Europa - Tragödie eines Mondes. Uwe Roth
wie zuhause in seiner kleinen Wohnung, die er noch nicht lange bewohnte. Nach dieser Reise würde er endlich auf die Suche nach einer Lebenspartnerin gehen. Es wurde für ihn endlich Zeit, eine Familie zu gründen. Aber jetzt würde er erstmal all sein Wissen und sein Können in die Führung dieses außergewöhnlichen Schiffes stecken. Trotz der großen Gefahr, in die sie sich begeben würden, waren alle von ihrem Vorhaben begeistert. So verwunderte es auch nicht, dass jeder dem Captain mit Begeisterung zustimmte.
Nachdem sich jeder vom Chef des Bodenpersonals verabschiedet hatte, schwamm dieser aus dem Schiff heraus.
„Ich wünsche Ihnen viel Glück und eine erfolgreiche Mission“, sagte er zu ihnen. Als er das Schiff verließ, sah er nochmal kurz zurück und erblickte in den Augen der Mannschaft Zuversicht und Begeisterung für diese Mission. Das beruhigte ihn und er konnte so mit Zuversicht das Schiff verlassen. Kakom verschloss die Eingangsluke mit einem Knopfdruck. Mit einem Zischen bewegte sich die Luke von oben nach unten und schloss die Mannschaft somit ein.
„So Freunde, nun sind wir auf uns allein gestellt. Ich hoffe, unsere Mission ist von Erfolg gekrönt. Begeben wir uns also auf unsere Plätze und warten den Startbefehl ab.“
Zeru konnte es immer noch nicht glauben, dass sie bei dieser Mission dabei war. Von dem Gedanken geprägt, bald das Oben selbst zu sehen, zu erfahren, wie das Oben geschaffen war, woher die Signale kamen, die sie auffingen und vor allem, zu erfahren, ob ihr Artefakt nun wirklich von dem Oben kam, ließ sie sich hinabgleiten in eine Stimmung des Glücks. Dass alles bewegte sie so sehr. Voll Enthusiasmus und Aufregung folgte sie den Anderen.
Alle sechs schwammen zurück in die Kommandozentrale. Vorn nahmen der Captain Tarom und der Mechaniker Kakom Platz. Kakom war gleichzeitig berechtigt, das Schiff in Vertretung des Captains zu steuern. Hinter ihnen saßen der Regierungsbeauftragte Shatu, sowie der Geograph Jerum und Zeru. Waru, der Biologe und Arzt, saß an einer Nebenkonsole, von der er die Instrumente für sämtliche Bioscans überblicken konnte.
„Wann werden wir starten, Captain?“ fragte Zeru. Ihre innere Unruhe ließ sie einfach nicht los. Sie hoffte, dass ihre Aufregung nicht zu offensichtlich bemerkt wurde. Dennoch musste sie nach dem Zeitpunkt der Abreise fragen. Der Captain drehte sich zu ihr um und wollte gerade antworten, als Shatu, der Regierungsbeauftragte ihm ins Wort fiel.
„Wir werden noch etwa eine Stunde warten müssen. Nachdem wir die neuesten Informationen von der Eisbarriere erhalten haben, werden die dort draußen unseren genauen Kurs bekannt geben. Erst wenn das getan ist, werden wir in unser Abenteuer starten. Also haben Sie noch etwas Geduld.“
Zeru sah den Regierungsbeauftragten ganz erstaunt an. Wie kam dieser Regierungsschwimmer dazu, sich in diese wissenschaftliche Expedition einzumischen. Auch wenn es ums Überleben ihrer Spezies ging, war es immer noch eine wissenschaftliche Expedition. Und da durfte die Regierung keinen Einfluss drauf nehmen. Da war sie sich sicher.
„Ich habe mit dem Captain gesprochen und nicht mit Ihnen. Ich verstehe sowieso nicht, wieso auf unserer Expedition ein Regierungsvertreter anwesend sein muss.“
„Das kann ich Ihnen ganz genau erklären!“ Shatu, der eine Sonderstellung in der Regierung einnahm, unterbrach die junge Wissenschaftlerin ungern. Aber er wusste, dass sie ihm nur so respektieren würde. Sein gewissenhafter Umgang mit dem vielen Wissen, dass er sein Eigen nannte, wenn es um die Beurteilung von fundamentalen Entscheidungen ging, machten ihn zu einem wichtigen Unterhändler dieser Mission. Bei wichtigen Entscheidungen hatte er das letzte Wort, auch gegen über dem Captain.
„Dann versuchen Sie mir das doch zu erklären.“ In Zeru machte sich großer Ärger breit. Immerhin hätte statt diesem Shatu ein wichtiger Wissenschaftler an Bord Platz gefunden.
Shatu sah Zeru amüsiert über ihre naive Art neckisch in die Augen. Er war, trotz ihrer naiven Art, ganz angetan von dieser jungen Wissenschaftlerin.
