Mythos Arche Noah. Reinhard Gunst
und das notwendige Futter.
Trotzdem blieben bei der Berechnung der beiden Autoren eine ganze Reihe von Sachfragen ungeklärt: Sie beginnen bereits damit, dass Noah ja einen komplettes Verzeichnis sämtlicher Tiergattungen besessen haben musste, um über deren Mitnahme entscheiden zu können.
Zugleich hätte er ja auch Kenntnis über deren weit verstreute Lebensräume benötigt. Berücksichtigt man zusätzlich, dass einige der Tierarten, wie Lamas oder die Echsen der Galapagosinseln, ja nur eine örtliche Verbreitung besitzen, zeigt dies, welche Herkulesaufgabe Noah hätte in kurzer Zeit bewältigen müssen.
Ein weiteres, nicht zu vernachlässigendes Problem bei der Hochsee-Schifffahrt ist die Bereitstellung von Proviant und ausreichenden Vorräten an Trinkwasser. Setzt man voraus, dass die Sintflut von zahlreichen Regenfällen begleitet war, so hätte zumindest der Trinkwasser-Vorrat durch das Auffangen von Regenwasser gelöst werden können.
Anders sieht es dagegen mit der unterschiedlichen Nahrung für die zahlreichen Tiergattungen und deren Bedürfnisse aus. Sie wäre wohl in dem feuchten Klima rasch verdorben.
Whitcomb behalf sich bei seinen Berechnungen hierzu damit, dass, bedingt durch das Dämmerlicht innerhalb der Arche und den fälligen Winterschlaf zahlreicher Gattungen, der Futterbedarf wesentlich geringer anzusetzen sei.
Ebenso lösbar erschien ihm die Frage der Beseitigung von Exkrementen. Mit dem heute in Viehställen üblichem Spaltbodensystem hätte es eine durchaus praktikable Lösung gegeben, sie zu entsorgen. Ob aber die Vermehrung der Tierarten mit jeweils nur 2 Exemplaren je Gattung nach der Flut wirklich gelungen wäre, wurde aber nie wirklich untersucht.
So bietet auch der Nachweis eines ausreichend zur Verfügung stehenden Raumes auf der Arche keine umfassende Antwort auf deren Existenz. Die Angaben können also nur so gedeutet werden, dass der Bauplan als Ganzes sicher raffiniert durchdacht war und der Seetüchtigkeit ebenso genügte, wie dem Transport von Tieren und Menschen.
04 - Das Schiff der Hoffnung
Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.
(Friedrich Schiller)
Darstellung einer Sonnenbarke im Alten Ägypten, Foto Borislav
Die frühesten Darstellungen eines Sonnenschiffes tauchen im alten Ägypten während der 5. Dynastie auf. Diese Darstellungen werden auf den Zeitraum des 25. Jahrhunderts v. Chr. datiert. In den damaligen Vorstellungen reiste der Sonnengott Re auf seiner Sonnenbarke 12 Stunden über den Himmel, ehe er auf ihr am Abend vor den Toren der Unterwelt stand.
Während seiner Tagesweise war Re schwach geworden, so dass sich seine Ba-Seele während der Weiterreise durch die Unterwelt wieder stärken musste, damit Re beim Auftauchen am Osthorizont wieder kräftig genug war.
Um dies zu ermöglichen und Re vor den Dämonen zu schützen, erwarteten ihn 12 Götter am Eingang zur Unterwelt. 9 Götter, unter ihnen war Hathor, die gleichzeitig auch die Herrin der Barke war, begleiteten Re auf seiner Reise. Auf jeder dieser Reisen war auch der verstorbene König mit dabei, der seinen Platz am Bug der Sonnenbarke hatte.
Das Motiv des Schiffes beflügelte auch die Fantasie der Menschen im Norden. In seiner frühen Form ist es hier ab der Bronzezeit zu identifizieren. Im Norden wurde das Motiv in Dänemark in Felsritzungen und auf Rasiermessern gefunden. Sie stellten ebenfalls ein Sonnenschiff dar, das während des Tages von einem Fisch begleitet wird. Bei Einbruch der Nacht wird der von einem Fisch verschlungen.
Das Sonnenschiff wird dann anschließend von einem Pferd gezogen, das es wieder zu seinem Ausgangspunkt zurückbringt. Diese Darstellungen decken sich auch mit den Felsritzungen, die bei Allinge-Sandvig auf der Ostseeinsel Bornholm gefunden wurden. Auch die dort anzutreffenden zahlreichen Bootsdarstellungen, in denen teilweise auch Besatzungen zu sehen sind, stammen aus der der zeit von 1800-500 v. Chr.
