Auswahlband 4 Krimis: Von Huren, Heiligen und Paten - Vier Kriminalromane in einem Band. Alfred Bekker

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feuerte zurück.

      Ein Schuss, der hier und da ein Stahlteil touchierte und Funken sprühen ließ. Aber ausrichten konnte ich auf diese Weise kaum etwas.

      Zumal mein Gegner mir gegenüber im Vorteil war.

      Je weiter seine Kabine hinaufgezogen wurde, desto schwieriger wurde es für mich, ihn überhaupt zu treffen.

      Ein Geräusch hallte im Schacht wider. Etwas war zerbrochen worden, so klang es. Offenbar hatten die Tasso-Leute es endlich geschafft, das Dach ihrer Liftkabine zu durchbrechen. Eine MPi knatterte. Es musste offenbar nachgeholfen werden, um irgendwelche Halterungen zu lösen, denn die Schüsse gingen nicht in meine Richtung.

      Von unten kam eine andere Liftkabine herauf. Irgendjemand, der direkt aus der Subway gekommen war und jetzt vielleicht im MERCADO einkaufen wollte, hatte sie genommen.

      Ich wartete, setzte zu einem Sprung an und landete hart auf dem Dach der anderen Kabine, rappelte mich wieder auf. Der Abstand zwischen den Tasso-Leuten und mir wurde auf diese Weise jedenfalls nicht noch größer.

      "Ich hoffe, ihr findet bald den Sicherungskasten", murmelte ich in das Kragenmikro hinein.

      Zwei der Tasso-Leute verschwanden durch eine Öffnung im Dach der Liftkabine. Der Dritte erhob sich, ballerte dabei in meine Richtung. Er benutzte offenbar eine großkalibrige automatische Pistole. Jedenfalls schloss ich das aus den ziemlich großen Löchern, die die Projektile in die Platten der Kabine rissen, auf der ich saß.

      Mir war klar, dass ich etwas unternehmen musste.

      Schließlich waren die derzeitigen Liftinsassen in extremer Gefahr. Und das konnte ich nicht verantworten. Ich steckte die SIG weg. Die Ballerei brachte ohnehin nichts. Eine Sekunde später sprang ich, fasste eines der Drahtseile, hing daran erst mit einer, dann mit zwei Händen. Das Drahtseil schnitt meine Handflächen. Es tat höllisch weh.

      Die Liftkabine schwebte seitlich an mir vorbei. Langsam genug, um mir wenigstens für einige Augenblicke Deckung zu geben.

      Der Kerl mit der Großkaliber-Waffe feuerte weiter, hielt dann inne.

      Wenn ich Glück hatte, war er ebenfalls im Inneren seiner Kabine verschwunden, sobald meine Deckung weiter emporgeschwebt war.

      Wenn ich Pech hatte, wartete er ab, bis ich wieder in sein Schussfeld geriet und er mich in aller Ruhe über den Jordan schicken konnte.

      Die Sekunden verrannen.

      Einundzwanzig.

      Zweiundzwanzig.

      Ich biss die Zähne zusammen.

      Blut rann mir zwischen den Fingern hindurch.

      Die Liftkabine schwebte an mir vorbei.

      Maximal noch fünf Sekunden und ich war zum Abschuss freigegeben.

      Ich hakte ein Bein um das Stahlseil, versuchte dadurch die Belastung auf die Hände zu verringern.

      Sobald die Kabine mir keine Deckung mehr gab, würde ich zur SIG greifen und das Feuer erwidern. Aber erst dann. Denn mit einer Hand am Stahlseil konnte ich mich nur Sekunden halten. Wenn überhaupt.

      Sekunden, die vielleicht ausreichten, um dem Kerl da oben einen Schuss zu verpassen, der ihn kampfunfähig machte.

      Ich dachte daran, dass diese Leute einen unserer G-men auf dem Gewissen hatten und für die Verletzung eines anderen verantwortlich waren. Die Wut half mir, durchzuhalten.

      Die Kabine schwebte empor, meine Deckung war dahin.

      Der Kerl, der auf mich geschossen hatte, war jetzt jetzt hoch aufgerichtet, um besser sehen zu können.

      "Komm rein!", rief einer seiner Komplizen.

      "Un momento, por favor!"

      Die Schüsse krachten los.

      Rot blitzte das Mündungsfeuer auf.

      Ich wollte nach der SIG greifen, alles auf eine Karte setzen, auch auf die Gefahr hin, abzurutschen und in die Tiefe zu fallen...

      Da ging ein Ruck durch die Liftkabine, auf der der Killer breitbeinig stand.

      Der Strom wurde abgeschaltet!, durchzuckte es mich.

      Endlich!

      Sämtliche Liftkabinen, die im Moment in Bewegung waren, stoppten jetzt.

      Der Killer verlor das Gleichgewicht, stürzte schreiend in die Tiefe. Ein weiterer Schuss löste sich dabei aus seiner Automatik, bevor er eines der Stahlseile touchierte. Wie eine Puppe wurde sein Körper herumgeschleudert.

      Sekunden später hörte man den harten Aufprall.

      Er hatte keine Überlebenschance.

      15

      Die Liftkabine wurde wenig später kontrolliert bis zum nächsten Stockwerk hochgezogen. Dort nahmen unsere Kollegen die Insassen in Empfang.

      Jacky Tasso und den MPi-Schützen, der wohl auch für den Tod des jungen Quantico-Absolventen Pete O'Shay verantwortlich war.

      Widerstandslos ließen sie sich festnehmen.

      Gegen die Übermacht, die sie mit der Waffe im Anschlag empfing, hatten sie auch nicht die geringste Chance.

      Ich ließ mir die Hände bandagieren.

      Die Stahlseile hatten mir die Haut aufgescheuert. Vor allem die Linke blutete stark. Aber das konnte ich verschmerzen. Schließlich hatten wir zwei gefährliche Verbrecher aus dem Verkehr gezogen. Gleichgültig, ob Jacky Tasso etwas mit dem Tod von Roy Ortega zu tun hatte oder nicht: Für das Blutbad im !VENGA! war er zweifellos verantwortlich.

      Wenn sich die Wunden an den meinen Händen nicht entzündeten, würde ich sie auch weitgehend normal benutzen können. Immerhin reichte es, um die SIG abzufeuern, wenn es notwendig war.

      Ich begegnete Tasso erst kurz bevor er in einen unserer Einsatzwagen gebracht wurde.

      "Er lehnt jede Aussage ab, solange kein Anwalt dabei ist!", berichtete mir Jay Kronburg.

      Ich lächelte dünn.

      "Den wird er wohl auch brauchen", erwiderte ich.

      Der dritte Mann dieses Gangster-Trios fand sich tot am Fuß des Schachtes. Für ihn kam jede Hilfe zu spät.

      16

      Etwa zur selben Zeit in einer Snack Bar, Ecke Logan Street/Devereaux Lane, West New York, New Jersey....


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