BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker

BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin - Robert W. Walker


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und seine Sachen angeht«, stimmte sie zu, »und ich glaube nicht, dass er irgendwelches Blut auf seine Kleidung kriegen wollte. Wenn er versucht hätte, ihr Blut mit einem Eimer aufzufangen, dann wäre es trotzdem überall in der Hütte verteilt gewesen und er hätte auch was abgekriegt. Er hätte sich verschluckt und husten müssen, wenn er versucht hätte, alles auf einmal mit einem Schlauch oder etwas in der Art zu trinken. Nein, der hat das auf sehr saubere und ordentliche Weise gemacht.«

      Ihre Gedanken waren von den Bildern des Monsters beherrscht, ein dunkler Schemen vor seinem Opfer, der über sie gebeugt penibel arbeitete, bevor er den toten Körper mit seinen Metzelwerkzeugen verunstaltete, beim Versuch, sein präzises Vorgehen zu kaschieren.

      Dieses Mal wünschte keiner von ihnen gute Nacht. Beide wussten, dass der Schlaf, würde er denn kommen, nicht frei von verstörenden Bildern wäre.

      Kapitel 4

      Als sie in ihr Zimmer kam, machte sie alle Lichter an. Sie bemerkte das Doppelbett und streckte sich in ihrer Kleidung darauf aus. Sie wollte sich nur mal einen Moment hinlegen. Dann war sie wieder hinten in Stowells Wagen mit ihren Händen in Ottos. Sie fühlte sich sicher bei ihm und kuschelte sich im sanft brummenden Auto an ihn, fand Wärme in seinem Arm, eine gewölbte, schützende Höhle. Um sie herum verwandelte sich die trostlose, schwarze Landschaft Wisconsins in eine Küstenlandschaft, die hell von der Sonne erleuchtet war und in der sie auf einer kurvigen Straße über der Steilküste dahinfuhren. Es war, als wären sie nach Schottland transportiert worden, dachte sie, einen Ort, den sie schon lange einmal hatte sehen wollen, da ihre Vorfahren von dort kamen.

      Die Fahrt war wunderbar und Ottos Stimme so liebevoll und sanft wie die leichte Brise, die durch die Fenster strich. Er fragte, ob sie es bequem hatte. Dann hörte sie ihn etwas über Liebe sagen, aber es war, als sei er plötzlich weit weg. Sie blickte auf und fand sich allein im Wagen wieder. Eine sich auftürmende schwarze Wolke hatte den Tag in Nacht verwandelt, der Wagen war nun ein Leichenwagen und Stowell nicht mehr der Fahrer, denn im Rückspiegel sah sie die Augen von Candy Copeland, die sagte: »Lehn dich einfach zurück, Mädel, und genieß die Fahrt.«

      Jessica schreckte aus dem Schlaf hoch. Sie zuckte so zusammen, dass sie fast aus dem Bett gefallen wäre. Keuchend setzte sie sich auf und schaute sich um. Der Traum war so real gewesen … so real …

      Als das Bluten aufgehört hatte, war es fast drei Uhr morgens und er war allein mit der Leiche und seinen eigenen Gedanken. Diesen Moment der Panik und Schuld verabscheute er. Er fühlte sich krank im Kopf und ihm war übel. Um das wegzuschieben, durchlebte er erneut die Momente, kurz bevor er seinen brennenden Durst löschen konnte.

      Er hatte nicht im normalen Sinn des Wortes mit ihr Liebe gemacht, aber er hatte sie mehr geliebt als jede körperliche Verbindung, denn sie waren eins geworden, dadurch dass ihr Lebensblut buchstäblich zu seinem wurde, ihn durchströmte.

      Sie heiße Candy, hatte sie gesagt, und ihr stumpfer Blick war der eines einfachen, vom Leben angeödeten Schulmädchens gewesen, als er sie das erste Mal an der Bushaltestelle angesprochen hatte. Sie war nicht sonderlich helle, aber er war auch nicht hinter ihrem Hirn her. Ihre Sprechweise deutete auf eine ärmliche Kindheit hin. Sie war offensichtlich nicht sehr belesen und dachte wohl größtenteils mit dem, was zwischen ihren Beinen war, und daran, wer gerade das berühmteste Teeny-Idol war. Sie war vielleicht 18, möglicherweise ein bisschen älter, und hatte den toughen Look eines Mädchens, das gern trank und Party machte, wann immer es ging.

      Sie rauchte eine nach der anderen.

      Er musste seltsam für sie ausgesehen haben, auf gewisse Weise vornehm, sicher nichts, woran sie gewöhnt war. Er war viel älter, trug Anzug und Krawatte, fuhr einen schönen Van. Er war alt genug, um ihr Vater zu sein. In gewisser Weise hatte er sie ja auch zu der seinen gemacht, oder nicht?

      Sie hatte ein loses Mundwerk und zog sich wie Madonna an, wodurch sie wie eine Schlampe aussah. Sie kiffte, wann immer sie Gelegenheit dazu hatte.

