Grünes Gold. Helmut Ginzinger

Grünes Gold - Helmut Ginzinger


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Ich bin Wissenschaftler und arbeite am Hopfenforschungsinstitut Krüll. Zudem fällt demnächst die Entscheidung, wer letzten Endes die Professur für Pflanzenbiochemie an der Hochschule Weihenstephan erhält. Ich bin einer der drei Kandidaten, die es in die letzte Auswahlrunde geschafft haben, und kann deswegen keinerlei Bespitzelung gebrauchen, weder privat noch beruflich, verstanden?«

      »Verstanden«, sag ich, obwohl mir das Ganze etwas zu schnell geht. Wir gehen weiter.

      »Die Entscheidung über die Professur wird heute in einer Woche bekannt gegeben. Ich brauche Sie also für sieben Tage. Da ich keine größeren Reisen geplant habe, sollten Sie keine exorbitanten Auslagen haben. Hier ist eine Aufstellung meiner wenigen Außentermine für diese Woche. Sie werden jeweils dabei sein, natürlich im Hintergrund. Sind zweitausend Euro inklusive Spesen für die sieben Tage okay für Sie? Haben Sie noch Fragen?«

      »Na klar hab ich noch Fragen!«

      Der verliert aber auch keine Zeit.

      »Hab ich Sie also richtig verstanden: Ich soll Sie verfolgen, weil Sie sich verfolgt fühlen. Das klingt schon fast wieder logisch. Vielleicht können Sie mir noch ein paar Kleinigkeiten mehr verraten.«

      »Wie gesagt gibt es Mitbewerber um die Professur. Die Position wird neu geschaffen und ist sehr begehrt. Sie eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für die Pflanzenbiochemie und natürlich für den Stelleninhaber selbst. Zudem werde ich bald Forschungsergebnisse veröffentlichen können, die eventuell einigen Leuten nicht gefallen. Herr Graflinger, dann sind wir uns also einig. Hier haben Sie eintausend Euro als Vorschuss, der Rest kommt nächsten Montag. Ach ja, ich erwarte ab Mittwoch täglich pünktlich morgens um acht Uhr fünfundvierzig Ihren Anruf, in dem Sie mir Ihre neuesten Erkenntnisse mitteilen.«

      Als wir wieder im Auto sind, gibt er mir seine Handynummer und die Privatanschrift. Während der Fahrt zurück zum Rasthof bekomm ich noch eine kostenlose Vorlesung in Sachen Pflanzenbiochemie, nicht ganz uninteressant. Ich glaub aber fast, da muss ich noch einmal im Internet nachlesen, damit ich alles kapier.

      Finanziell gesehen war das Wochenende schon recht lukrativ und die nächsten sieben Tage spülen weitere Euro in die maroden Kassen. Wenn’s jetzt für eine Weile so weiterläuft, brauch ich mir Franzis Vergleich mit einigen maroden Eurostaaten nicht mehr ständig anhören.

      Zurück im Laden, schau ich erst mal in den Briefkasten. Neben einem Haufen Rechnungen und Reklame find ich ein Kuvert mit der Aufschrift: »Top-Agent Vinzenz«. In dem Kuvert sind achthundert Euro und ein kleiner Zettel.

      »Scharfe Fotos! Schade, dass du nicht da warst!«

      So ein Mist, jetzt war doch glatt die Franzi in Mainburg und ich bin mit einem an Verfolgungswahn leidenden Doktor in der Weltgeschichte rumgefahren. Naja, der Job geht eben vor. Ich werde sie die nächsten Tage anrufen.

      Der Laden schaut direkt aufgeräumt auf, man merkt, dass der Liachtl die ganzen Kisten bereits zur Hauptschule gekarrt hat, damit wir die PCs dort morgen installieren können.

      Langsam, aber sicher wäre es an der Zeit, Feierabend zu machen. Ein gepflegter Biergartenbesuch wäre bei diesem herrlichen Spätsommerwetter durchaus angebracht. Da ich aber einerseits von den zwei Leberkässemmeln am Nachmittag noch ziemlich voll bin und andererseits noch ein wenig für meinen neuen Fall recherchieren will, klemm ich mich hinter meinen PC und schau, was ich über den Dok und sein Umfeld so im Internet finde.

      Doktor Treikert scheint, gerade, was die Pflanzenforschung und hier speziell den »Humulus lupulus«, also den Hopfen, angeht, ein ganz schön hohes Viech zu sein. Er hat bereits mehrere Preise abgeräumt und einige Bücher geschrieben. Würde mich nicht wundern, wenn sie den bald zum Professor ernennen und ihm irgendwann den Nobelpreis verleihen würden. Bei meinen Nachforschungen tauchen auch immer wieder zwei weitere Namen auf: Dr. Heinrich Knochert und Dr. Emilia von Wasselreich. Jetzt hätt ich bald Wasserleich gelesen.

      Mich wundert’s ja nicht, dass ich die Namen noch nie gehört hab, kennst du einen von denen?