Felsritzung mit zwei Schiffen, Foto Hermann Junghans
Die Parallelität, sowie die Häufigkeit der Schiffsdarstellungen, weist aber nicht nur auf die Bedeutung des Motivs innerhalb mythologischer Vorstellungen hin, sondern zeigt auch die kulturellen Verbindungen zwischen nordischer und mediterraner Kultur in der frühen Bronzezeit. Diese Verbindung sieht auch Dr Fleming Kaul, ein international anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Bronzezeitikonographie. Er vermutet, dass Eliten der nordischen Bronzezeitgesellschaft auf ihren ausgedehnten Seefahrten Kenntnis von den ägyptischen Vorstellungen eines Sonnenschiffes erlangt hatten.
Das Motiv des Schiffes als Symbol des Glaubens begann also lange bevor die Arche zu einem Symbol des Glaubens wurde. Doch erst mit diesem Schiff entsteht im Christentum ein vielschichtiges Bildmotiv, das im Mittelalter zu einem feststehenden Topos des Glaubens wird.
Noch heute zeugen Begriffe, wie das Kirchenschiff davon, wie breitgefächert das Motiv die Vorstellungswelt des Glaubens beeinflusst hat. Dabei waren die Israeliten gar kein Volk der Seefahrer. Auf diesen Umstand weist das 1. Buch der Könige hin,wo im 9. Kapitel von einer Flotte von Schiffen des sagenumwobenen König Salomos am Roten Meer berichtet wird. Doch die konnte nur mit Hilfe König Hirams I. betrieben werden.
Hiram war im 9. Jahrhundert v. Chr. ein König der Phönizier und wird in den Königsbüchern mehrfach als ein kenntnisreicher Unterstützer König Salomos erwähnt. Er befestigte Tyros als Handelsstadt, das sich unter seiner Herrschaft zum beherrschenden Handelszentrum im Mittelmeer entwickelte.
Schiffe der Phönizier befuhren das Mittelmeer und kreuzten auch jenseits der Säulen des Herakles. Die Hilfe der Phönizier ging aber noch weiter, denn auch beim Bau des ersten Tempels leisteten sie sie Hilfe. So wird um 2. Buch der Chronik über ein formelles Ersuchen Salomos an König Hiram I, berichtet, ihm Arbeiter und Material zu senden. (2 Sam 5,11)
So steht im 2. Buch Samuels: `… der phönizische König sandte Hiram-Abif, den Sohn einer Frau von den Töchtern Dan´.
Er gilt als der Architekt des salomonischen Tempels. Dan ist der 5. Sohn des Stammvater Jakobs und er ist damit ein Nachkomme aus einem der 12 Stämme Israels. Mit Hiram-Abif führt der Bau des Tempels also wieder zu den Wurzeln des Volkes Israel zurück.
Zwar ist im Neuen Testament mehrmals von Schiffen auf dem See von Galiläa die Rede, doch sie waren gewöhnliche Fischerbote. Einzig in der Apostelgeschichte 27 gibt es von Lukas eine Beschreibung von Schiffen, im Zusammenhang mit der Reise des Apostels Paulus nach Rom.
Einen wichtigen Beitrag zur motivischen Entwicklung des Schiffes lieferte der Kirchenlehrer Ambrosius. Der im Jahr 339 in Trier geborene Ambrosius von Mailand war römischer Politiker und Bischof. Er gilt als einer der vier lateinischen Kirchenlehrer und trägt seit 1298 auch den Ehrentitel Kirchenvater.
In seiner Amtszeit als Bischof widmete sich Ambrosius dem Bibelstudium, wie dem Studium von Schriften griechischer Autoren wie Philo, Origenes, Athanasius und Basilius von Caesarea.
In seiner Lehre sah Ambrosius in den Texten der Bibel eine dreifache Bedeutung: den wörtlichen Sinn, den moralischen Sinn und den mystischen Sinn. Dies drückte er auch in seinem umfangreichen Briefwechseln aus, wie in dem Brief an den neu gewählten Bischof Constatius.
Darin gab er Ratschläge für zukünftige Predigten und griff dabei auch das traditionelle Motiv des römischen Staatsschiffes auf. Dies übertrug es als Symbol auf die Kirche die ebenso durch Stürme zu steuern war.
Ambrosius bewegte sich hier innerhalb einer Tradition, die weit in die Geschichte zurückreichte, denn das Staatsschiff war in der Antike ein sehr beliebtes Motiv. Spätestens seit der griechische Dichter Aristophanes 422 v. Chr. seine Komödie ´Wespen´ veröffentliche war das Motiv des Schiffes ein Sinnbild des Gemeinwesens Staat.
So ließ Aristophanes in dem Stück erklären: `Thema ist nämlich das ganze Schiff, die Polis´.
Eine eindrucksvolle Beschreibung über das Scheitern des Staatsschiffes schreibt der römische Dichteres Horaz in