Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1. Johanne T. G. Joan

Das Geheimnis des wahren Evangeliums - Band 1 - Johanne T. G. Joan


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„zivilisierte“ Mensch war aus seiner Wurzel herausgerissen und kannte nicht einmal mehr die elementarsten Regeln seiner Gesundheit. Wie konnte es so weit gekommen sein?

      Irgendwann in der Geschichte musste unser Urgroßvater, der einen großen Garten pflegte und vom Ertrag von angebauten Obst und Gemüse für die Bedürfnisse seiner Familie aufkam, von feindlich gesinnten Profit gerichteten Menschen aufgesucht und überfallen worden sein, solche die einfach behaupteten, ihnen würde das Land von nun an gehören. Sie teilten es in Sektoren auf und verkauften es, obwohl das Land allen gehörte. So musste es irgendwie abgelaufen sein:

      An einem Morgen, wie jedem Morgen, als der Ur Ur… Urgroßvater in seinem Garten ging, um Äpfel zu ernten, standen einige Männer mit einer Waage um seinen Obstbaum herum. Einige von ihnen hatten Arbeitskleidungen an und ernteten seine Äpfel, die sie in Kästen sammelten; ein anderer Mann im Anzug notierte sich das Gewicht und die Anzahl der mit Äpfeln gefüllten Kisten.

      Beim Anblick der fremden Menschen in seinem Garten, die sich an seinem Obst zu schaffen machten, wurde der Großvater unwillig und ging voller Zorn zu dem feingekleideten Mann, der auf den Zeiger der Waage starrte und in seinem Büchlein eine Zahl eintrug und schrie ihn an:

      „Was macht ihr auf meinem Grundstück? Und wieso stiehlt ihr meine Äpfel?“

      Der Mann antwortete gelangweilt und ohne von seinem Notizblock aufzusehen.

      „Das Grundstück und alles was drauf wächst gehört dir nicht mehr, sondern uns.“

      „Wer ist uns?“, schrie der Großvater noch lauter.

      „Das Komitee“, gab der gut angezogene Mann zur Antwort.

      „Wer ist das „Komitee? Und mit welchem Recht tut ihr das?“

      „Das Komitee ist das Komitee und hat ebenso entschieden!“ antwortete der Mann, dem dazu auch nichts Besseres einfiel. Trotz des Protestes des Urgroßvaters, ließ sich der Mann im Anzug nicht davon abbringen sein Vorhaben fort zu setzen.

      Der alte frustrierte Mann erkannte, dass er gegen diese plötzlich aus dem Boden geschossene Clique, die stärker war als er, nichts ausrichten konnte und er bat:

      „Gib mir zumindest Äpfel, damit ich meine Familie ernähren kann!“

      Der beschäftigte Mann schaute auf und sagte:

      „Das geht nicht! Wenn du Äpfel möchtest, dann musst du sie kaufen.“

      Der Urgroßvater sagte dem Mann, dass er bisher niemals Geld benötigt hatte und demzufolge auch kein Geld besäße.

      Worauf der Mann im Anzug eine ratlose Miene aufsetzte, sich am Kinn rieb, eine Karte aus seiner Brusttasche entnahm und sie dem verzweifelten Familienvater aushändigte mit den Worten:

      „Geh zu dieser Adresse! Die Verwalter deines Obstes benötigen einen Fahrer. Mit dem Geld, das du dort verdienst, kannst du dir dann bei uns Äpfel kaufen.“

      Es galt eine Art „Faustrecht“. Alle Grundstücke hatten sich nicht Fremde aus einem anderen Land, sondern Landsmänner, der Feind im eigenen Land unter den Nagel gerissen. Sie hatten einen Weg gefunden, ihren Müßiggang durch Übertölpelung des Volkes auf den Rücken ihrer überlisteten Opfer, die sich nicht gegen diese Gewalt zur Wehr setzen konnten, zu sichern, indem sie sie über alle Maßen schuften ließen, mit Zahlungsverpflichtungen überhäuften und ihnen über mehrere Umwege einen Bruchteil von dem zurückgaben, was ihnen eigentlich gehörte.

      Die betrogenen ehemaligen Landbesitzer, die zu schwach waren, gegen die feindliche Welle anzukämpfen, wurden von nun an, an der kurzen Leine gehalten: zu beschäftigt, um die Zeit aufzubringen, sich gegen ihre Peiniger zu organisieren; nicht zu schwach, damit sie in der Lage seien, ihre Arbeit zu verrichten und nicht kräftig genug, dass sie fähig gewesen wären, sich gegen die Missstände aufzulehnen. Ja, so war es gewesen und so ist es auch geblieben“, schlussfolgerte Gilberto immerzu.

