Geschmackssache oder Warum wir kochen. Günther Henzel

Geschmackssache oder Warum wir kochen - Günther Henzel


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      102 Maniok ist eine stärkereiche Wurzel, die ursprünglich an der brasilianischen Atlantikküste beheimatet war und den Ureinwohnern als Ernährung diente. Erste Zeugnisse von Entgiftungstechniken sind (seit dem 16. Jahrhundert) von Indianern aus dem Amazonasgebiet bekannt, die die Knollen erst schälen, dann zerreiben oder raspeln und dann in Wasser einweichen. Nach einigen Tagen presst man die Masse aus, wäscht sie durch ein sogenanntes Tipiti (ein langes geflochtenes Behältnis aus Palmfasern) und röstet sie in Öfen

      103 »Sie lernen allmählich unangenehme oder schädliche Substanzen aus den Speisen durch mühsame Zubereitungsarten ausscheiden, wie bei der Tarofrucht, den Yams, dem Maniok, der Kassavefrucht, sie wissen durch Schaben und Reiben, durch Klopfen und Filtern, durch Pressen und Gären Verwandlungen herbeizuführen, welche der Nähr- und Schmackhaftigkeit ihrer Küche gar sehr zugute kommen« (HABERLAND 1912)

      104 Die durchtränkte Saat muss erst verrieben und zu einer Paste verarbeitet werden, um die Thiaminase (ein Enzym, das Thiamin zerstört) auszuwaschen.

      105 Bei auf diese Weise hergestellten Maisgerichten werden die stets vorhandenen Mykotoxine weitgehend hydroxyliert [eine chemische Reaktion, bei der eine oder mehrere Hydroxygruppen (–OH) angelagert werden] und in ihrer Giftigkeit deutlich vermindert

      106 Die Edelgase Argon, Krypton, Xenon und Radon haben einen z. T. erheblich größeren kovalenten Radius als ein H2O-Molekül

      107 Die Bewegung kleinster Teilchen (Atome, Moleküle) steht mit der Temperatur bzw. Wärmeenergie in Zusammenhang. Je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sich die Teilchen, wodurch sich ihre intermolekularen Anziehungskräfte lockern und schließlich Ladungen freigelegt werden, an die sich dann H2O-Moleküle anlagern können.

      108 Einfachzucker, Aminosäuren und Fettsäuren haben Molekülgrößen, die nur mittels Transportmechanismen (in ligandengesteuerten Kanälen als aktiver oder passiver Transport) von Carrier-Proteinen durch die Membranen geschleust werden können; Biomembranen sind selektiv und nur für kleine lipophile (fettliebende) Moleküle (CO2, Alkohole und Harnstoff) durchlässig (diffundieren)

      109 Von griech: hydor = Wasser und lýsis: Lösung, Beendigung; Verdauungsenzyme sind Hydrolasen. Sie werden als inaktive Vorstufen gespeichert und bei Bedarf in den Darm sezerniert und aktiviert (LEHNINGER 1985)

      110 Mittels Salzsäure und Pepsin, die die mit der Nahrung aufgenommenen Proteine hydrolysieren (spalten)

      111 Dessen Enzyme stammen zum Teil aus den Brunner-Drüsen im Zwölffingerdarm: Trypsin - ein Gemisch dreier Verdauungsenzyme, die im Dünndarm Eiweiße zersetzen (hydrolysieren); Galle emulgiert Fette; Enzyme aus dem Pankreas spalten Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette hydrolytisch in ihre Grundbestandteile – die von der Darmschleimhaut aufnehmbaren (resorbierbaren) Größen (LÖFFLER / PETRIDES 1988)

      112 Nahezu alle enzymatischen Vorgänge verbrauchen ATP (bis auf nicht-hydrolytische Spaltungen durch Lyasen)

      113 Die allermeisten Enzyme, die Nahrungsstoffe zerlegen, sind Hydrolasen: Lipasen, Peptidasen, Nukleasen, Glycosidasen (LEHNINGER 1985)

      114 Oxidoreduktasen katalysieren Redoxreaktionen; Transferasen übertragen die funktionelle Gruppen von einem Substrat auf ein anderes; Lyasen katalysieren die Spaltung oder Synthese komplexerer Produkte aus einfachen Substraten (ohne ATP-Verbrauch); Isomerasen beschleunigen die Umwandlung von chemischen Isomeren; Ligasen oder Synthetasen katalysieren Additionsreaktionen mithilfe von ATP (LEHNINGER 1985)

      115 Ist Wasserstoff (H) an ein stark elektronegatives Atom, zum Beispiel an Sauerstoff, gebunden, tritt eine Ladungsverschiebung auf und das H-Atom wirkt nun positiv polarisiert, da sein Elektron zum Bindungspartner hingezogen wird

      116 Archaeen sind Mikroorganismen (einfache Zellen ohne Kern oder Organellen). Sie werden auch als Prokaryoten bezeichnet, deren Größen von etwa 0,4 bis zu 100 µm variieren; im Durchschnitt sind die Zellen etwa 1 µm - Mikrometer = 10-6 m = 0,000001 m = 1/1000 mm) groß; Eukaryoten haben einen abgegrenzten Zellkern und sind in der Regel wesentlich größer, ihr Volumen beträgt etwa das 100- bis 10 000-Fache der Prokaryoten.

