Magierin der Liebe. Monika Auer
der er sich Jenseitsmächten unter Lebensgefahr aussetzen muss. Besteht er diesen rituellen Tod, so wird er wiedergeboren. Die Krankheitsgeister und Dämonen, die ihm zugesetzt haben, werden dabei zu seinen Hilfsgeistern, mit denen er heilen kann. Dieses schamanische Heilungsverständnis, nach dem man nur heilen kann, was man selber bestanden und überwunden hat, unterscheidet sich grundlegend von demjenigen der Schulmedizin. “
In meiner Rückverbindung zu mir selbst, aber auch zu einer tieferen Dimension des Seins, die ich als Weltenseele bezeichnen möchte, offenbarte sich mein Herz als eine unendlich schöpferische Quelle. Erst als ich dem Ruf meiner Seele folgte und meinen schamanischen Pfad akzeptierte, schaffte ich in einem großen Umfang die Ablöse aus der Umklammerung des Dämons sexueller Gewalt.
Nach einigen Initiationen, insbesondere durch Tierahnen, von denen mich, wie sich herausstellte, einige seit meiner Geburt begleiteten, entsandt ich ganz bewusst meine Traumseele in die Anderswelt. Auf diese Weise erhielt ich Wissen über alchemistische Prozesse. Ich lernte, Missbrauchsenergie in Liebe zu transformieren. Hierfür lenkte sich meine unbewusste Seelenflucht in eine schamanische Disziplin um, auch Traumyoga oder Klarheitstraum genannt.
Diese hohe Schule des Träumens ermöglichte mir die Rückkehr vieler dissoziierter Ich-Anteile. Ich integrierte sie vor allem, wenn ich im Flow mit meinem Künstler-Ich war. Einst durch den Inzest abgespalten, trat es mittels einer Trauminkubation mit mir wieder in Kontakt. Von da an malte ich mir die Seele aus dem Leib.
Die Malerei wurde für mich zu einem präverbalen Medium. Mein Künstler-Ich brach das Schweigegelübde, hielt während des Gestaltens den inneren Flow aufrecht - Salutogenese des Bildlichen. Die Lebenserfahrung, die in meinen Körperzellen und in meinem Nervensystem gespeichert war, ergoss sich unreflektiert auf die Leinwände. Im Fluss der Farben und Formen lösten sich zutiefst verdrängte Gefühle aus ihrer Erstarrung, drängten ins Bewusstsein.
Der Dämon „sexueller Missbrauch“ wächst und gedeiht im Schutz der Dunkelheit. Wer ihn aber ans Licht zerrt und anschaut, schwächt ihn.
Anschließend konnte ich mit den entstandenen Bildwerken mein Trauma analysieren. Ich verstand im Nachhinein auf ich-stärkende Weise, was eigentlich passiert war. Gerade diese Selbstreflexion war wichtig für eine umfassende geistig-psychische Genesung. Es galt, alle Ich-Anteile zu finden und zu erkennen, sowohl die Licht- als auch die Schattenaspekte. Letztere spalteten sich in Opfer und Täteranteile auf.
Heilung findet jenseits des Psychodramas, der Opfer-Täter-Spaltung, statt. Heilung geschieht dort, wo sich Menschen im Mitgefühl verbinden, sei es mit sich selbst, ihren abgespaltenen Ich-Anteilen, mit ihrer Familie, mit ihrer Gesellschaft oder mit Mutter Erde. Denn in Wahrheit sind wir alle durch ein eng verwobenes Netz feinster Lebensfäden miteinander verbunden. Nichts und niemand existiert allein in diesem Universum.
Wenn ich mich im Schmerz sexueller Gewalt bewege, bewegt Ihr Euch mit.
Erst nach dem ich die vielen durch den Inzest auferlegten emotionalen Schlingen peu à peu ablegen konnte, offenbarte sich mir meine natürliche Spiritualität - Empathie und Liebe. Auch begriff ich erst danach meine Religion - die Welt der Träume und Mythen. Ich überlebte mithilfe meiner Träume, die wichtige Botschaften über mich und meine Genesungsmöglichkeiten bereithielten.
Alle Menschen träumen, sogar Tiere träumen. Während wir träumen, regenerieren sich Geist, Körper und Seele, gleichen sich Disbalancen und Spannungen zwischen dem Unbewussten und dem Bewussten aus, greifen wir auf eine immense universelle Ressource zurück. Wer sich also im Träumen trainiert, kann langfristig daraus spirituelle Intelligenz entwickeln. In meinem Buch erläutere ich, wie Letzteres mir Lösungsansätze bescherte, in dem ich transzendental über mein Ego hinauswuchs.
Es liegt mir am Herzen, meine Lösungswege mitzuteilen. Aber vor allem gebe ich mit den niedergeschriebenen Worten und meinen Seelen-Collagen meine Kraft weiter.