      Jedenfalls hatte er sie mit einem Schlag von all ihren schlechten Angewohnheiten erlöst …

      Als er sie überredet hatte, mitzufahren, hatte sie gesagt: »Ich helfe dir, wenn du mir hilfst.«

      Sie wollte irgendwohin gefahren werden und was rauchen, am besten Gras. Er nahm sie mit, und sie bekam etwas, das eine ganze Ecke stärker war als Gras. Und sie bekam noch etwas, worum sie gar nicht gebeten hatte, etwas, wodurch sie ewig leben würde, zumindest solange er sich entschied, ewig zu leben. Jetzt war sie tot, ein bisschen Blut lief noch ihren langen schlanken Hals entlang, tropfte vom gestreckten Adamsapfel … er fing das Blut mit den Händen auf … benutzte es wie Weihwasser, rieb es sich ins Gesicht. Er spürte es auf seiner Haut, der Geruch – ihre Essenz – beruhigte seine angespannten Nerven. Er wollte sich an diesen Moment erinnern … aber er verblasste so rasch, die Bilder wurden Stunde um Stunde schwächer.

      Diesen Moment wollte er wieder durchleben.

      Candy und diesen Augenblick in seinem Geist konservieren.

      Er griff nach den Aufnahmen, die er mit seiner Nikon von Candy gemacht hatte – Aufnahmen davor und danach, aus jedem Winkel, in der Pose gefangen, in der sie ihn nährte.

      Neben ihm auf dem Boden standen die Kühlbox und die Einmachgläser. Er machte sich daran, aufzuheben, was übrig geblieben war. Seine Gefriertruhe daheim musste wieder aufgefüllt werden und dank Candy sah das jetzt schon viel besser aus.

      Ein Nachbarhund bellte und löste eine ganze Welle an Gebell anderer Hunde aus, das die Stille der Nacht zerriss. Der Mond schien hell und die Hunde sahen überall sich bewegende Schatten. Er wohnte in einer ruhigen Gegend, geradezu friedlich, die Grills in den Hinterhöfen waren rostig von der langen Winterruhe, die Zäune altersschwach, krumm und vernachlässigt. Es war ein altes Viertel, das war offensichtlich, die Häuser in der Gegend waren in den späten 1960er-Jahren erbaut worden. Trotzdem waren keine nervigen kleinen Kinder in den Vorgärten und auf der Straße. Weil die Häuser so alt aussahen, wie sie auch waren, kam nur selten ein ungebetener Vertreter vorbei.

      Drinnen hatte er all den Komfort, den er brauchte, größtenteils medizinische Fachbücher und Magazine. Er besaß sogar ein Exemplar von Gray’s Anatomy, das erschienen war, bevor man solche Meisterwerke auf dünnem Papier und klein gedruckt in Massen produzieren konnte. Das Buch war ein wertvoller Besitz seines Großvaters gewesen, ein Mann, den er nie gekannt hatte.

      Er musste sichergehen, dass absolut keine Spur von Candys Blut auf seinem Handwerkszeug gefunden wurde. Das Blut selbst, die Päckchen in der Kühlbox, würde nicht lange in seinem Besitz sein. Melanies war bereits bis auf ein letztes Päckchen verbraucht und Janel würde ihr bald folgen.

      Er war vorsichtig mit den Einmachgläsern voller Blut. Am Morgen würde er das Blut in Plasmabeutel umfüllen, von denen er ganze Kisten voll besaß. Das Blut blieb so länger frisch und nahm weniger Platz in seiner Tiefkühltruhe ein.

      Weil ihm nichts Besseres einfiel, schrieb er einfach ›Candy‹ auf die Gläser, damit er sie nicht mit Melanie, Janel oder Toni verwechselte, drei frühere Spender für seinen Vorrat. Er stellte eines der Gläser mit Candy in die Tür seines Kühlschranks, einiges würde er verwenden, um seinen morgendlichen Durst zu stillen, anderes für Objektträger. Am Morgen würde er sich Candys Blut unter dem Mikroskop ansehen, um dessen nicht gleich sichtbaren Eigenschaften zu bestimmen und zu prüfen, ob auch irgendwelche ungesunden dabei waren. In der Hitze der Eroberung konnte man sich nicht mit solchen Bedenken aufhalten.

      Seine Arbeit war beinahe getan. Er stellte jedes Glas sicher auf das andere, begleitet von einem leisen gläsernen Klirren, und leerte so die Kühlbox, auf der ›Proben‹ stand. Er hatte sie aus dem Van hereingeholt. Als er das Zeug reintrug, hatte er Jonstone zugewunken, der ein Stück die Straße runter wohnte. Jonstone litt an Schlaflosigkeit und es war nicht ungewöhnlich, ihn um drei Uhr in der Nacht mit seinem Hund beim Gassigehen zu sehen.

      Ganz unten aus der Kühlbox holte er nun eine kleine verkorkte Phiole hervor. Diese stellte er in die Spüle, damit sie sterilisiert und später wiederverwendet werden konnte. Er starrte darauf. Die Phiole reflektierte das


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