Die nächste Generation. Jule Beatsch

Die nächste Generation - Jule Beatsch


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Als ich ihm verkündete, dass ich schwanger war, hatte er keine Freude in den Augen, sondern blankes Entsetzen und auch Angst. Er erklärte mir, was er war, und ich habe ihm am Anfang auch nicht geglaubt, so wie du jetzt. Er sagte zu mir, zu meiner eigenen Sicherheit sollte ich mit dir so weit weg gehen, wie es möglich war, damit du ein weitgehend normales Leben führen könntest. Ein Leben als ein normaler Junge…"

      Wieder unterbrach sie und schluchzte kurz auf, die Erinnerung tat ihr immer noch sehr weh, aber dann fasste sie sich wieder und berichtete weiter: „Mit diesem Entschluss hatte er mir das Herz gebrochen. Selbst heute, nach so langer Zeit vermisse und liebe ich ihn noch immer. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Er verließ mich und sagte es wäre sicherer für uns alle, wenn wir niemals wieder Kontakt zueinander haben würden. Dann war er weg. Einfach weg. Von einem auf den anderen Tag. Am Anfang war es sehr schwer für mich, aber mit der Zeit funktionierte es und als du gerade mal sieben Jahre alt warst, habe ich erfahren, dass er eine andere Sterbliche geheiratet hatte. Denn nur das erste Kind eines Erzengels und eines Menschen ist mächtig. Alle darauffolgenden sind normale Menschen, wenn man das so sagen kann", beendete Ms. North ihre Erzählung und sah ihren Sohn an, dessen Augen ungläubig weit aufgerissen waren. „Glaubst du mir jetzt?", fragte sie ein zweites Mal und strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Tarik nickte langsam und bewegte sich wie in Trance. Konnte das wirklich sein? War er tatsächlich ein Nephilim? Ein absolut mächtiges Wesen, vielleicht sogar das mächtigste dieser Erde? Eine sogenannte Kreuzung aus einem Erzengel und einem Menschen? War das das Leben, das er leben wollte?

      Demons

      (Imagine Dragons, 2012)

      Vier Stunden. Seit sehr, sehr langen vier Stunden saß Clementine nun schon mit diesem seltsamen Mann im selben Auto und seit dem „klitzekleinen" Zwischenfall am Anfang der Fahrt hatten die beiden kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt. Die ganze Fahrt über, schon seit sie Los Angeles verlassen hatten, verkniff sich Clementine die Frage, wohin genau sie denn jetzt fahren würden. Aber bisher hatte sie es nicht gewagt ihn nochmal anzusprechen, nicht, nachdem sie ihn vorhin fast umgebracht hätte.

      „Ähm, wohin fahren wir denn eigentlich?", wagte sie schließlich zögerlich zu fragen und blickte unsicher zwischen dem Rückspiegel und dem Fenster hin und her. Keine Antwort. „Hallo? Ich habe sie etwas gefragt, Mr. … Mr. … ach wie auch immer! Sir? Hallo?", drängte Clementine und schob sich auf ihrem schwarzen Ledersitz nach vorne, um besser sehen zu können. Dabei stieß sie ein zweites Mal gegen die Polycarbonatscheibe und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

      Aber natürlich! Deswegen hatte der Fahrer ihre Frage nicht gehört. Das Mädchen fühlte an dem Glas entlang und suchte an einem Hebel oder sowas in der Art, um die Scheibe beiseite zu schieben und tatsächlich, sie hatte Erfolg. Mit etwas Mühe drückte sie den Schutz beiseite und konnte sich nun fast bis nach ganz vorne lehnen.

      „Hallo? Sir? Wohin fahren wir denn eigentlich?", fragte sie wiederholt und stützte sich mit den Ellbogen zwischen die Sitze, um einen besseren Halt zu haben. Der Mann blinzelte nur abwesend:

      „Eh, was junge Dame?", fragte er, wie diese nervigen Schüler in der Klasse, die bei der dreiundsiebzigtausendneunhundert-siebenundvierzigsten Erklärung immer noch nichts kapierten. Genervt rollte Clementine mit den Augen, dann sagte sie sehr langsam:

      „Ich. fragte. Wohin fahren Wir." Dabei betonte sie jedes einzelne Wort, um sicherzugehen, dass der Chauffeur sie auch wirklich verstanden hatte.

      „Ach jetzt verstehe ich! Ja, wir fahren nach Kanada, genauer gesagt, in die Nähe von Vancouver, etwas weiter abseits, ein paar Meilen von der Stadt entfernt. Dort wohnt ein ganz besonderer Junge, den wir unbedingt mitnehmen müssen", berichtete der Fahrer und ließ sich seine schwarze Sonnenbrille wieder auf die Nase fallen, bevor er eine scharfe Rechtskurve machte und auf eine weniger befahrene Straße abbog.

      „Welcher Junge?", fragte Clementine verwirrt und beugte sich interessiert noch weiter vor.