(2) „Die Kraft und die Wege“, sagte Fools Crow, „werden uns gegeben, damit wirsie an andere weiterreichen. Anders zu denken oderzu handeln wäre reine Selbstsucht. Wirkönnen sie nur behalten und vermehren, indem wir sie weitergeben; andernfalls verlieren wir sie. “
Vorwort von Professor Ruth Hampe
Zur Salutogenese des Bildlichen, zu Bildern von Monika Auer
(3) „Erinnern wir uns: Jeder Mensch zeichnetin seiner Kindheit, tanzt, denkt sich treffende Wörter aus und singt. Warum dann aber genießt er, wenn er erwachsen ist, selbst extrem ausdrucksarm geworden, nur manchmal die 'Schöpfung' eines Künstlers?“
Bereits Joseph Beuys hat die Bedeutung von Kunst und Heilkunde hervorgehoben. Nicht nur seine visionären, eigenen Erfahrungen nach einem Flugzeugabsturz während des 2. Weltkrieges von Mongolen in Filz und Fett eingepackt worden zu sein und so eine heilsame Wirkung erlebt zu haben – was dann auch Material seiner Kunstaktionen geworden ist, bedingen seinen Ansatz von Kunst und Leben. Vielmehr hebt er eine Auseinandersetzung mit einer Realität hinter der Materialität hervor, einer Dimension, bevor der Gedanke zustande kommt – also auch Inspiration und Intuition betreffend. Sein Ausspruch: „Jeder Mensch ist ein Künstler“, bezieht sich auch auf die Selbstheilungskräfte des Menschen und die kreativen Fähigkeiten sein Leben wie ein Kunstwerk bzw. eine soziale Plastik zu gestalten.
Wie bezogen auf einen alchemistischen Umwandlungsprozess werden elementare Erfahrungen und Stofflichkeiten benutzt in der Symbolik und Metaphorik von der Geburt bis zum Tod. In der Hinsicht werden die gestalteten Objekte oder Relikte von Handlungen zu Erinnerungsstützen von Denkansätzen. Sie sind ästhetische Zeugen eines gedanklichen Prozesses, der mit der Verschmelzung von Raum und Zeit arbeitet.
Mit seinem Ausspruch von 1984 „Kunst ist Therapie“ hat Beuys eine Dimension von Kunst angesprochen, der eine Vermittlerfunktion wie in einem schamanistischen Ritual zukommen kann. Heutzutage wird von dem ‚Flow‘ – dem zum Fließen-Bringen – im kreativen Prozess gesprochen bzw. dem Erleben eines Einheitsbezuges.
Auch Monika Auer hat in ihren ästhetischen Gestaltungen Anteile von sich neu entdeckt und ihre Lebensgeschichte anders bewältigen können. Ihre Auseinandersetzung mittels des künstlerischen Ausdrucks ist auch biographisch geprägt. Es ist die Bearbeitung traumatisch erlebter Kindheitserfahrungen von sexuellen Übergriffen in der Familie bis zum zwölften Lebensjahr, die sie über den ästhetischen Prozess neu zu integrieren versucht und die mit achtunddreissig Jahren einen Wendepunkt herbeigeführt haben mit dem Ausstieg aus ihrem Berufsleben.
So kam diese existentielle Krise mit der Infragestellung des eigenen Selbst in der Welt einer Entscheidung zwischen Leben und Tod gleich, worüber sie einen Neuanfang zu initiieren vermochte. Es beinhaltet ein prozesshaftes bildnerisches Arbeiten über ein Jahr als Bewältigung traumatischer Kindheitserlebnisse mit den Auswirkungen auf spätere Lebensphasen hin zu einer Neugeburt. Fast schonungslos geht sie auf ihre authentischen Erfahrungen ein, die heutzutage fast jedes Mädchen und jeden achten Jungen betreffen können und thematisiert die Auswirkungen von Borderline-Erlebnissen und Depressionen. Kunst wird für sie zum Ausdrucksmittel des Unaussprechlichen, das vor der sprachlichen Erfassung im gefühlsmäßigen Erleben liegt. Immer wieder thematisieren ihre Arbeiten ein sexuelles Trauma und eine mythische Selbstvergewisserung, Teil von Mutter Erde zu sein und ihre Heilkräfte zu spüren. Selbstzerstörerische Anteile werden zum Ausdruck gebracht ähnlich wie in apotropäischer Bedeutungsgebung – also Unheil abwehrend – und damit gebannt.
Das ästhetisch Gestaltete wird zu einem Gegenüber und aus dem diffus Beängstigenden und Belastenden geholt und wieder integrierbar. Es erscheint wie ein Hinabsteigen des Selbst in tiefe abgespaltene Erlebnishorizonte, die die Ohnmacht des verletzten Kindes hervortreten lassen und gleichzeitig in der Bewusstwerdung von Depersonalisationen die Bedeutung des eigenen Leibes als Ort des Lebens neu benennen. Elementare Wünsche nach Geborgensein, Vertrauen und Liebe werden wieder zugelassen und die eigene Sexualität neu wahrgenommen. In dem Sinne vermittelt dieser ästhetische Prozess etwas Versöhnendes in der Aufdeckung des Bedrohlichen und Abgewehrten. Der Integrationsprozess der Missbrauchserfahrungen führt zu einem gewandelten Selbst- und Weltbezug.
Aus der Traumaforschung ist bekannt, dass bei posttraumatischen