Das große Buch vom Gelben Saft. Eva van Mayen
So, wie mit Mareike. In diesem Fall allerdings hat sie mich gefragt, ob ich damit einverstanden bin, da wir außerhalb des Hauses waren und Du die Regeln ja noch nicht kanntest. Du hast es ja mitbekommen. Aus dem Grund habe ich Dich übrigens vorher auch um den Gefallen gebeten, sie zu ficken.“
„Verstanden. Weiter?“
„Das Nächste ist etwas schwieriger zu erklären. Ausnahmslos jeder der im Haus befindlichen Personen darf von den anderen jederzeit sexuelle Handlungen nach Wunsch einfordern. Und zwar alles, was innerhalb des gesetzlichen Rahmens bleibt und keine bleibenden Spuren hinterlässt. Es sei denn, diese Spuren sind ausdrücklich erwünscht. Der oder die Angesprochene hat nach bestem Wissen und Gewissen und innerhalb der Möglichkeiten bereitwillig diesen Wünschen nachzukommen – was auch immer es sein mag. Ausnahmen gibt es nur, wenn man sie stichhaltig begründen kann. Drei Verweigerungen im Monat führen zum Ausschluss. Hast Du diese Regeln verstanden?“
„Öh. Ja.“
Na, das konnte ja heiter werden.
„Bist Du Dir sicher, dass Du wirklich verstanden hast, was das alles bedeuten kann?“, hakte Antonia eindringlich nach.
„Nun, ich denke schon. Es bedeutet, dass ich all Eure Wünsche erfülle oder Ihr meine. Jeder ist jedem zu Diensten.“
Die Kunststudentin lächelte.
„Gut erfasst. Aber die zentrale Frage ist, ob Du Dir überhaupt vorstellen kannst, was so alles von Dir verlangt werden kann – und wird? Wir haben kaum Tabus und Außenstehende würden uns in vielen Belangen als pervers bezeichnen. Zudem kommen manchmal auch andere männliche Gäste und denen stehen diese Optionen ebenfalls zu. Du darfst von ihnen, ohne ein Recht auf Widerspruch, benutzt werden, wie es ihnen gefällt. Mach nicht den Fehler die Tragweite dieser Regel zu unterschätzen. Sie ist am schwersten zu erfüllen.“
Fabian schwieg und überlegte. Sie hatte Recht. Darüber, dass er auch Sex mit anderen Männern ausüben müsste, hatte er noch nicht nachgedacht. Er war ja, soweit er wusste, nicht schwul. Und was mochten das wohl für Perversionen sein, von denen sie gesprochen hatte? Sollte er vielleicht besser nachfragen, was alles so auf ihn zukommen könnte? Dann wäre allerdings der Überraschungseffekt dahin.
Man hatte also innerhalb des Hauses das Recht, von jedem jede auch nur erdenkliche Art von sexuellen Gefälligkeiten einzufordern, ohne dass abgelehnt werden durfte? Unfassbar! Was für Möglichkeiten das eröffnete.
„Kommst Du damit klar?“, wurde er von Antonia in seinen Überlegungen unterbrochen.
Fabian seufzte tief und antwortete ehrlich: „Ich hoffe. Ich werde zumindest mein Bestes geben, um Dich nicht zu enttäuschen.“
Antonias Gesicht wurde bei seinen Worten weich. Sie streichelte ihm sanft über den Kopf.
„Das ist sehr lieb von Dir! Mehr kann ich auch nicht von Dir verlangen. Und ob Du wirklich dazu bereit bist, wird die Zeit zeigen. Aber Du darfst es nicht nur wegen mir tun, sondern musst selbst aus freiem Willen dazu bereit sein, musst es wollen - sonst zerbrichst Du daran. Die Mädels sind manchmal nicht gerade zimperlich mit ihren Wünschen, glaub mir.“
„Okay, wir werden sehen, wie ich damit klarkomme. Ich werde versuchen, mich darauf einzulassen. Gibt es sonst noch Regeln?“
„Nein, bis auf normalen zwischenmenschlichen Umgang miteinander, nicht.“
„Na, dann bin ich gespannt auf die Dinge, die auf mich zukommen. Laut Navi sind wir übrigens gleich da.“
„Ja, es ist in 500 Metern das rote Backsteinhaus, da vorne auf der rechten Seite.“
Fabian stellte fest, dass diese Gegend hier reichlich nobel aussah. Die „Häuser“ waren eher Villen, in den Parknischen der Allee standen nur Autos der gehobenen Preisklassen. Die Gärten um die Häuser herum waren riesig. In diesem Augenblick fühlte er sich mit seinem alten VW Golf ziemlich unwohl. Antonia bemerkte seinen Blick und fragte nach:
„Stimmt etwas nicht?“
Der Techniker räusperte sich und antwortete wahrheitsgemäß: „Nun, mir macht der ganze Reichtum hier ein wenig Angst. Ich fühle mich etwas deplatziert.“
„Och, mach´ Dir da mal keine Sorgen, Süßer. Das interessiert von uns keine. Genieß´ es einfach. Schau´, da sind wir.“
Sie näherten sich dem beschriebenen Haus. Wie von Zauberhand öffneten sich die beiden schmiedeeisernen Torflügel der Einfahrt. Als Fabian fragend zu Antonia schaute, präsentierte sie ihm lächelnd einen kleinen Funksignalgeber, der an ihrem Schlüsselbund befestigt war. Er fuhr hindurch und staunte nicht schlecht über den riesigen Garten, an dessen Ende sich ein großes, zweistöckiges Anwesen befand. Es wirkte wie ein Mittelding aus Herrenhaus und Schlösschen. Unwillkürlich pfiff er durch die Zähne.
