Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018. Cedric Balmore

Auswahlband Schicksalsroman 8 Romane in einem Buch September 2018 - Cedric Balmore


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interessiert das nicht“, erklärte Doris rundweg. „Es ist seine Sache und die seiner Frau. Ich habe auch meine Probleme. Jeder hat sie.“

      „Recht haben Sie, Schwester Doris. Vergessen wir das. Sie sind jedenfalls nicht eine von denen, die Doktor Graf schöne Augen macht. Am Ende sind die Kerle alle gleich. Meiner ist auch hinter jedem Rock her.“

      „Sie sind verheiratet?“, fragte Doris Interesse heuchelnd und hoffte, dass sie damit auf den grünen Knopf gedrückt hatte, der Schwester Silke bewegen konnte, nun von sich zu reden und keine Fragen mehr zu stellen.

      „Ja, das bin ich“, sagte die Stationsschwester. „Auch wenn ich keinen Ring trage. Der hindert im Dienst. Verheiratet mit dem liebsten Mann der Welt, und manchmal könnte ich den Kerl in die Hölle schießen. Aber so sind sie alle. Wenn er irgendwo eine Frau sieht, verrenkt er sich den Hals. Die geben sich gar keine Mühe, das zu verbergen. Das tun sie nur vor der Ehe. Wenn man einmal das Jawort gegeben hat, ist es aus.“

      „Arbeitet Ihr Mann im medizinischen Bereich?“, fragte Doris.

      Schwester Silke schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Er ist beim Theater an der Kasse. Wenn Sie übrigens mal für die Oper Freikarten haben wollen, falls Sie sich für Oper interessieren, er bringt mir manchmal welche mit. Ich mag Opern nicht. Und schon gar nicht die von Wagner. Da sitzt man die halbe Nacht und bekommt rote Flecken am Hintern. Das hört und hört nicht auf, und sie singen immer wieder dasselbe. Grässlich.“

      Doris lächelte. „Aber eine Oper ist doch schön. Wenn sie gut gespielt wird. Es muss nicht gerade Wagner sein. Aber Mozart. Denken Sie doch an 'Zauberflöte'.“

      Schwester Silke winkte ab. „Hören Sie auf. Alles dasselbe. Und dieses hin und her Gesinge, das geht mir einfach auf den Wecker. Ich kann auch nicht so lange herumsitzen.“

      „Und Ihr Mann?“

      „Der geht überhaupt nicht hin. Wenn es den juckt, sieht er sich mal eine Probe an. Er kann ja überall hin. Aber es macht ihm wohl auch keinen Spaß. Da gehen wir lieber zum Trabrennen. Haben Sie Spaß am Trabrennen?“

      Doris schüttelte den Kopf. „Nein. Das macht doch nur Spaß, wenn man wettet. Und ich wette nie.“

      „Ich wette für mein Leben gern“, erklärte Schwester Silke. „Und ich habe auch schon ein paarmal gewonnen. Allerdings“, fügte sie betrübt hinzu, „öfter noch verloren. Dabei hatte ich immer so gute Tipps.“

      Schwester Christa und Heidi kamen von der Kantine zurück. Die beiden hatten offenbar Streit miteinander gehabt. Ihre Gesichter wirkten gerötet, ihre Augen zornig. Schwester Heidi ging weiter, Schwester Christa kam ins Stationszimmer.

      Die Tür war noch nicht hinter ihr zu, da keifte sie wütend:

      „Diese Schneeziege. Bildet sich ein, sie hätte eine Chance bei Doktor Graf. Wie die den anhimmelt, das ist schon nicht mehr schön. Das sollte eigentlich verboten werden. Was der einfällt. Als wenn der sich mit so einer abgäbe.“ Doris lachte in sich hinein, ließ aber äußerlich nicht erkennen, was sie dachte. Das tat stattdessen Schwester Silke.

      „Und du?“, fragte sie. „Bist du anders? Du bist doch genauso wie Heidi. Ganz verrückt bist du auf den.“

      „Das ist nicht wahr. Das ist eine Unterstellung“, behauptete Schwester Christa.

      Schwester Silke schnitt ihr das Wort ab. „In 210 hat jemand geläutet. Nun geh schon hin!“

      „Ach, das ist diese Alte. Die könnte ich vergiften. Die quengelt immer herum.“

      „Wenn man siebenundachtzig ist und solche Nierensteine hat“, sagte Schwester Silke, „da ist man nicht mehr so geduldig. Nun geh endlich!“

      Schwester Christa machte noch eine schnippische Bemerkung, dann verschwand sie.

      „Ich hätte ja auch gehen können“, sagte Doris.