      Der Naturheilkundler träumte von einer Welt, in der der Bettler und der arme Schlucker sein rechtmäßiges Eigentum zurückerhielten. In einer Welt, in der nicht mehr ein Teil der Menschen des Hungertods jämmerlich starben, während der andere Teil ebenfalls jämmerlich starb, aber weil sie kein Maß hielten.

       6. Kapitel

      Samstagvormittag war es soweit. Carlucci war ruhelos und verspürte keinen Hunger. Bevor er sich auf den Weg machte, den Geheimraum zu erforschen, nahm er jedoch einen kleinen Happen aus Toast und Marmelade zu sich und steckte einen Apfel ein.

      Erneut betrat er den Geheimraum, die Aufregung des Vortages hatte sich gelegt.

      Mit Hilfe des Katalogs, in dem der Inhalt des Raumes aufgelistet war, untersuchte er systematisch die Manuskripte, fand aber keine Dokumente, die rechtfertigten, versteckt gehalten zu werden.

      Viele Stunden des Stöberns waren verstrichen und die Sonne war bereits untergegangen. Er hatte zwar erst einen Bruchteil des Rauminhalts geprüft, gleichwohl aber schwand die Hoffnung von Manuskript zu Manuskript, ein echtes Geheimdokument zu enthüllen.

      Trotz der sich einstellenden Erschöpfung nahm er sich vor, bevor er für den heutigen Tag seine Nachforschung beenden würde, ein letztes Bündel Manuskripte durchzusehen, das im Katalog unter „Heiliger Hieronymus“ eingetragen war.

      Er staunte, als er feststellte, dass es sich um einen großen Teil des Originalmanuskripts des heiligen Hieronymus handelte, den man seit dem 5. Jahrhundert als verloren gegangen glaubte. Er blätterte mit der größten Vorsicht das Dokument durch und entdeckte in ihm ein anderes Manuskript, ersichtlich älter als das Hieronymus Manuskript und in aramäischer Sprache verfasst, mit der Überschrift: „Das Evangelium der Essener“.4

      Er wunderte sich zunächst, dass das Dokument nicht wie die anderen in den Regalen untergebracht war; noch mehr staunte er, als er feststellte, dass es auch nicht im Katalog aufgeführt war. Es sah so aus, als hätte man es vorsätzlich in den Schriften des heiligen Hieronymus untergebracht oder versteckt? Was war der Grund dafür?

      Die Müdigkeit war wie weggeblasen und sogleich untersuchte er den Stapel, der mehrere hundert Seiten umfasste und vier Teile aufwies:

      – Das Friedensevangelium der Essener

      – Die unbekannten Schriften der Essener

      – Die verlorene Schriftrolle der Essener

      – Die geheime Lehre der Essener

      Er überflog das Manuskript und es sah zunächst so aus, als würde es sich um ein Evangelium handeln, wie es in den Geheimarchiven viele gibt, die allerdings in griechischer Sprache abgefasst sind und deren Inhalt weitgehend mit dem des Neuen Testaments übereinstimmte. Doch bald musste er feststellen, obwohl er immer wieder Elemente aus den Evangelien entdeckte, dass hier eine ganz andere Weisheit beschrieben wurde, als die Lehre, die er von den Evangelisten Markus, Matthäus, Johannes und Lukas kannte.

      Er begann im ersten Teil des Friedensevangeliums zu lesen und staunte über den außergewöhnlichen Stil und die wunderbaren Formulierungen. Je mehr er sich in das Manuskript vertiefte, desto mehr wuchs sowohl seine Verwunderung, als auch seine Verwirrung.

      Eine Welt der Poesie in Gleichnissen mit Bildern aus der Natur, von einem Meister der Dichtkunst, in einer noch nie da gewesenen vollendeten Form, öffnete sich vor seinem inneren Auge.

      Der Mensch als Mittelpunkt der Schöpfung stand im Kern der Erzählung; seine Herkunft aus der Erdenmutter, der Sündenfall, der ihm sein jämmerliches Dasein auf Erde bescherte und seine Entwicklung auf Erden, die Befreiung des Bösen in ihm, bis hin zu seiner Vollendung. Es war eine Botschaft an den Menschen für die Menschen. Ein Wegweiser für den Eintritt vom Tod in das Leben. Eine Botschaft des Trostes, die wahre Hoffnung spendete; ein Schlüssel, der Gefängnistüren öffnet; die Klinge, die den Versklavten, die Fesseln durchtrennt, es war ein Licht am Horizont.

      Die Ausdrucksform war einfach und unmissverständlich, so klar, dass auch ein Kleinkind sie hätte verstehen können. Eine einfache und klare Wahrheit, wie die göttliche Wahrheit sein


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