Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart. Florian Juterschnig
– Nicht über Wochen. Auf keinen Fall über Wochen. Wir wissen nicht, wann der Krieg endlich endet, aber wenn sie bis dahin ein Exil gefunden hat…“
„Der Krieg wird noch ewig dauernd, dir ist nicht bewusst …“
„Laufwechsel!“
„Laufwechsel durchgeführt, MG feuerbereit! Dir ist nicht bewusst, dass wir alle hochgehen können wegen dem. Ich will nicht wegen deiner Schwester sterben. Zumindest nicht, wenn ich nicht selbst etwas gegen diese Schweine unternommen habe.“
„Stellungswechsel vorbereiten!“
„Stellungswechsel durchführen!“
„Stellungswechsel durchgeführt! Natürlich müssen wir was unternehmen. Aber wenn wir das so daneben machen wie Elisa, was soll uns schon blühen außer ein Strick um den Hals.“
„Ich dachte, das war aus einer Emotion heraus?“
„Mehr oder weniger … ich war ja auch nicht dabei.“
„Wir müssen nicht abhauen. Noch nicht!“
„Ich weiß nicht. Die haben mich gestern die ganze Nacht ausgefragt, jetzt habe ich Heimfahrsperre in der Kompanie, und wer weiß, was noch kommt.“
„Was gibt’s da zu reden! Aja, Schütze Stuart! Die Familie kennt mittlerweile die ganze Stadt. Ich bin wirklich erfreut, solche Menschen in meiner Truppe zu haben. Schämen Sie sich denn gar nicht?“
„Es tut mir leid, Herr Feldwebel. Ich billige die Taten meiner Schwester nicht, aber ich konnte sie nicht verhindern.“
Der Ausbilder packte ihn am Kragen. „Wer’s glaubt! Innerhalb einer Familie will er nichts gewusst haben! Aber hier ist er nicht einmal stark genug, das MG um die Ecke zu tragen!“
Er wandte sich direkt an Richard. „Du kleiner Scheißer, dir droht das Militärgericht. Das glaubt dir doch kein Mensch, dass du nichts wusstest. Wenn du die Kompanie irgendwie mit hineinziehst, dann … “
Ein Melder trat hinzu.
„Herr Feldwebel!“
„Kommandant Zwote Gruppe meldet sich beim MG-Drill!“
„Weitermachen! Schütze Stuart!“
„Hier!“
„Mitkommen! Melden Sie sich bei Major Gösch!“
„Da sehen Sie es, meine Herren; Verrätern wird auch beim Militär schnell geholfen. Mitten im Krieg haben wir wirklich keinen Platz für solche destruktiven Elemente. Der kann froh sein, wenn er in einer Strafkompanie landet. Ich weiß, Sie waren Kameraden, aber so jemanden zu decken hat nichts mit Kameradschaft zu tun. Sollten die Untersuchungen also ergeben, dass jemand von Ihnen ebenfalls in jene Geschehnisse verstrickt ist, so trifft ihn unweigerlich das gleiche verdiente Los. Laufwechsel durchführen!“
„Ich weiß nicht, ob wir das so machen sollten. Sie kann wirklich nichts dafür. Sie war uns immer treu.“
„Diese ältere Stuart-Schwester war immer schon ein aufmüpfiges Balg, man musste nur genauer hinhören.“
„Und wenn wir ihr alles verschweigen? Sie ist jung genug, um noch einmal neu anzufangen.“
„Es ist definitiv gelaufen, denken Sie einmal an unseren Ruf.“
„Sie haben recht, das nimmt uns die Partei nie im Leben ab.“
„Ich denke, es ist besser so, für uns alle. Trotzdem müssen wir jetzt ganz vorsichtig sein. Nichts überstürzen. Wir haben so einen Vorfall ja nicht zum ersten Mal.“
„Tatsächlich?“
„Leider, aber seien Sie unbesorgt, Schwester. Es gibt einen Maßnahmenplan für diesen Fall. Entschärfen Sie die Debatte möglichst, sehen Sie zu, dass die Klasse geschlossen zurückkehrt. Auch die anderen Mädchen brauchen letztlich eine gesonderte Maßnahme, um diesen Vorfall nicht falsch zu verstehen.“
„Wenn sie weg ist?“
„Ja?“
„Wird man ihr Leid antun?“
„Das entscheiden andere. Wahren Sie seelische Distanz. Es gehört zum professionellen Anspruch unserer Aufgabe, solche Dinge auszublenden. Ehrlicherweise sollten Sie auch überlegen, ob Mitleid hier überhaupt angebracht ist.“
„Danke, Herr Direktor.“
Schwester Edda hängte den Hörer auf. Wohl war ihr nicht, aber was blieb schon übrig, er hatte recht. Distanz, Sachlichkeit, Konsequenz, dafür war sie in die Jugenderziehung eingetreten, und in diesen Zeiten war wirklich kein Platz für Sentimentalitäten mit wertlosen Menschen, und wenn es auch Kinder waren.
„Alles auf! Stuart Margaret? Maggy, kommst du einmal?“
„Jawohl.“
„Komm mit. Setz dich.“
Schwester Edda hatte sie in ein fahles Nebenzimmer des Speisesaals geführt, sie schloss alle Vorhänge, eine zweite Lehrerin trat hinzu. „Wir werden dir jetzt ein paar Fragen stellen. Danach kannst du gehen. Aber du hast die Wahrheit zu sagen und uns alles zu beantworten.“
„Jawohl.“
„Ist dir bei deiner großen Schwester jemals etwas aufgefallen? In politischer Hinsicht?“
„Nein.“
„Hat sie gegenüber dir jemals politische Hintergründe zu erklären versucht?“ „Nein.“
„Sprecht ihr zu Hause über Politik?“
„Ja“
„Wer spricht über die Politik?“
„Vater.“
„Deine Schwester hat sich nie geäußert?“
„Nein.“
„Ist dir jemals aufgefallen, dass deine Schwester abfällig über die Regierung gesprochen hätte.“
„Nein.“
„Hat sich deine Schwester jemals abfällig über den Krieg geäußert?“
„Ja, sie hat gesagt, dass die vielen Toten schrecklich sind.“
„Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass deine Schwester bei ihren Aktivitäten auf der Akademie oder in der Partei unglücklich wirken könnte?“ „Nein.“
„Hat deine Schwester vielleicht einmal andere Leute getroffen, um über Politik zu sprechen?“
„Das weiß ich nicht.“
„Hat sie jemals Geld oder andere Sachen, sagen wir Papier in großen Mengen gelagert? Hat sie dich jemals gebeten, für sie zu lügen?“
„Nein, so etwas würde sie niemals tun.“
„Denkst du, dass deine Schwester ihrem Vaterlande treu ist?“
„Ja, absolut.“
„Danke, du kannst gehen.“
„Maggy?“
„Jawohl!“
„Du hast heute keinerlei Freigang. Ich möchte, dass du bis zur Rückfahrt im Hotel bleibst.“
„Er weiß alles!“
„Was soll denn das jetzt wieder heißen?“
„Schnapp dir Adler und Reumann und haut sofort ab.“
Wilhelm bekam einen hochroten Kopf und schnappte Richard am Kragen.
„Mir reicht‘s echt mit deinen Spielchen! Warum sollen wir abhauen?“ In diesem Moment kam ein Feldwebel den Gang entlang. Wilhelm ließ von ihm ab und kurz gab man sich wieder ganz friedlich.
„Er weiß nichts Genaues. Aber wegen der ganzen Aktion ist alles zu auffällig. Das ist ihm zu heiß