schließlich kann es dem Distriktchef Mr. Small und seinen Leuten nur recht sein, wenn wir uns ebenfalls um die Sache kümmern. Ihnen wie uns geht es doch in erster Linie darum, dass das Verbrechen gesühnt wird.“
„Ich dachte, uns geht es um die zehn Prozent, Biff“, warf Lenoire erstaunt ein.
„Das eine schließt doch das andere nicht aus, Charles“, erwiderte ich grinsend.
Dann wählte ich die mir bestens geläufige Nummer der FBI-Zentrale.
7
Montague Ross wohnte nicht. Er residierte. Er war ein kleiner Mann, etwas zu dick geraten und wegen seiner geringen Größe mit Komplexen beladen, die er dadurch zu kompensieren trachtete, dass er sich mit Prunk und teuren Dingen umgab. An den dicken Wurstfingern trug er protzige Goldringe, eine goldene Armbanduhr am Handgelenk, und man munkelte, dass sogar die Armaturen seiner Toilette aus purem Gold waren.
Ross war hartherzig und brutal. Er war der Chef einer Bande von Killern, die bedenkenlos ausführten, was er von ihnen verlangte.
Es war seine Idee gewesen, den fünf Bankräubern die Beute abzunehmen. Dass seine Leute das auf jene Art machten, die ihnen am besten lag, störte ihn dabei weiter nicht. Für Montague Ross zählte stets nur der Erfolg. Wie er erreicht wurde, war ihm Nebensache.
Deshalb war er auch vollkommen mit dem einverstanden, was seine Freundin Mei Chen ihm eben erzählt hatte.
Er saß verschwindend klein in dem riesigen Ohrenfauteuil. Die runde Knollennase leuchtete rötlich zwischen den aufgedunsenen Wangen und war der Blickfang in dem sonst nichtssagenden Gesicht.
Ross nickte zufrieden. Er nippte von seinem White Label, rutschte vom Fauteuil auf die kurzen Beine und lief auf dem teuren Hochflorteppich auf und ab.
„Weiß es Mirja schon?“, fragte er, hielt vor dem an der Wand hängenden Kristallspiegel, betrachtete seine unvorteilhafte Erscheinung eine Weile und zupfte dann versonnen an seiner Krawatte herum.
Mei Chen schüttelte den Kopf. „Nein, Mon.“
„Dann soll sie es jetzt erfahren“, sagte Montague Ross kalt. Er trippelte zum Telefon, hob den Hörer von der Gabel und bellte; „Mirja soll zu mir kommen. Sofort.“
Es dauerte drei Minuten. Dann schwang die ledergepolsterte Tür auf, und ein Mädchen mit langem blondem Haar trat ein. Sie war reizend, hatte eine perfekte Figur, blaue Augen, einen vollen, sinnlichen Mund und wohlproportionierte Brüste. Die Beine waren lang und schlank und gerade gewachsen. Ihr Gesicht war ausdrucksstark und verriet viel Intelligenz.
Mirja Stewart war für Montague Ross so etwas wie eine Sekretärin. Mehr als das zu sein, hatte sie bereits öfters mit größtem Nachdruck abgelehnt, nachdem der kleine Ross schon mehrmals versucht hatte, sie mit eindeutigen Angeboten zu seiner Geliebten zu machen.
Ross hockte sich wieder in seinen Ohrenfauteuil. „Los, Mei Chen! Sag’s ihr! — Setz dich, Mirja!“
Mirja Stewarts Blick wanderte fragend zu dem ausdruckslosen Gesicht der Chinesin. Sie setzte sich steif und wartete unsicher auf das, was Mei Chen ihr sagen würde.
Mei Chen vermied es, Mirja in die Augen zu sehen, als sie zu sprechen anfing. „Es — es handelt sich um deinen Bruder, Mirja. Pete hat uns arg zugesetzt, mitkommen zu dürfen. Ich war von Anfang an dagegen gewesen, aber Joe und Jack erlaubten es ihm. Es wäre besser für ihn gewesen, hierzubleiben.“
Mirja starrte Mei Chen besorgt an.
„Es kam zu einer Schießerei“, berichtete die Chinesin trocken weiter. „Pete bekam eine Kugel ab, Bauchschuss. Der arme Junge. Noch dazu mit einem Dumdumgeschoss. Ich will dir die Einzelheiten ersparen, Mirja. Es war furchtbar für ihn. Er hatte wahnsinnige Schmerzen. Ich hab’ mir die Verletzung angesehen. Pete war nicht mehr zu helfen. Wenn ich ihn in meinen Wagen genommen hätte, wäre er auf der Fahrt zum Arzt gestorben.“
Mirja blickte die Chinesin erschrocken an. „Du hast ihn einfach dagelassen?“, fragte sie entrüstet.
Mei Chen drückte mit der Antwort herum. Sie blickte nach Ross, und als dieser ihr aufmunternd zunickte, sagte sie: „Ich hab’ ihn von seinen Leiden erlöst, Mirja.“
Mirja Stewart riss entsetzt die Augen auf. „Was soll das heißen?“
„Du musst dich in meine Lage versetzen, Mirja“, sagte Mei Chen zögernd. „Vor mir lag Pete. Er wand sich in höllischen Schmerzen. Er flehte mich an, Schluss zu machen. Er bettelte um eine Kugel. Was hätte ich tun sollen? Hätte ich den armen Jungen bis zu seinem qualvollen Tod leiden lassen sollen?“
Mirja Stewart schloss benommen die Augen. Sie hatte begriffen, wollte es jedoch nicht zur Kenntnis