BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker
Das Bureau wollte, dass sie im Einsatz Erfahrung sammelte, und er wollte sie in seinem Team. Er erklärte, er wollte sein Team mit einer Klinikärztin vervollständigen, jemandem, der die Pathologie wieder in einen psychologisch-pathologischen Bericht über einen Serienkiller einfügen konnte.
Also hatte er sie auf den Dienstplan gesetzt, und nachdem sie stundenlang in Bereitschaft gewesen war und dann wieder nicht, wurde sie zum Einsatz gerufen, als Boutine sie angerufen und geheimnisvoll gefragt hatte: »Warst du schon mal im Frühling in Wisconsin?«
»Nein, noch nie«, hatte sie erwidert.
»Viel Schlamm, bei dem Tauwetter.«
»Ist das so?«
»Hast du Stiefel?«
»Sicher hab ich Stiefel.«
»Hohe?«
»Hohe, flache. Alles, was nötig ist. Ist das ein Go?«
»Sei in einer halben Stunde beim Eingang der Akademie.«
Ein Jeep der Army wartete auf sie am Tor, und als sie einstieg, fuhr er raus auf das Rollfeld. Dort half ihr jemand, ihre Ausrüstung an Bord eines Learjets zu verladen, dessen dröhnende Triebwerke den stürmischen schwarzen Himmel und ihre Trommelfelle durchbohrten. Zwei Stunden später setzten sie auf einem abgelegenen Flugfeld neben dem Bohnenfeld einer Farm auf. Man sagte ihr, sie hätten den Stadtrand von Wekosha, Wisconsin, erreicht.
Während des Fluges hatte Otto ihr über den Fall erzählt, was er mitbekommen hatte. Wie sich jedoch herausstellte, hatte er wohl nicht alles mitbekommen, einfach, weil man ihm nicht alles darüber gesagt hatte. Er hatte es nur aus zweiter Hand, von einem Fax. Begierig darauf, seinen Vorgesetzten zu beweisen, wie sinnvoll es wäre, sein Team für psychologisches Profiling mit einem gut aufgestellten forensischen Team unter Jessicas Leitung zu kombinieren, hatte Otto leichtsinnigerweise – für ihn – nur auf einen Verdacht hin Jessica mitgenommen, damit sie sich den ›Ärger‹ in Wekosha ansah.
Als sie mit Otto im Flugzeug saß, hatte er ihr den Eindruck vermittelt, der Fall habe etwas mit Mord zu tun, aber man hatte ihr nicht gesagt, dass es um einen Foltermord Stufe neun ging – Ausbluten. Sie fragte sich, wie viel Otto gewusst und wie viel er ihr verheimlicht hatte, als plötzlich ein riesiges Schlagloch in einer Straße des Ortes sie wieder in die Gegenwart brachte.
Sie mussten zuerst in das Police Department der Stadt, wo all die Beweise unter Verschluss waren. Otto und Stowell kamen als Zeugen fürs Protokoll mit. Von dort ließ Stowell sie von einem Deputy ins Wekosha Inn fahren, wo Zimmer für sie reserviert waren. Sobald der Deputy weg war, eilte Jessica hinein, begierig nach einer Dusche und etwas wohlverdientem Schlaf, aber Otto hielt sie am Rezeptionstresen zurück. Gerade als sie ihren Zimmerschlüssel bekommen hatte, nahm er sie zur Seite.
»Du verschweigst mir doch was …«
Sie sah ihm in die Augen und fragte sich, wie er so gut darin geworden war, Gedanken zu lesen.
»Nichts, was ich bisher beweisen kann.«
»Nämlich?«
»Abgesehen davon, dass der Bastard sich mit dem Großteil ihres Blutes davongemacht hat?«, fragte sie.
»Davongemacht?«
»Stowell sagte, sie war seit zwei Tagen verschwunden. Vom Stadium der Totenstarre ausgehend, würde ich sagen, sie ist in der ersten Nacht nach ihrem Verschwinden gestorben. Der Typ könnte natürlich die ganze Nacht da rumgehangen haben, aber das glaube ich nicht. Und niemand kann in einer Sitzung so viel Blut trinken. Auch wenn er glaubt, er ist ein Vampir.«
»Also hat er das Blut mitgenommen?«
»Das meiste davon, ja.«
»Einige der örtlichen Trottel haben vorgeschlagen, das Copeland-Mädchen könnte ja auf Bondage gestanden haben oder irgendein auto-erotisches Spiel sei außer Kontrolle geraten.«
»Das ist Bullshit, das weißt du. Man hat sie an den Füßen an die Balken gehängt und ihr das Blut abgezapft. Wenn das als ein bisschen Folter-Vorspiel angefangen hätte, dann gäbe es Peitschenstriemen, Bissspuren, kleine Wunden und blaue Flecken, aber wie ich gesagt habe, das Sperma wurde in sie geschmiert, zusammen mit dem Blut. Sie hatten nichts mit ihrem Tod zu tun.«
»Höchstens damit, wie sie ihr Leben gelebt hat«, entgegnete er traurig.