      „Nein. Wieso eigentlich. Für diese Sachen sind wir nicht zuständig. Wir sind die Stationsschwestern. Und 210 gehört zum Bereich von Christa. Das ist sowieso ein faules Luder. Die werden Sie noch kennenlernen. Übrigens sollten wir uns nicht duzen? Es ist hier allgemein üblich. Sogar die Ärzte duzen sich untereinander, abgesehen vom Chef.“

      Doris legte auf so etwas nicht viel Wert, aber sie wollte sich auch nicht ausschließen.

      „Also gut“, sagte sie.

      Sie gaben sich die Hand, und dabei blieb es. Das Telefon schellte.

      „Wer ist denn das schon wieder?“, meinte Schwester Silke und nahm ab.

      Sie meldete sich, blickte dann sofort auf Doris und sagte: „Ja. Ich sag es ihr.“ Dann legte sie wieder auf. „Es ist für dich. Doktor Graf möchte dich sprechen. Er ist im Arztzimmer nebenan. Der hätte auch seinen Hintern hochheben und einmal hierherkommen können, statt anzurufen. Aber so ist der. Der lässt uns tanzen wie die Puppen, wenn es ihm in den Kopf kommt. Mit dem bekommst du noch eine Menge Spaß. Auf der anderen Seite ist er sehr korrekt. Aber ein komischer Heiliger ist er doch.“

      „Wie meinst du das?“, fragte sie und sah die Kollegin an.

      Die zuckte die Schultern. „Na ja, ich erzähle es dir ein andermal. Weißt du, da wo er wohnt, ist auch die Wohnung meiner Tante. Sie hat ihre Wohnung direkt unter ihm. Er wohnt oben unterm Dach. Schräge Wände und so. Ganz kleine Bude. Nur zwei Zimmer. Altes Haus. Er könnte sich wirklich etwas Besseres leisten. Aber so ist er nun mal. Und von meiner Tante weiß ich da einiges. Er hat eine Aufwartefrau, die auch viel mit meiner Tante spricht. Ältere Frau ist das. Der haust wie ein Junggeselle. Schlimm, sage ich dir. Nun geh schon zu ihm! Sonst wird er ungeduldig. Dann ist er besonders wild.“

      Doris lächelte. Und sie hatte schon die Türklinke in der Hand, da rief ihr Schwester Silke noch nach: „Den musst du dir erziehen, sag ich dir. Lass den bloß nicht übermütig werden! Als Arzt ist er große Klasse. Da gibt es nichts. Aber als Mensch ... bei dem ist einiges nicht klar. Der muss erst mal Ordnung in sein Privatleben bringen. Und jetzt zisch ab! Sonst tobt er wieder. Mit mir hat er vorgestern herumgebrüllt.“

      Als Doris bei ihm eintrat, saß er hinten an, dem kleinen Schreibtisch, hatte Nadel und Zwirn in der Hand und versuchte, sich einen Knopf an seinem Hemd anzunähen. Hilfesuchend blickte er Doris entgegen.

      „Schwester Doris, können Sie mir helfen? Ich kriege das nicht hin.“

      „Was denn? Den Knopf anzunähen?“, fragte Doris überrascht.

      „Genau das. Ich hätte es ja irgendeiner anderen sagen können. Aber die denken da immer sonst etwas. Wenn es Ihnen nichts ausmacht ...“

      Es machte ihr nichts aus. Ein paar Stiche, und der Knopf war angenäht.

      Bewundernd schaute er sie an. „Wie Sie das können!“

      „Reden Sie keinen Stuss, Herr Doktor Graf. Wenn Sie sich etwas bemühen, können Sie das auch. Ich stehe nicht auf Komplimente.“

      „Das habe ich schon gemerkt“, meinte er knurrig. „Aber Sie streiten sich für Ihr Leben gern, nicht wahr?“

      „Ist sonst noch etwas?“, fragte sie, statt darauf einzugehen.

      Er grinste wieder. „Nein, eigentlich nicht. Wollen wir heute Abend wieder ins Kino gehen? Aber diesmal in einen guten Film.“

      „Danke. Mein Bedarf an Kinobesuchen ist vorläufig gedeckt“, entgegnete sie und ging hinaus, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.

      Er starrte noch auf die Tür, als sie schon längst geschlossen war, und murmelte perplex ob ihrer Reaktion:

      „Donnerwetter. Die schlägt ja richtig zu!“

      4

      Die nächsten drei Wochen gingen dahin, ohne dass etwas Besonderes geschah, Doris und Dr. Graf waren manchmal wie Hund und Katze zueinander, aber im medizinischen Bereich arbeiteten sie hervorragend zusammen. Die ersten Tage, nachdem sie ihn wegen des Kinobesuchs abblitzen


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