BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker

BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin - Robert W. Walker


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gefunden. Ein Hinweis auf Drogenmissbrauch, aber ohne Blut würde man sehr aufwendige Ausrüstung für die Untersuchung von Bauchspeicheldrüse, Leber und anderer Organe brauchen, um die notwendigen Spuren nachzuweisen, die zeigten, ob sie unter Drogen gestanden hatte oder nicht. Jessica nahm eine Probe von jedem dieser Organe; diese würden in mit Formalin gefüllten Phiolen zu den Experten nach Quantico geschickt werden. Stadtler nahm seine eigenen Proben. Er meinte, er könne sie in Milwaukee untersuchen lassen. Bis auf die Verstümmelungen in der Nacht ihres Todes erzählten die Narben von der Biografie des Mädchens – sie war gezeichnet von Wunden und Narben, die sie im Laufe ihres kurzen Lebens gesammelt hatte. Es gab alte, verheilte Brandwunden, Narben einer genähten Wunde, die darauf hindeutete, dass sie einmal einen Kaiserschnitt hatte, vermutlich durch eine Geburt oder Abtreibung bei einer ungewollten Schwangerschaft. Sie hatte ein schmerzhaftes Leben geführt und war einen schmerzhaften Tod gestorben. So traurig, dachte Jessica.

      Auch wenn sie noch nicht die Identität des Monsters bestimmen konnte, das Candy getötet hatte, konnte sie sehen, was das Opfer gegessen, eingeatmet und injiziert hatte. Viele Mediziner wurden genauso abgehärtet wie Cops, irgendwann hatten sie alles gesehen. Sie sagten oft, die Art, wie ein Mensch starb, reflektierte, wie er gelebt hatte. Manche Menschen lebten auf eine Weise, die Gewalt anzog; die meisten Mordopfer flirteten unabsichtlich mit dem Tod, indem sie sich in hochriskante Situationen brachten. Ärzte, die ein Opfer untersuchten, das an einer Schusswunde starb, fanden oft Überbleibsel anderer Kugeln im Körper. Die meisten erfolgreichen Selbstmörder hatten Narben von früheren Versuchen. Aber welcher Lebensstil forderte einen solch hohen Preis, wie ihn dieses missbrauchte Kind, diese junge Frau hatte zahlen müssen?

      Die Autopsie fand größtenteils schweigend statt, bis die Doktoren auf irgendetwas stießen, über das sie sich einig oder uneinig waren. Stadtler fand, die Leber wirke ein wenig gelbsüchtig, während Jessica meinte, sie habe die Farbe von Gänseleberpastete, was auf Alkoholismus und eine beginnende Leberzirrhose hindeutete. Was den Zustand der Nieren anging, waren sie sich einig. Eine davon war zu leicht – Waagen lügen nicht – und das war ebenfalls eine Folge des Alkoholmissbrauchs, sie war vorzeitig geschrumpft. Ihre Eierstöcke, genau wie ihre Nieren, waren geschrumpft und ungewöhnlich klein. Man konnte daran ihre harten Lebensbedingungen ablesen.

      Es gab keinerlei Hinweise, dass sie auf den Kopf geschlagen worden war, das Gehirn wies keine Verletzungen auf, außer übermäßig viel Flüssigkeit, inklusive einiger Bluttaschen, die von den Doktoren hochgeschätzt wurden. Jetzt konnte man eine vernünftige Blutanalyse machen und Gifte ausschließen.

      Sie waren beinahe mit der Autopsie fertig, als Jessicas eine bläuliche Verfärbung am Hals und der Kehlwunde bemerkte. Sie blinzelte. Vermutlich war es nur die blaustichige fluoreszierende Beleuchtung oder das natürliche Blau der Wunde selbst, als das Blut aus den durchtrennten Arterien strömte. Trotzdem griff sie nach einer Lupe auf einem Stativ, um sich die Wunde genauer anzusehen.

      »Was ist?« Stadtlers Neugier war sofort geweckt. »Haben Sie das nicht schon getan?« Die Tiefe und Länge der Wunde zu untersuchen, meinte er damit.

      Sie antwortete mit einer Frage. »Haben Sie den Zustand der Luftröhre geprüft?«

      »Warum?«

      Sie führte ihre Hand unvermittelt in die offene Brusthöhle und durch den Hals, massierte die Lagen von Knorpel, die den oberen Teil der Luftröhre bildeten, den Ringknorpel. Sie wusste sofort, dass die blaue Verfärbung um den Hals nicht an der bläulichen Beleuchtung oder an der Wunde lag. Sie war sich sicher, der Killer hatte sein Opfer außerdem gewürgt, doch das hatte er so sanft getan, dass es nicht offensichtlich war, geschweige denn zu beweisen.

      Ihre Verwirrung verriet sie. Die drei Männer sahen sie an. »Nur neugierig«, log sie.

      »Jeder kann sehen, dass sie nicht erwürgt wurde«, sagte Stadtler. »Können wir weitermachen?«

      »Ich werde hier eine Probe entnehmen müssen«, sagte sie und zeigte auf den Hals.

