Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart. Florian Juterschnig

Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart - Florian Juterschnig


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bei Paraden und vor der Kamera werden ließ. Schon beim Frühstück war heute irgendetwas anders gewesen. Das ließ sich nicht so leicht erklären, aber alle waren so still, irgendwie schweigsam. Es schien, als wollte man nicht mit ihr reden. Nicht dass jemand unfreundlich gewesen wäre, aber alle einschließlich Anne hatten sich von ihr ferngehalten, kurze knappe Antworten gegeben, oder taten so, als hätte sie eine Eingebung von ihr einfach überhört. Das war zwar gewissermaßen beunruhigend, aber Maggy tat dies einfach als Müdigkeit oder Kopflosigkeit ab, jetzt nach diesen anstrengenden Tagen. Auch dieses seltsame Verhör vermochte sie nicht recht einzuordnen. Hatte Elisa wieder einmal etwas angestellt? Ihre Schwester konnte sich in ihrer aufbrausenden Art schon einmal um Kopf und Kragen reden, aber das hatte bis jetzt auch nie hohe Wellen geschlagen, schließlich war sie trotzdem Akademieabsolventin, Parteileiterin und eine fleißige Krankenschwester. Maggy trat in den Aufenthaltsraum der Pension, wo sich ihre Klassenkameradinnen die Zeit bis zur Abreise mit Zeichnen, Lesen und Gedichte lernen vertrieben. Wieder kam diese eigenartige Stimmung auf. Als sie die Tür hinter sich schloss, warf man ihr finstere Blicke entgegen. Maggy fand das sehr seltsam. Mit eingezogenem Kopf, schon etwas ängstlich, schlich sie auf die Mädchen zu, welche sich immer enger zusammendrängten.

      „Guten Morgen?“ Wie auf Kommando drehten ihr alle den Rücken zu. Maggy verstand es immer noch nicht. „Was wird denn das hier?“

      Sie versuchte, das erste Mädchen umzudrehen, Sophie hielt mit aller Kraft dagegen.

      „Was soll denn das! Jetzt reicht es langsam. Das ist nicht mehr lustig!“ Sie nahm Elisabeth an der Hand und wollte sie aus der Reihe ziehen, aber diese riss sich missmutig los, schlug ihr beinahe ins Gesicht. Jetzt packte Maggy die nackte Panik, sie lief die Reihe entlang zu Anne, versuchte diese umzudrehen, die Mädchen hakten sich ein. Erste Tränen der Verzweiflung stiegen bei Maggy auf, sie riss und trat mit aller Kraft und versuchte Anne in ihre Richtung zu drehen. Schließlich drehten sich alle Mädchen wieder um. Maggy sah in das Gesicht ihrer besten Freundin.

      „Anne, was ist denn los? Sagt mir endlich, was das wird!“

      Für einen Moment beruhigte sich Maggy, sie glaubte zu verstehen. Was war sie nur für ein Angsthase!

      „Mich kann man so leicht hereinlegen“, murmelte sie erleichtert, lächelte matt. Sie hatte erwartet, dass Anne auch sogleich herzhaft losprusten müsste und sich der Haufen in wildem Gelächter auflösen würde. Doch niemand begann zu lachen. Anne rang sichtlich um Fassung, sah zu Boden und schüttelte geknickt den Kopf.

      Jetzt begriff Maggy, dass es wirklich ernst sein musste. Sie bekam kaum Luft, sah verzweifelt um sich, wollte schreien und wusste doch nicht wozu; so begann sie, bitterlich zu weinen. Die Mädchenreihe tat einen Appellschritt auf sie zu. Marie stach aus der Reihe heraus und wollte Maggy am Revers packen. Erschrocken sprang Maggy einen Schritt zurück, stolperte, kroch auf den Knien weiter und brach auf dem Perserteppich erst recht in Tränen aus. Was auch immer die Mädchen mit ihr vorhatten, es war definitiv kein Spaß mehr.

      Jemand hob Maggy von hinten hoch und stellte sie wieder auf die Füße. Schwester Edda wirkte aufgekratzt, erschöpft, sie würdigte Maggy keines Blickes. „So, Mädchen, wir haben uns noch ein wenig zu gedulden, bis wir zur Abreise kommen. Vertreibt euch die Zeit. Aber nicht mit sowas. Wer die Möglichkeit hat, kann nun Privatbesuche wahrnehmen. Nicht verspäten, die Bahn wartet nicht auf uns.“ Die Mädchen nickten, traten ab und stoben wieder auseinander, um sich ihren Büchern und Zeichenheften zu widmen. Maggy war sichtlich neben der Spur, fuhr sich aufgeregt durch ihre markanten blonden Haare.

