BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker
gestarrt. Neben den dünnen Schlauch, der in Seifenlauge in seiner Spüle lag, legte er nun eine Reihe weiterer verschmutzter Gegenstände: ein Thermometer, ein Chirurgenskalpell, ein paar Sonden, eine Klammer und ein Werkzeug, dem er erst kürzlich einen Namen gegeben hatte – der Abzapfer.
Nun ging er zu dem Koffer mit den teuren Stahlmessern und Instrumenten, die in dem schwachen Licht glänzten. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sie sauber gewischt hatte, aber das hatte er offenbar. Dann schloss er die Kühlbox und den Koffer. Langsam wurde er ein wenig müde. Er war lange gefahren, um nach Hause zu kommen. Im Bad schälte er sich aus seinem Hemd, wobei er eine breite haarige Brust enthüllte und einen Bauch, der über den Hosenbund hing, der Nabel unsichtbar zwischen den Speckröllchen verborgen. Er hatte Diät gehalten, darauf geachtet, nicht zu viel Frittiertes und Fettiges zu essen, wann immer er unterwegs war, aber es schien nichts an seiner Körpermitte zu verändern. All sein Übergewicht war plötzlich eines Tages einfach dagewesen, als er aufgewacht war und sich genau und kritisch beäugt hatte. Er war nicht furchtbar fett, gerade dick genug, um rundherum ein wenig füllig zu wirken und die Knöpfe seiner Hemden übermäßig zu beanspruchen. Bei Geschäftsmeetings hatte er sich angewöhnt, übergroße Krawatten zu tragen, um den Bereich um seinen Nabel abzudecken, aber damit konnte man schließlich nicht alles verstecken.
Sein Gesicht hatte ebenfalls Übergröße, die Wangen wölbten sich, waren so überdimensioniert, dass sie begannen, seine attraktiveren Merkmale zu überdecken, die klaren, dunklen, kristallblauen Augen. Er hatte noch nie einen so großen Kopf gehabt. Wieso jetzt? Was sollte er dagegen tun? Die einzigen seiner Körperteile, die anscheinend von der plötzlichen Gewichtszunahme verschont geblieben waren, waren seine sehnigen, straffen Arme und Beine. Das Gewichtestemmen half hier eine Menge. Und die Blutdiät half, seinen Appetit zu zügeln, glaubte er.
Die Jahre hatten auch von seiner Haut ihren Tribut gefordert. Er wirkte aschfahl und das ergrauende Haar ließ ihn noch bleicher wirken. Das machte es schwieriger im Geschäftsleben, sowohl tagsüber als auch nachts. Er war ein farbloser Mann, war immer ein farbloser Mann gewesen, mit einer geringen Meinung von sich selbst angesichts dessen wie er von fast jedem, der mit ihm Kontakt hatte, gesehen wurde. Die meisten Menschen behandelten ihn, als wäre er ein Aktenschrank, noch dazu ein leerer. Sein ganzes Leben lang. Aber er war um einiges interessanter, als irgendjemand ahnte.
Trotzdem musste er sich der Tatsache stellen, dass er an einem Scheidepunkt in seinem Leben angekommen war. Er hatte eine Menge über Formen und Phasen des Wachstums gelesen, Stadien, die ein Mann durchlief. Dies war eine davon, den fetten Bauch und die dicken Backen zu bekämpfen. Er schwor sich, dass er sich dem nicht ergeben wollte und daher machte er, so müde er auch war, seine Liegestütze und Sit-ups, bevor er eine Dusche nahm und sich wieder ins Bett legte. Unter der Dusche waren seine Gedanken zurück zum Mord gewandert. Die heiße Dusche war so warm wie ihr Blut gewesen.
Im Bett erinnerte er sich an die Details des Tötens. Er kehrte zurück, um die verfallende, dreckige, stinkende alte Hütte in den Wäldern zu begutachten, Meilen von der Hauptstraße entfernt. Dann suchte er methodisch die präzisen Instrumente aus seiner Aktentasche, die er benötigte, um eine Vene zu öffnen und Candy das abzuzapfen, was er von ihr wollte. Er dachte darüber nach und erlaubte dem Moment, ihn in den Schlaf zu wiegen. Er schlief tief und friedlich, nur gestört von kurzen Erinnerungsbruchstücken an das unpräzise, schwere Werkzeug, das er bei Candy benutzt hatte.
Er hatte zum Wagen zurückkehren müssen, hatte die Mordwaffen in ein Geheimfach gesteckt, die Kamera, gefüllt mit den Negativen des Mordes auf den Sitz gelegt. Aus dem hinteren Teil des Wagens holte er seine batteriebetriebene Stichsäge, ein schönes Spielzeug. Dann kehrte er in die Hütte zurück und stellte sich vor die Leiche, während er überlegte, was er ihr wohl am besten zufügen sollte.
Das Brummen der Säge war willkommen in der erdrückenden Stille der Hütte; er schnitt ihr sorgfältig die Brüste ab, bevor er ihre Vagina verstümmelte. Es wurde fast kein Blut verschwendet. Er zählte darauf, dass der Horror der Verstümmelung die lokalen Polizeikräfte auf die falsche Fährte locken würde und sie eilig die Gegend nach einem Verrückten absuchen würden, der möglicherweise aus einer Anstalt entflohen war, nach dem Dorfirren oder einem einsamen Waldbewohner. Sicher würden sie nach niemandem suchen, der so aussah wie er.