      117 Die Regulation des osmotischen Drucks zwischen extra- und intrazellulären Flüssigkeiten eines Organismus

      118 Osmoregulation; mittels körpereigener Hormone, wie Antidiuretisches Hormon, Aldosteron und Angiotensin II, kann der menschliche Körper die Nierentätigkeit regulieren (LÖFFLER; PETRIDES 1988)

      119 Weshalb Getreide in geflochtenen, mit Gips oder Bitumen verdichteten Körben gelagert wurde, ist wissenschaftlich umstritten. J. Reichholf sieht genügend Indizien dafür, dass der Getreideanbau weniger mit Brot zu tun hatte als mit der Herstellung von Bier (REICHHOLF 2008)

      120 Damerow, P., Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, bezweifelt, dass das in der antike populäre Getreidegebräu das Bier war, was wir darunter verstehen; dazu auch JORDAN 2012

      121 »Alle frühen Hochkulturen kannten und schätzten … das Bier. Sowohl in der ältesten Literatur der Menschheit, dem Gilgamesch-Epos, als auch in ägyptischen Papyri und Inschriften findet der Trunk Erwähnung. Aus der sumerischen Kultur des Zweistromlandes sind Indizien überliefert, dass Brot möglicherweise zuerst ein Nebenprodukt der Bierproduktion war – als einfache Möglichkeit, die wesentlichen Zutaten zu lagern und zu transportieren – und erst später seine eigenständige Bedeutung als Nahrungsmittel erlangte. Für die ägyptische Gesellschaft war Bier so zentral wie für uns heute Brot. Das Getränk hatte eine eigene Göttin, fand als Opfergabe ebenso Verwendung wie als Zahlungsmittel und tauchte in rituellen religiösen Formeln auf. Arbeiter, zum Beispiel an den Pyramidenbaustellen, erhielten tägliche Bierrationen« (FISCHER 2016)

      122 Auf diese Weise kann mit der Nahrung ausreichend Wasser aufgenommen werden: »… die Eingeborenen (trinken) fast nie Wasser: ihre Nahrung ist so flüssigkeitshaltig, daß ein richtiges Durstgefühl fast überhaupt nicht aufkommt« (HARRER 1988)

      123 Man unterscheidet verschiedene Reifegrade: 50 % Wassergehalt (Milchreife), 30 % Gelb- oder Wachsreife, 20–25 % Vollreife; nach dem Nachtrocknen (Totreife) etwa 14–26 % Wassergehalt

      124 Allein im Ruheumsatz verbraucht das Gehirn etwa 20 % unserer zugeführten Nahrungsenergie, deren Bedarf sich bei konzentrierter Denkleistung nahezu verdoppeln kann (ROTH 2011)

      125 Die über 5000 Jahre alte Gletschermumie Ötzi hatte vor ihrem gewaltsamen Tod ein üppiges Mahl aus getrocknetem Steinbockfleisch und weiteren fettigen Fleischstreifen gehabt (FILSER 2014)

      126 HARRER (1988) berichtet von Beobachtungen, dass viele der Dani, ein Volk auf Neuguinea, große Verbrennungsnarben an Hüften, Knien und Schultern hatten. Grund: »Nachts, wenn es kalt wird, kriechen sie zum Schlafen so nahe an das offene Feuer heran, daß aufsprühende Funken oder sogar glühende Holzstücke auf ihre nackten Körper fallen und schwer heilende Wunden hervorrufen«; a. a. O., S. 149

      4 Feuer – Auslöser und Motor der Ernährungs(r)evolution

      Wann genau unsere frühen Vorfahren damit begonnen haben, mit Feuer (einer Naturgewalt, die alles Organische vernichten kann) Nahrungsrohstoffe gezielt zu bearbeiten, wissen wir nicht. Sicher dagegen ist, dass natürliche Feuer – insbesondere große Brände und deren Folgen – auch zur Erfahrungswelt der Homininen gehörten. Allerdings erklärt dieser Sachverhalt noch nicht von selbst, wie aus den konkreten 'Beobachtungen' von Feuerwirkungen handwerkliche Techniken im Umgang mit Feuer entstehen konnten. Dass es hier aber einen Zusammenhang geben muss, liegt nahe, zumal es im Ostafrikanischen Grabenbruch (Hauptregion der Hominisation) nicht nur nach Dürreperioden, sondern auch durch Blitze, Lavaströme oder brennende Erdgase127 immer wieder


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