      „Du gehst aufs Zimmer. Wir sprechen uns noch. Ab!“ Ängstlich nickte Maggy und lief in ihre Unterkunft. Ihr Bett hatte jemand auseinandergerissen, ihre Kleider lagen kreuz und quer durch den weitläufigen Schlafsaal verstreut. In einer Ecke fand sie ihren gelben Hut, die anderen Mädchen hatten ihn eingetreten, mit Stiften beschmiert. Zitternd ließ sie sich auf ihrem zerwühlten Bett nieder. Sie verstand die Welt nicht mehr. Die Mädchen, mit denen sie seit fast zwei Jahren die Akademie bestritt, mit welchen sie durch Himmel und Hölle gegangen war, die Schwestern für sie wurden und ganz besonders Anne, sie sprachen nicht mit mehr ihr. Es musste ein schrecklicher Irrtum sein, vielleicht war ja alles morgen schon wieder vorbei, plausibel zu erklären. Schwester Edda hatte ihre Geschwister erwähnt.

      Aber sie durfte ja auch nicht nach Hause gehen, um herauszufinden, was eigentlich geschehen war. Was auch immer nun passiert war oder folgen würde, Maggy fühlte den bitteren Ernst der Lage.

      „Exzellenz, das ist eine ausgemachte Katastrophe. Das können Sie so nicht mehr befürworten, wir werden das auf keinen Fall mittragen.“

      „Was? Wer? Die Ihren? Diese schießwütigen, kleinkarierten Offiziere, die ihre Rekruten verheizen?“

      „Dieses Gör hätte alles zerstören können.“

      Der alte Graf lächelte nur, rollte ein wenig amüsiert mit seinen grauen Augen und nippte am üblichen Schälchen Himbeer-Tee.

      „Ich denke nicht. Es war niemals, zu keinem Zeitpunkt, meine Absicht, jemanden zu solchen Schnellschüssen anzustacheln. Wovon ich Ihnen und Ihrer Kamarilla übrigens auch dringend abraten würde.“

      Generaloberst von Luchs nahm ebenfalls einen Schluck vom Tee. In dem schlechtsitzenden Zweireiher fühlte er sich mehr als unwohl, aber in voller Uniform in das Haus von ausgerechnet diesem amtsbekannten Mann zu spazieren, hätte wohl auch für ihn einen baldigen Besuch bei der Volkspolizei bedeutet.

      „Exzellenz, ich befürchte Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir den Glauben an derartige Überwinterungsmaßnahmen längst verloren haben.“

      „Sie enttäuschen mich. Nichts, was dieses Mädchen angerichtet hat, war in meinem Sinne. Sie hat aber auch nicht wirklich Schaden verursacht. Sie hat nur sich selbst gefährdet, vielleicht ihre engere Familie.“

      „Man wird ihren ganzen Bekanntenkreis durchleuchten. Dann wird schnell zu eruieren sein, woher der Wind weht. Dass Sie nicht selbst beunruhigt sind!“

      „Was soll man denn bei ihr finden? Außer einigen Aussagen kann sie nicht viel tätigen. Ob man dem wirklich Glauben schenken wird, bleibt abzuwarten.“

      „Wir werden es wieder selbst in die Hand nehmen. Wir sind nicht auf die Freiwilligkeit einfacher Leute angewiesen. Revolution von oben eben.“

      Roald ließ die Tasse sinken, er war sichtlich erregt.

      „Nein! Es ist viel zu früh! Wollen Sie das Schicksal unbedingt herausfordern und diesen Kindern aufs Schafott folgen? Das so kurz vor dem Sieg der Alliierten! Wir brauchen Männer wie Sie noch für das Leben danach! Für Bergen nach der Stunde null!“

      „Stellt sich die Frage, ob es das dann wirklich noch braucht. Ob wir das überhaupt in die Hand bekommen.“

      „Darüber werde ich mit Ihnen nicht diskutieren.“

      „Ich gedenke, auch ohne Sie einen Draht zum zivilen Widerstand einrichten zu können. Das Militär wird handeln.“

      „Wenn Sie schon so auf Ihr Militärgehabe aus sind, dann wissen Sie doch bestimmt um Dinge wie Reservenbildung, Nachschub, Ökonomie der Kräfte …“

      „Ja?“

      „Wie hat Mao die Schlacht von Huaihai gewonnen?“

      „Er ließ seine Männer solange unbewaffnet gegen die feindliche Festung anlaufen, bis seinem Gegner die Munition ausging.“

      Die Sonne stand hoch über der lebhaften Küstenstadt, während eine frische Brise vom Atlantik hereinblies. Hier an der markanten Nordspitze lag das Herz von Bergen. In der alten Hauptstadt Smarberg und seiner Nachbarstadt Strömstädt, mit seinen ganzen Schloten und Fabriken, konnte es schon einmal eng werden.

      Während die Besucher von außerhalb oft gemütlich schlenderten und die Prachtbauten im neuen Regierungsviertel bewunderten, klapperten die bekannten grasgrünen Straßenbahnen vorbei, Schulkinder verbummelten sich vor der Gemischtwarenhandlung.

      Die eigentlichen Einheimischen zogen schon einmal den Hut tief ins Gesicht, wirkten immer ein wenig kauzig und getrieben.

      So


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