Sie wusste, worauf er hinauswollte. Manche Opfer luden geradezu zu einem Angriff ein; manche Menschen waren die perfekten Opfer.
»Stowell sagt, sie haben einen Reifenabdruck. Keinen guten, aber …«
»Hast du sichergestellt, dass dieser Kerl Stadtler sie nicht einbalsamiert, bevor ich im Labor einen genaueren Blick auf alles geworfen habe?«
»Darum hab ich mich gekümmert, versprochen. In der Zwischenzeit will ich, dass du dich ordentlich ausruhst. Du hast es dir wirklich verdient.«
Sie ging mit einem »Gute Nacht« davon, blieb aber am Aufzug stehen: »Eins noch, Otto.«
»Ja?«
»Wer immer dieses Monster ist, er ist erstaunlich kontrolliert vorgegangen.«
»Erstaunlich kontrolliert?«
»Was den Blutstrom angeht. Angesichts der Position des Körpers hätte es enormen Druck auf die Arterien gegeben, die zum Kopf führen, besonders auf die Halsschlagader.«
»Die Art von Druck, der dafür gesorgt hätte, dass der ganze Tatort mit ihrem Blut vollgespritzt worden wäre.«
»Das hatte er auch gewusst … der hat sich Gedanken gemacht … eine Menge.«
»Hat darüber fantasiert oder es vielleicht tatsächlich schon mal getan«, schlug er vor.
»Und der Bastard hat sich was einfallen lassen, wie man den Blutfluss stoppt, ihn kontrolliert und das Blut auffängt.«
»Deutet vielleicht auf einen medizinischen Hintergrund.«
»Deutet auch auf einen organisierten Täter.«
Sie kannten beide die Literatur – wenn man es so nennen konnte – über den organisierten im Vergleich zum desorganisierten Mörder. Ein desorganisierter Killer hinterließ einen desorganisierten Tatort: Waffen, Fußabdrücke, Fingerabdrücke, persönliche Gegenstände und andere Hinweise für die Polizei, normalerweise deshalb, weil er schnell vor dem davonrennen wollte, was er getan hatte. Ein organisierter Killer hinterließ sorgsam gewählte Indizien; Beweise, die die Polizei finden sollte, oft um sie auf eine falsche Fährte zu bringen; andere Gründe reichten von Fetischen bis zu Fantasieritualen, die sich ein fiebriges Gehirn ausgedacht hatte, bis hin zum kranken Wunsch, einfach diejenigen zu provozieren, die seine schmutzige Arbeit wegräumen mussten.
Wenn Jessica recht hatte, dann würden sie keine Mordwaffe finden, und alle Verdächtigen, die die örtlichen Gesetzeshüter einbestellten, wären nur ein armseliger Ersatz für den wahren Täter. Die normale Antwort der Behörden vor Ort war, das Ganze dem Wirken völlig verrückter Antriebe zuzuschreiben. Darauf zählten sie sogar, und auch darauf, schnell jemanden für das Verbrechen einsperren zu können.
Aber sie beide wussten, auch wenn das zum Wohle der Gemeinde und für die gierigen Journalisten geschah, würde der wahre Killer einfach unsichtbar bleiben. Ein organisierter Killer wäre heimgegangen, hätte sich ins Bett gelegt, den Schlaf der Gerechten geschlafen, da er seinen nagenden Drang nach Blut befriedigt hatte, und wäre dann erfrischt wieder aufgewacht. Er würde sicher nicht verwirrt, desorientiert und mit einem bluttriefenden Mund in Stowells Büro auftauchen, um sich zu stellen, weil er sein aufgewühltes Gewissen beruhigen wollte, da er einem anderen Menschen das Leben ausgesaugt hatte. Wer immer dieser Täter war, er fühlte keine Reue, keinen Schmerz, kein Mitgefühl mit seinem Opfer. Stattdessen hatte er bestimmt einen Platz in der Garage für die Schneidwerkzeuge, die er bei Candy Copeland zum Einsatz gebracht hatte – er hatte wahrscheinlich jedes davon an einen eigenen Nagel gehängt oder auf ein eigenes Regalbrett gelegt, bevor er ins Bett gegangen war.
»Unser Mann ist ordentlich«,