„Immerhin könnte es sein, wenn ich Ihnen und Ihrem Professor Bereu Glauben schenken soll, dass wir Kontakt mit etwas bekommen, das für unsere Anschauung der Welt fundamentale Veränderungen bringen würde. Immerhin waren Sie es ja, werte Zeru, die diese Signale aufgefangen hat. Und so viel wie ich weiß, kennt niemand die Herkunft dieser Signale, geschweige denn, deren Bedeutung. Da macht es nur Sinn, dass jemand von der Regierung mit dabei ist. Und ich“, er betonte dieses „ich“ besonders, “werde diese Verhandlungen führen, damit wir unserer Welt so schnell wie möglich helfen können.“
Voll Triumph lehnte sich Shatu in seiner Sitznische zurück. Zeru war positiv geschockt von seiner Aussage. Nicht nur der Präsident, von dem jeder wusste, dass er nur eine Marionette der Regierung darstellte, sondern auch die hohen Gremien selbst, erwägten tatsächlich die Möglichkeit, dass sie und Professor Bereu recht haben könnten. All die vielen Zeitzyklen des Versteckens und des Verschweigens von Forschungsergebnissen. Sollte diese Zeit nun vorbei sein? Sie konnte es nicht glauben. Die Entscheidung, ihr Artefakt vor der Regierung geheim zu halten, fand sie immer noch als die richtige Entscheidung. Die Gremien in ihren prachtvollen, mit den schönsten Muschelwänden verzierten, Gebäuden bekamen nun Angst, da ihre einst so vollkommende Welt zusammenbrach und sie keinen anderen Ausweg sahen, als den Spinnern in ihren Laboren etwas mehr zu vertrauen als sonst. Davon würde sich Zeru aber nicht beirren lassen. Sie würde weiterhin alles daransetzen, den Geheimnissen des Schleiers auf den Grund zu gehen. Aber Zeru wusste auch, dass Shatu recht hatte. Sie war die Wissenschaftlerin, die die Geheimnisse aufdeckte. Aber wie mit diesen Geheimnissen umgegangen werden sollte, das hatte sie nicht zu entscheiden. Dafür war Shatu da. Tarom verfolgte diesen Disput eine Weile interessiert mit. Auch er hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Regierungsbeauftragten. Aber hier und jetzt war er froh, dass einer da war.
„Na, nun ist aber gut. Sie werden sich doch nicht jetzt schon streiten, wo wir noch gar nicht losgeschwommen sind. Im Übrigen finde ich es ganz gut, dass jemand von der Regierung dabei ist. Wer weiß, über was wir noch zu entscheiden haben.“
Zeru war froh, von Tarom in ihrem Disput mit Shatu gestoppt geworden zu sein. Sie hätte sich in sonst was rein steigern
können. So war sie eben.
Neben dem Captain amüsierte sich Kakom, der diese Diskussion ebenfalls mitverfolgte.
„Das kann ja eine lustige Reise werden“, scherzte er. Er wusste mit all dem nichts anzufangen. Für ihn zählte nur, ob er und die anderen Konstrukteure des Schiffes gute Arbeit geleistet hatten und dass er gesund und wohlbehalten wieder von dort oben zurückkehren würde.
„Da wir noch Zeit haben, werde ich noch einmal in den Maschinenraum schwimmen und nachsehen ob dort alles in Ordnung ist.“
Kakoms Ansage kam zur richtigen Zeit, um diesen Zwist zu beenden.
„Tun sie das Kakom. Ich melde mich bei Ihnen, wenn wir starten.“
„In Ordnung Captain.“
Kakom löste sich von seinem Sitz und schwamm zur Luke. Mit einem Zisch fuhr die Luke nach oben. Nachdem Kakom durch sie hindurch war, schloss sie sich mit eben dem gleichen Zischen nach unten. Der Captain drehte sich zu Zeru um.
„Zeru, hat Ihr Professor Bereu inzwischen noch mehr aus den Signalen entschlüsseln können?“
Seitdem sie von dem Forschungszentrum aufgebrochen war, stand sie ständig in Verbindung zu Professor Bereu. Sie tauschten sich über die neuesten Ergebnisse aus. Bis auf die Erkenntnisse, die sie im Zentrum erringen konnten, gab es aber keine neuen Ergebnisse. Sie persönlich empfand das als sehr frustrierend. Egal, wie sie mit den Daten umging, es führte zu keiner neuen Erkenntnis.
„Ich habe vor kurzem noch mit ihm gesprochen. Er konnte aber keine neuen Ergebnisse nennen.“
„Das ist schade“, antwortete der Captain, der weiterhin an seinen Instrumenten Werte ablas.
„Ich habe aber die Dateien mitgebracht und werde weiterhin in dem schicken Labor hinter uns daran arbeiten.“ Sie hatte im Vorfeld erfahren können, dass auf dem Schiff ein voll ausgestattetes Labor existierte, in dem sie ihre Forschungen weiterführen konnte. So warteten sie in dem Aufstiegsschiff auf den Startbefehl, der immer näher rückte.
3.