      Nun, wie dem auch sei, weiter ergiebig ist die Suche nach den beiden dann auch wieder nicht. Der Knochert und die Wasselreich tauchen zwar noch öfter im Internet auf, aber da ist nicht so viel Interessantes dabei. Ich finde sie nur noch einmal gemeinsam und zwar auf der Rednerliste zu einem Kongress in Tampa, Florida. Der Hauptsponsor Tropasora Chemicals & Pharma scheint hierzu alle Forscher mit Rang und Namen eingeladen zu haben. Mein Dr. Treikert ist aber nicht auf der Liste, der ist wohl für die Amis nicht so wichtig.

      Mir reicht’s für heute. Ich fahr den PC runter und mach den Laden dicht. Zu Hause lass ich den Tag mit einem Scherzl Brot, einem kleinen Fleischsalat und einer Halben vom Stoandl vorm Fernseher ausklingen.

      Kapitel 6

      Reine Routine

      Pünktlich um acht bin ich am nächsten Tag an der Hauptschule. Der Liachtl ist schon fleißig am Werkeln und hat die zwölf PCs in den Computerraum gebracht. Stolz erzählt uns der Rektor, dass hier an der Schule vor fünfunddreißig Jahren eines der fortschrittlichsten Sprachlabore Bayerns installiert wurde. Mit ganz neuen Kassettenrekordern und Kopfhörern konnten die Schüler Englisch lernen, als Wahlfach gab’s Französisch. Hightech zu der Zeit! Jetzt wird das ganze alte Zeug weggeschmissen und die Schule bekommt zwölf nigelnagelneue Computer.

      Das Budget des Kultusministeriums hätte das nicht hergegeben. Entweder weniger PCs oder zwölf alte Krücken. Gott sei Dank haben daraufhin der Wolkenstein und ein paar andere Firmen (ich auch) mehrere Euros draufgelegt, und so können wir an der Schule superschnelle PCs mit modernen Flachbildschirmen und allerlei brauchbarer Software einrichten.

      Da der Liachtl schon alles vorinstalliert hat und die Blechkisten nur noch hingestellt und angeschlossen werden müssen, kann der Rektor den neuen Computerraum zusammen mit den Sponsoren und einer Schulklasse pünktlich um zwölf Uhr eröffnen.

      Ein Foto wird natürlich auch gemacht und so sind dann der Liachtl und ich wohl in den nächsten Tagen in der »Hallertauer Zeitung« abgebildet.

      Den Pressetermin und die Ansprachen lass ich über mich ergehen, dann wird’s aber langsam Zeit, dass ich mich auf den Weg zu meinem Doktor mache und schau, wer ihn da so beobachten könnte. Damit ich nicht ganz vom Fleisch fall, nehm ich mir noch zwei Häppchen vom kleinen Buffet mit, das der Rektor zur Feier des Tages hat herrichten lassen.

      Laut Programm ist der Dok heute ab vierzehn Uhr zusammen mit dem Landwirtschaftsminister und einer Delegation aus scheinbar ganz wichtigen Leuten bei uns unterwegs. Hopfenrundfahrt! Zuerst hält der Minister eine Ansprache im Hopfenmuseum in Wolnzach, dann geht’s per Bus quer durch die Holledau. Zum Schluss landet die Gruppe in Buchkirchen und besichtigt die Hightech-Hopfendarre vom Grantlbauern, so das Programm.

      Vor dem Hopfenmuseum ist natürlich kein Parkplatz mehr frei. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als mein Auto im Parkverbot abzustellen und mein sauber laminiertes Schild »Notarzt im Einsatz« gut sichtbar innerhalb der Windschutzscheibe anzubringen. Wegen der Anwesenheit des Ministers stehen überall Security-Typen rum und wollen am Eingang doch glatt meine Einladung sehen.

      »Tja, meine Herren, ich bin von der Lokalpresse, das sehen Sie doch. Ich brauch keine Einladung«, sag ich zu dem einen und deute auf meinen großen Fotoapparat, der vor meiner Brust hängt. Er lächelt und lässt mich rein. Notfalls hätte ich denen meinen Presseausweis gezeigt, schaut echt professionell aus. Ich hab mir da vor einiger Zeit mal einen ansehnlichen fälschen lassen. Hat mich zwar einen Hunderter gekostet, aber so ein Presseausweis macht echt was her und hat sich schon einige Male bezahlt gemacht.

      Wie sollst jetzt da unter den zwei- oder dreihundert Leuten einen rausfinden, der den Dok vielleicht verfolgt? Ich bleib einfach kurz nach dem Eingang stehen, von da aus hat man einen guten Überblick über die sitzenden Zuhörer. Um mich herum lauter gelangweilte Gesichter mit einem Fotoapparat um den Hals, also alles »Pressekollegen«, perfekte Tarnung. Von meinen Privatagentenkollegen aus München ist allerdings keiner dabei.

      Obwohl die Sicht von schräg hinten nicht optimal ist, ist der Dok in der ersten Reihe gut zu erkennen. Er trägt das gleiche Sakko wie gestern.


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