Als er mit den letzten Schnitten fertig war, trat er einen Schritt zurück, um sich das Ergebnis anzusehen. Seine Augen wanderten abschätzend über die Leiche. Kurz bevor er ging, blieb er jedoch an der Tür stehen und drehte sich noch einmal um.
»Was soll’s«, sagte er laut und berührte mit der Säge fast schon sanft die Stelle, wo ihr Arm auf die Schulter traf und trennte die Sehnen an allen Seiten durch. Nach einem sanften Ziehen seiner behandschuhten Hand löst sich der Knochen sauber aus dem Gelenk und für den letzten Feinschliff warf er den Arm quer durch den Raum.
Er wollte gerade gehen, als er sich daran erinnerte, dass eines seiner Skalpelle in der Küche war. Er hatte es im Waschbecken liegen lassen. Als er erneut an der Leiche vorbeiging, erinnerte er sich auch an den Abbindeschlauch aus einem Krankenhaus, der fest um ihren Hals geschlungen war, und an die rosafarbene Schleife im Haar, die er dort platziert hatte. Er entfernte sie ebenfalls. Er wollte keine Spuren hinterlassen, bis auf solche, die die Polizei verwirren und in die Irre führen sollten, wie ihr abgetrennter Arm und die verstümmelten Genitalien.
Vorher hatte er noch die Phiole mit Sperma aus der Kühlbox im Van geholt. Das Sperma war von jemand anderem, jemandem, den er nicht einmal kannte. Er hatte es auf Raumtemperatur angewärmt und dann etwas in die Vagina der toten Frau gegossen, den Rest in ihren Mund. Dann hatte er sorgfältig die Phiole und den Stöpsel zurück in die Kühlbox getan, die er wieder mitnehmen würde.
Er hatte die Polizei auf die Spur eines sexuell Perversen gelenkt. Sie würden nur das herausfinden, was er wollte, sonst nichts, wie die kleine Überraschung in ihrem Mund und ihrer Vagina.
Zufrieden verließ der Killer den Tatort. Sein Zuhause war weit weg und wartete auf ihn, und doch war er zu Hause und im Bett, seine Bedürfnisse befriedigt, und träumte davon zu kommen, zu bekommen … konnte das Leben noch besser werden? Er zweifelte daran.
Und seine Träume bewiesen ihm, dass er recht hatte … so wie zuvor … und immer.
Er kniet auf allen vieren, wie ein Tier, unter ihrem Hals, da wo sie hängt. In diesem aufgeputschten, veränderten Bewusstseins- und Daseinszustand kann er sich nicht erinnern, ihre langen offenen Haare zurückgebunden zu haben, um besser an das Zapfinstrument in ihrem Hals heranzukommen, aus dem gleich ihr Blut fließen wird, jetzt wo er sie angestochen hat. Alles ist an seinem Platz. Er lockert den Gummischlauch und hält ihr dabei die Hand vor die Augen. Das Blut kommt zu ihm in einem kontrollierten, wohl abgemessenen Strom, genau wie er es sich schon tausend Mal vorgestellt hat. Sein Erfindungsreichtum und seine Fantasie haben ihn nicht im Stich gelassen.
Zu diesem Zeitpunkt ist er in Ekstase. Auch wenn er wahrlich kein religiöser Mann ist, weiß er nun, welch inbrünstige Gefühle wie lähmende Elektrizität durch das Herz und Hirn eines Eiferers strömen. Auf allen vieren fängt er ihr Lebensblut mit seinem Mund auf, schluckt es warm und spürt, wie ihre äthergleiche Seele in seine Eingeweide strömt, ihm ihre ganze Essenz preisgibt. Blutopfer … so alt wie die Zeit und die Menschheit selbst.
Sie blutet nicht schwer oder unkontrolliert. Er hat sorgfältige Schritte unternommen, um nicht die kostbare rote Flüssigkeit zu verschwenden. Die zugefügte Wunde an ihrem weißen Hals hat er mit dem Abzapfer und chirurgischem Klebeband abgedeckt, an dem Abbindeschlauch gedreht, gerade genug Druck ausgeübt, damit die Blutung verlangsamt wird und er es in aller Ruhe in die mitgebrachten Einmachgläser füllen kann. Während sie volllaufen, stellt er eines nach dem anderen auf den Tisch. Er arbeitet beim Schein einer alten Öllampe und einer Taschenlampe mit Laternenfunktion, die er aufgestellt hat. Er will nicht, dass das Licht Aufmerksamkeit hervorruft, auch wenn er meilenweit von der Hauptstraße entfernt ist.
Er weiß, seine Lust ist unstillbar und der Vorrat, den er von Candy bekommt, wird ihm nicht lange reichen. Noch bevor er in dieser Nacht heimkommt, weiß er, dass er diesen Trank den Rest seines Lebens begehren wird, nicht nur, weil er den Geschmack von Blut mag – ihn schon seit seiner Kindheit gemocht hat –, sondern auch,