„Geil, oder?“, meinte Antonia mit einem Augenzwinkern. „Ich genieße den Anblick auch jedes Mal. Und warte erst mal ab, was wir alles zu bieten haben. Unsere Eltern waren wirklich großzügig.“
„Ja. In der Tat“, konstatierte Fabian trocken. „Geil trifft es aber nicht so ganz. Es ist riesig und reichlich beeindruckend. Wo soll ich parken?“
„Auf dem Vorplatz, rechts neben der Treppe.“
Fabian fuhr an die angegebene Stelle, stellte den Motor ab und sie stiegen aus. Als er nun vor dem Gebäude stand, wirkte es noch viel größer. Es flößte ihm zugegebenermaßen einen Heidenrespekt ein.
Als sie die große Freitreppe emporstiegen, öffnete sich die Eingangstür und er erblickte eine schlanke, dunkelhäutige Gestalt, die sie mit breitem Grinsen empfing. Sie trug als einzige Kleidungsstücke einen hauchdünnen weißen Schleier, der mehr zeigte, als er verbarg, schwarze Fishnet-Halterlose und High-Heels-Lackschuhe mit mindestens 10 Zentimeter hohen Absätzen. Ihre Figur war, soweit er das in der Kürze der Zeit ermessen konnte, makellos. Vermutlich arbeitete sie als Model. Anmutig und grazil wie ein Raubtier, war das erste, was ihm bei ihrem Anblick durch den Kopf schoss. Sie erinnerte ihn an ein Pantherweibchen.
„Seid willkommen im Tempel der Lust, Fremder. Tretet ein und lasst alle Hoffnung fahren!“, sprach sie ihn mit einer dunklen, rauchigen Stimme an und vollführte eine formvollendete, elegante Verbeugung.
„Oh, mein Gott! Du bist so eine Drama-Queen, Neyla! Nun verunsichere den Armen doch nicht gleich so!“
Das Lächeln der Angesprochenen wurde noch breiter. Ihre perlweißen, ebenmäßigen Zähne blitzten in ihrem dunklen Gesicht wie der Chromgrill eines Amischlittens aus vergangenen Zeiten.
„Ah, sieh an, Prinzessin Vulgaria. Entzückt, Euch zu sehen. Wie ist das werte Befinden Eurer Herrlichkeit? Ist das der neue Proband?“
„Proband?“, fragte sich Fabian, ging über diese Bemerkung aber lieber hinweg.
Er beschloss stattdessen, ihr Spiel mitzuspielen, deutete ebenfalls eine Verbeugung an, ergriff ihre Hand, die sie ihm entgegenstreckte und hauchte einen sanften Kuss darauf.
„Oooh. Ein Mann von Welt, mit Manieren. Ich bin entzückt. So etwas fehlt mir noch in meiner Sammlung.“ Sie wandte sich an Antonia: „Hast Du ihn eingehend über die Hausregeln informiert?“
„Ja, Du kleine Poserfotze!“, grummelte diese.
Neyla schlug gespielt schockiert die Hände auf ihre Ohren und zog ihren Mund zu einer Schnute.
„Oh, mein Gott, welch´ verdorbene, unflätige Worte muss ich da von Euch vernehmen, Eure Impertinenz. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich Euch für eine billige, verfickte Hafennutte halten.“
„Ja, klar, Du verdorbene Erz-Schlampe. Du hast Deinen Auftritt gehabt. Und nun lass uns gefälligst rein.“
„Aber natürlich. Sehr gerne. Wie Eure Scheinheiligkeit belieben. Ich beuge mich Eurer Gewalt. Zumindest komme ich nicht umhin, Euch einen guten Geschmack, was die Wahl Eures Begleiters betrifft, zu attestieren.“
Sie stieß die Tür weit auf und bat sie mit einer weit ausholenden Handbewegung