Die Irrfahrten des Herrn Müller II. Florian Russi

Die Irrfahrten des Herrn Müller II - Florian Russi


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die Augen. Dabei durchfuhr ihn der Gedanke, dass Lore ihm vielleicht sogar nützlich sein könnte. Als Tochter eines Königs war sie sicher nicht ohne Einfluss.

      Sie ließ sich nicht beirren und begann nun an seiner Hose zu nesteln. „Wieso machst du das?“, fragte er sie.

      „Du hast so wunderschöne, sanft blickende Augen“, flüsterte sie. „Sie sagen mir, dass ich bei dir richtig bin. Ich gebe zu, ich bin ein bisschen geil. Doch ich kann mich auf mein Gefühl verlassen. Bei dir habe ich sofort gemerkt, dass du mit mir einverstanden sein würdest. Warum sollte ich mich also zurückhalten? So einen wie dich sehe ich heute zum ersten Mal und vielleicht nie wieder. Deshalb verschließe ich nicht die Augen und verdränge auch nicht die Lust, die mich überkommt. Willst du, dass ich aufhöre?“

      „Ich weiß nicht“, antwortete er.

      „Ich weiß es für dich mit“, antwortete sie, knöpfte seine Hose auf und fasste nach seinem Glied. Ihm war nicht nach einem erotischen Erlebnis zumute. Allerdings wollte er sich auch nicht wehren und die Aufmerksamkeit der Mitreisenden mehr als nötig auf sich ziehen. Die Anspannung, die er in den vergangenen Stunden durchgemacht hatte, sorgte dafür, dass sein Glied aufrecht stand, auch ohne dass er wirklich Lust verspürte. Sie öffnete ihre Lippen, nahm seinen Penis in den Mund und begann mit eifrigen Auf- und Ab-Bewegungen. Es dauerte nicht lange, und seine aufgestaute Erregung entlud sich. So sehr er auch bemüht war, konnte er ein kurzes Aufstöhnen nicht verhindern. Erstaunt nahm er wahr, dass sie ganz selbstverständlich seinen Samen schluckte. Sie schien so etwas nicht zum ersten Mal getan zu haben.

      „Dich lasse ich so schnell nicht wieder los“, sagte sie. „In mir brennt ein Feuer, das du ohne Bedingung löschen musst.“ Sie drückte ihr Gesicht an ihn. Es war heiß. Das Feuer in Lore loderte, und er beschloss, sich ihr anzuvertrauen. Irgendwann später würde er ihr alles erzählen.

      Das Flugzeug landete. ‚Hoffentlich wird nicht schon durch Interpol nach mir gefahndet‘, dachte er und fürchtete sich vor möglichen Kontrollen. Doch seine Sorge erübrigte sich. Ein Leibwächter, der diskret irgendwo im Abteil gesessen hatte, bat die Prinzessin, ihm zu folgen. Sie aber nahm Daniel an der Hand und zog ihn mit sich zu einem vornehm glänzenden Auto, das auf dem Flughafengelände schon auf sie wartete. „Jo“, sagte sie zu dem Fahrer, „Ich kann mich auf dich verlassen, dass du uns zum St.-Bertram-Eingang bringst. Und du, mein Freund und Beschützer“, ergänzte sie in Richtung ihres Leibwächters, „hast nichts gehört und gesehen.“

      „Das ist mein Beruf“, antwortete der. Lore beugte sich nach vorne und gab ihm einen Kuss in den Nacken. Auch für ihre Nackenküsse, so erinnerte sich Daniel gelesen zu haben, war die Prinzessin in ihren Kreisen bekannt.

      Ob alles Wirklichkeit war? Daniel konnte es kaum fassen. Er saß im Auto neben einer echten Königstochter, die offenbar Gefallen an ihm gefunden hatte. Das Summen des Fahrzeugs, die Lichter in den Straßen und den Häusern, an denen sie vorbeifuhren, die Menschen, die beiden Männer, die vor ihm saßen und sich angeregt unterhielten, das alles war kein Traum. Genauso wenig, wie die tote Frau Nelles ein Traumgebilde war. „Ich wohne im Schloss“, sagte Lore „und ich werde dich an einem Hintereingang absetzen. Versteck dich bitte hinter einer der Säulen und warte, bis ich komme und dir eine kleine Nebentür öffne. Meine Eltern sind von Amts wegen sehr prüde. Ich werde dafür sorgen, dass sie dich nicht zu Gesicht bekommen. Sollten dir trotzdem irgendwelche Domestiken im Schloss begegnen, brauchst du nur zu sagen, dass du eine Verabredung mit mir hast und auf mich wartest. Das will ich zwar vermeiden, und sie würden es auch nicht gut finden, aber sie kennen es nicht anders.“

      Wie von ihr gewünscht, versteckte er sich an dem bezeichneten Hintereingang des Schlosses. Es war nach Mitternacht und sehr dunkel. Im Schloss brannten nur wenige Lichter. Er brauchte nicht lange zu warten. Lore öffnete eine Tür und zog ihn zu sich. Sie umarmte ihn leidenschaftlich und presste sich eng an ihn. „Komm mit in mein Schlafzimmer. Ich muss dich sofort besitzen.“ Sie klammerte sich an ihn, er fürchtete sich vor dem, was nun folgen würde. Die Erlebnisse der vergangenen Stunden zeigten deutlich Wirkung. Ihm war zwar nicht zum Schlafen zumute, aber auch nicht zum Beischlafen. Die Enttäuschung für sie würde groß sein.