      „Ach, dachtest du wirklich, du wärst die einzige? Dann hast du dich aber gewaltig getäuscht", lachte er und bog nochmals ab, wodurch Clementine gegen einen der vorderen Sitze gedrückt wurde.

      „Hey, passen sie doch ein bisschen besser auf!", beschwerte sie sich und fiel nochmals in ihre vorherige Position zurück. Der Mann lächelte nur und machte dabei: „Tssstss."

      „Weißt du, wir haben auf euch gewartet", erzählte der Mann und sah mehr oder weniger konzentriert auf den Verkehr vor ihm.

      „Wer hat auf uns gewartet? Von wem sprechen Sie, Sir?", fragte Clementine verwirrt und begann an ihren Nägeln zu knabbern; das tat sie immer, wenn sie nachdachte oder wenn sie sich sehr konzentrieren musste.

      „Na auf dich und den Jungen! Auf euch hat alle Welt gewartet! Ihr werdet wieder für Ordnung unter den Menschen sorgen", meinte der Fahrer knapp, fast so, als wäre es für ihn das normalste auf der Welt, jedem x-beliebigen Fahrgast zu erzählen, dass die Erde auf ihn gewartet habe.

      „Warum, was sollen wir tun? Wer sind WIR überhaupt?", hakte das Mädchen nach und hielt sich krampfhaft fest, als der Mann ein weiteres Mal die Spur wechselte. „Wann haben sie denn nur ihren Führerschein gemacht?!", schimpfte sie los wie ein Rohrspatz und rieb sich die Hände aneinander.

      „Na du und der Junge, den wir mitnehmen. Er ist ein Engel, du bist ein Dämon. Zusammen müsst ihr für das Gleichgewicht in der Gesellschaft sorgen, ist das denn so schwer zu verstehen?", seufzte der Fahrer und prüfte im Rückspiegel, ob hinter ihm Autos fuhren.

      „Wow großartig. Er ist ein Engel. Warum kann ich nicht der Engel sein? Ich wäre ein guter Engel", beschwerte sich Clementine und ließ sich beleidigt auf ihren Sitz zurückfallen. Der Mann schmunzelte: „Das ist deine Bestimmung, junge Dame. Wir können uns unser Schicksal nun mal nicht aussuchen, es ist ein Geschenk, etwas, dass man nicht achtlos wegwerfen darf. Denn es wurde dir aus einem guten Grund gegeben", erklärte er weise und hustete kurz. Clementine verschränkte immer noch gekränkt die Arme, um ihre Unzufriedenheit noch mehr zum Ausdruck zu bringen:

      „Ich verstehe nicht, wie man ein Dämonendasein als ein Geschenk sehen kann. Das ist für mich eher eine Art Fluch! Warum kann ich nicht der Engel sein? Man, dieser Junge hat es wirklich gut", brummte sie genervt und zog sich die Kapuze ihres Hoodies tiefer in die Stirn.

      „Er hat es auch nicht wirklich leichter als du, denn es gibt immer Nachteile, bei allem. Du als Dämon hast vielleicht eine Handvoll mehr als der Junge, aber bei ihm gibt es auch welche. Du musst nur wissen, dass du deine Macht als Dämon auf gar keinen Fall unterschätzen darfst, denn das hätte verheerende Folgen für die gesamte Menschheit. Aber ich denke, mit der Zeit wirst du es verstehen. He, du Verkehrsbremse!", rief der Mann durch das heruntergelassene Wagenfenster, als ein Auto vor ihm abrupt abbremste und so fast einen Unfall verursacht hätte. „Geh wieder dahin, wo du hergekommen bist! Du Volldepp", zeterte der Chauffeur und zeigte dem Fahrer des anderen Autos einen Vogel. Dann fuhr er das Fenster wieder hoch und fuhr seelenruhig weiter, als hätte es diesen Zwischenfall gar nicht gegeben. Clementine lehnte sich grinsend vor. Auf einmal mochte sie den fremden Mann.

      „Sieh mal einer an, so langweilig sind sie ja gar nicht", stichelte sie freundlich.

      „Na siehst du, die Alten haben auch noch was drauf", murmelte er zufrieden und drehte das Radio wieder etwas lauter. Diesmal lief keine klassische Musik wie zu Beginn der Fahrt, sondern es ertönte lauter Dark-Metall-Gesang (naja, was heißt schon Gesang, wohl eher Geschrei) aus den Boxen. Clementine grinste. Der Mann war in Ordnung.

      „Einen wirklich Musikgeschmack scheinen Sie ja nicht zu haben, Sir", lachte sie und wippte im Takt der dröhnenden Musik mit den Füßen.

      „Ja, es ist halt wie es ist, und ich bin kein Sir, du kannst ruhig Mr. Mitchell zu mir sagen. Klingt nicht so befremdlich", bot er großzügig an und nuschelte ein paar Textfetzen zu dem Lied mit.

      Das Mädchen lächelte und meinte:

      „Naja, es ist ja so nur fair: nennen Sie mich Clementine".

      Mr. Mitchell lachte:

      „Gut, dann sind wir ja jetzt wohl quitt,


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