      »Was? Wofür? Wir dachten eigentlich, dass noch etwas von ihr übrig bleibt, das wir beerdigen können«, sagte Stadtler sarkastisch.

      »Sorry, Doktor.«

      »Okay, es tut mir leid, das war unangebracht«, antwortete er. »Aber worauf wollen Sie hinaus?«

      »Das weiß ich nicht, bis ich nach Quantico zurückkehre. Ich brauche da eine Untersuchung mit dem Elektronenmikroskop.« Mit ihrem Skalpell schnitt sie ein tiefes Hautquadrat um die Halsvene herum ab, ihre Augen konzentrierten sich auf den Bereich, in dem sie einen tiefen sauberen Schnitt machen musste. Dann stellte sie eine weitere versteckte Botschaft unter der Oberfläche fest. »Oh Gott«, murmelte sie.

      »Was ist?« Stadtler verlor langsam die Beherrschung und hätte sie beinahe weggestoßen. »Was?«

      »Hier und hier.« Sie deutete mit dem Skalpell, das sauber in den Schnitt auf beiden Seiten der Jugularvene passte – jeder davon ging tief, aber es waren zwei Schnitte und sie waren nicht verbunden. Der längere Schnitt, der sie beide verband, war in der Mitte nur oberflächlich. Etwas war in die Halsschlagader eingedrungen und die Spuren dieser Wunde waren unter dem größeren Kehlschnitt, der sie verdeckte, fast nicht zu sehen.

      Sie erklärte es Stadtler.

      Er war erschüttert. »Ich … ich dachte, das hätten Sie letzte Nacht untersucht?«

      »Offenbar nicht genau genug.«

      »Was … bedeutet das?«

      »Es bedeutet, dass ein zweites Instrument an der Halsschlagader benutzt wurde. Der große Schnitt soll das nur kaschieren.«

      »Was für ein zweites Instrument?«

      »Ich weiß es nicht. Das werde ich es erst wissen, wenn ich diesen Teil ihres Halses mit nach Virginia genommen habe.«

      Er sah sie lange an. »Ich nehme an, es ist … notwendig.«

      »Absolut.«

      Er trat einen Schritt zurück und drehte sich dann zu ihr. »Das wird jeden Moment schlimmer, oder? Vielleicht werde ich zu alt für diesen Job. Und für diese Welt.«

      »Mit Verstümmelungen wie diesen bekommt sie sowieso einen geschlossenen Sarg.«

      »Ja, was soll’s, macht nichts, wenn noch ein Teil fehlt, oder?«, fragte Stadtler. »Wird schon niemand vermissen.«

      Jessica entfernte das quadratische Stück Fleisch aus dem Hals und Stadtlers schweigender, fleißiger Assistent hielt ihr ein kleines Glas mit Konservierungsflüssigkeit für das schwammige, ausgeschnittene sezierte Stück hin. »Diese Information bleibt in diesem Raum, Gentlemen. Wir müssen das für uns behalten. Kein Wort zu irgendwem.«

      Der Todeszeitpunkt konnte durch eine Kombination weiterer typischer Anzeichen präzisiert werden: Livores, die dunkle Hautverfärbung durch den Tod und das Ausmaß dieser Verfärbungen; Algor mortis, die Leichenkälte; und Rigor mortis, der Grad an Steifheit oder Beweglichkeit, sagten ebenfalls viel aus. Annie »Candy« Copeland war zwischen Mitternacht und 2:00 Uhr gestorben, in der Nacht, bevor sie gefunden wurde. Laut Stadtler war der letzte Mann, der sie gesehen hatte, ein mieser Kleinstadtzuhälter, der sie ausgenutzt und auf die Straße geschickt hatte, ein Mann namens Scarborough, bekannt als Scar. Der Mann war wegen Verdachts des Mordes an Annie Copeland festgenommen worden.

      Als sie endlich mit Copelands Leiche fertig waren, trat Jessica einen Schritt vom Autopsietisch zurück, das Dröhnen des Kompressors in den Ohren. Sie schälte sich aus den Gummihandschuhen und der Maske und legte beides in die Körbe, die zu diesem Zweck neben der Tür standen. »Machen Sie bitte eine Kopie des Berichts fertig, zusammen mit den Proben, die ich mit nach Virginia nehmen werde. Wir fliegen irgendwann heute Nachmittag vom örtlichen Flughafen ab. Falls es Probleme geben sollte, mir alles bis vierzehnhundert – äh, zwei Uhr – zukommen zu lassen, kontaktieren Sie mich bitte im Inn oder am Flugplatz.«

      Stadtler nickte, ihre Augen trafen sich. In der nun einsetzenden Stille wurde ihr plötzlich klar, dass sie irgendwann im Laufe der Untersuchung seinen Respekt gewonnen hatte. »Ich kümmere mich persönlich darum, Dr. Coran.« Sie atmete tief durch


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