      Er hatte sich getäuscht. Lore stieß ihn auf ihr breites Bett, zog ihm die Kleider vom Leib und war ohne große Probleme in der Lage, Totgeglaubte wieder zum Leben zu erwecken. Sie war von Lust und Leidenschaft besessen, stieß immer wieder kurze Schreie aus, biss ihn in seine Ohren, die Nase und andere Körperteile. Er selbst brauchte nicht viel beizutragen. Sie bebte am ganzen Körper und ließ erst nach, nachdem sie sich in einem gewaltigen Orgasmus Befreiung verschafft hatte. Danach sank sie neben ihm auf ihr Kissen, küsste seine Stirn und flüsterte zärtliche Worte in sein Ohr. Sie wirkte befriedigt. ‚Also ist sie doch keine Nymphomanin‘, dachte Daniel. Er hatte gelesen, dass ständiges Unbefriedigtsein für Nymphomaninnen typisch sei. Er überlegte, ob dies ein günstiger Zeitpunkt wäre, um ihr von sich und seiner Situation zu berichten. Doch sie kam ihm zuvor, indem sie von sich und ihrem Leben erzählte.

      „Zwei Dinge sind mir in die Wiege gelegt worden: Erstens, dass ich die Tochter eines Königs bin und, zweitens, eine unbändige Lust an der Lust habe. Es ist mein Schicksal. An beidem kann und werde ich nichts ändern. Von einer Prinzessin erwarten zwar viele, dass sie sich an die höfische Etikette hält, doch die haben sich verklemmte mittelalterliche Sittenwächter ausgedacht. Was soll heute noch der Hofknicks, den ich zu bestimmten Angelegenheiten meiner eigenen Mutter schulde? Wer heute auf einem offenen Platz Hunger bekommt, kauft sich eine Bratwurst und isst sie vor den Augen der Vorbeigehenden. Anschließend schleckt er vielleicht noch ein Eis. Im alten Griechenland war so etwas streng verpönt. Heute ist es üblich, und es besteht kein Grund, nicht mit anderen Bedürfnissen ähnlich zu verfahren. Noch nie habe ich jemandem Gewalt angetan, ihn erpresst oder genötigt. Vielen Männern geht es ähnlich wie mir, doch sie trauen sich nicht. Dann ist’s gut, wenn ich die Initiative ergreife. Wenn ich keine Prinzessin wäre, würde kaum jemand Notiz von meinem Tun nehmen. Unser Schlossgeistlicher hat sich meinen Eltern gegenüber einmal an meinem Sittenwandel gestört. Doch ich glaube keiner Religion. Deren Geschichten sind voller Lügen. Alle Heiligtuer hatten es faustdick hinter den Ohren, oder sie kamen mit ihren Ansprüchen nicht klar. Nimm den Heiligen Benedikt von Nursia, den Gründer des ersten christlichen Ordens. Kaum hatte er begonnen, sich zu kasteien, da wurde er von erotischen Fantasien überwältigt. Was tat er? Er griff zur Peitsche und geißelte sich. Bis heute tun viele Ordensleute es ihm nach. Sie nennen das ‚Disziplin‘. Ich frage: Ist es Gott wohlgefälliger, sich den Rücken blutig zu schlagen, als zu masturbieren oder zu bumsen? Nein, ich bewundere diesen Ordensmann nicht. Viel eher sehe ich den griechischen Philosophen Diogenes als Vorbild. Der rülpste, furzte, onanierte und kopulierte in aller Offenheit. Das war für ihn Ausdruck totaler Freiheit. Auch ich werde mir die Freiheiten nehmen, die ich brauche. Weil ich das auch überall so sage, haben sich viele schon daran gewöhnt. Die Zahl meiner Anhänger nimmt zu. Immer mehr Menschen trauen sich, das auch offen zu bekennen. Meine Eltern und den Ministerpräsidenten unseres Landes habe ich bisher allerdings nicht überzeugen können.“

      Lore stand vom Bett auf, sammelte vom Boden ihre Kleider auf und versprach, bald wiederzukommen. „In zwei Stunden werde ich dir etwas zu essen bringen. Ruh dich bis dahin aus. Wenn du mit mir mithalten willst, brauchst du Kraft.“

      „Dann muss ich dir etwas von mir erzählen“, antwortete Daniel. „Auch ich habe ein Problem.“

      Lore verabschiedete sich und warf ihm noch einen freundlichen Blick zu. Sie schien zufrieden zu sein. Er musste länger als zwei Stunden auf sie und seine Mahlzeit warten. Als sie endlich kam, wirkte sie ungeduldig und überdreht. Kaum, dass er gegessen hatte, hielt sie ihm den Mund zu und machte sich wieder über ihn her. Sie schien unersättlich. „Glaube nicht, dass du mir entkommst“, sagte sie und begann zu stöhnen. „Nie mehr wirst du einer anderen Frau als mir gehören. Du machst mich heiß. Ich verbrenne vor Lust und werde keine Ruhe geben, bis ich den letzten Rest an Manneskraft aus dir herausgesaugt habe.“ Dann stieß sie unverständliche Laute aus, steigerte sich wieder in höchste Ekstase und sank anschließend ermattet auf seine Brust. „Sag mir, wen hast du umgebracht?“, fragte sie dann. Sie hatte offenbar inzwischen einiges über ihn erfahren, über das er mit ihr reden wollte. Was sie gehört hatte, schien sie aber grade beim Geschlechtsakt


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